Boltzplatz Heroes – 17.02.2005


Nicht so gut wie erhofft. Nicht so schlecht wie befürchtet.

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»Supergroups« haben es nie leicht. Da lastet schon von vornherein der Druck der vielen Namen, die im Hintergrund stehen, die Erwartungen, die sie mit sich bringen. Bei den Boltzplatz Heroes ging es genau deshalb vielleicht auch darum, diesem Druck entgegen zu arbeiten. Oder entgegen zu schlagen, besser gesagt.

Eine Rückbesinnung auf alte Punk- und HC-Wurzeln der beteiligten Leute ist es allemal geworden. Dafür sorgt allein die ungut verzerrte Gitarre (Markus; Bassist von Cosmic Casino), die gekonnt ungekonnt ihre Linien und Akkordfolgen hervorstülpt und ohne Bassverstärkung sehr gut alleine ihre Energie vor sich herschiebt. Kaputt, verschoben, auf wienerisch... deppert scheppert das Schlagzeug (Mäcki; Drums auch bei The Notwist) seine oft kaum erkennbaren Rhythmen und Breaks vor sich hin. Der Gesang (Flo; Schlagzeug bei Sportftreunde Stiller) wird in guter, alter HC-Manier wüst unerotisch vor sich hergerotzt, und die live leider etwas unterrepräsentierten Keyboard-Arrangements (Jörg; ansonsten bei Miles) versuchen einen Eindruck von »Klangschichtung« zu vermitteln, was aber leider (und Gott sei Dank) oft scheitert. Dass fast alle eigentlich andere Instrumente spielen, als hier bei den Boltzplatz Heroes, ist insofern erstaunlich, weil es dann doch immer so klingt, als ob die Jungs nie was anderes gemacht hätten, als so zu spielen, wie sie es hier tun.

Aber Zusammenwachsen ist eine oft lange und beschwerliche Prozedur, die gerade bei Leuten, die aus so unterschiedlichen Kontexten kommen, Zeit brauchen wird. Die gemeinsamen Wurzeln (z.B. das Zusammentreffen am Nichtschulischen Fußballplatz, das die Jungs zusammengebracht hat und sie diese Idee formen ließ) sind zwar durchaus beachtenswert und mögen einen guten Anhaltspunkt für diesen Stilwirrwarr geben, aber erst die Zeit (und die bald erscheinende erste Platte) wird zeigen, ob aus den Boltzplatz Heroes ein neuer Stern am deutschen Indierock-Himmel wird.

Tiger Lou + Fire Fox + Torpedo - 16.02.2005


Ein schwedischer Abend, dem sowohl die Kälte außerhalb, als auch die Wärme innerhalb der kleinen Halle der Arena gerecht wurde.

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Den Anfang machte Fire Fox (also unknown as Andrea Kellermann), die eigentlich mit der Hauptfigur des Hauptacts, Rasmus Kellermann von Tiger Lou, ehelich verbunden ist. Ihr bezauberndes Programm führte uns in sehr verschlungene, schöne Songs mit Drumcomputer, Gitarre und Stimme, die oft sehr tanzbar-punkig treiben konnten, die schwedische Feuergruppe Telefuchs quasi, und dann wiederum aber sehr berührend und zerbrechlich wirkten. Nicht selten weckte sie Assoziationen an Gustav oder Björk, auch wenn sie doch irgendwo ein sehr eigenes, geheimnisvolles Verständnis von der Wechselwirkung zwischen Dynamik und Emotion hat. Eine der sympathischsten Erscheinungen der letzten Zeit.

Danach erklommen Torpedo kurz die Bühne, um mit einer etwas lauteren Version von JoyDivision-angeschwängerten Indie-Punk loszukrachen. Volle Bandbesetzung, volle Lautstärke und ein Sack voll leider mittelmäßiger Ideen, die nie über ihren eigenen Schatten springen konnten.

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Versöhnlich zu Ende ging es mit einem bezaubernden Konzert von Tiger Lou. Die Warmherzigkeit der hier präsentierten Musik haust irgendwo tief in jenen Bereichen der Großhirnrinde, die sich sonst scheuen ihren Kommentar zum Weltgeschehen abzugeben. Musik die große Gesten wie auch kleine Geschenke fabelhaft beherrscht. Musik, deren Emotion fast immer greifbar ist, und deren Gespieltheit sich nicht versteckt, nicht damit geizt, nicht so-tut-als-ob. Und das ist auch ihre größte Stärke, nicht ins Peinliche zu verfallen; genau deswegen kann Tiger Lou mit kompaktem, aber »belanglosem« Indie-Emo-Pop so glücklich machen. Es stellt sich hier nicht mehr die Frage »Wann hast du das letzte Mal geweint? «, sondern »Warum hast du es niemandem erzählt? «. Dankbar, und vielleicht überrascht gehen die Leute nach dem Konzert hinaus und fragen sich, warum jemand so nah am Kitsch entlangschrammen kann, und trotzdem so gut funktionieren kann.

Draußen mag es kalt sein. Aber ein wenig wärmer als vor dem Konzert ist es allemal.

Café Drechsler – 15.02.2005


Drei Jazzern wird nie langweilig. Als Live-Präsenz wird bei Café Drechsler immer veranschaulicht, wie Tanz auch zu konzeptueller Improvisation funktionieren kann.

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Die drei Herren um Café Drechsler werden nicht müde, die Konzerthallen zu besuchen. Sie spielen sich von einem vollen Haus ins nächste und zeigen dabei erstaunlich viel Durchhaltevermögen und Konsequenz. Zu ihrer aktuellen Platte »Radio Snacks« gastierten sie nun auch im Chelsea vor gut gefülltem Haus. Ein Abend wie viele andere.

Was in anderen Fällen durchaus negativ klingen mag, ist aber bei Café Drechsler durchaus positiv gemeint – lässt man sich mal auf ihren Sound ein. Schlagzeug, Kontrabass und Saxophon jagen sich von einer Pause zur nächsten, erklimmen Intensitäts-Gipfel und berauschen förmlich mit einer gut tanzbaren, sauber gespielten Rhythmus-Idee. Cleveres Entertainment zum Abschalten.

Natürlich ist das alles langweiliger, wenn nicht gar ideenloser Jazz, der nicht viel mehr zu bieten hat, als die Supermarkt-Musik um die Ecke, und der einem auf Platte womöglich gar nicht auffallen würde, wenn er im selben Zimmer läuft. Aber steht man mal weiter vorne, vor dem Trio, und lässt einmal dem Tanzbein seinen Lauf, kann ein Abend mit Café Drechsler ein sehr schönes, entspannendes Erlebnis werden. Dazu muss man nicht viel nachdenken. Und das ist wahrscheinlich auch besser so.

The Beautiful Kantine Band – 14.02.2005


Auf dem Weg zur perfekten Surf-Welle und -Musik biegt die Beautiful Kantine Band sehr selten falsch ab. Was auch live eindrucksvoll unter Beweis gestellt wird.

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Man muss es immer wieder sagen: Diese Anzüge sitzen perfekt. Diese Riffs sind genau richtig gestimmt. Und diese Energie muss genau dahin, wohin sie letzendlich auch immer wieder landet: in den tanzenden Körpern der Beautiful Kantine Band-Hörer.

Ihre spröden, althergebrachten Songs sind immer an der Kippe zum Kitsch und ihr Beat ist ein einziges, treibendes Fiasko. Tanzmusik mit einer Prise Melancholie, reichlich angeschwängert mit jener Portion 60ies, die nicht nur psychedelisch, sondern auch punkig wirken kann. Schlager, die bei der Weggabelung »Elvis <> Beach Boys« einfach geradeaus gehen und denen ihre verspielten und unverkopften deutschen Texte extrem gut stehen. A propos…. Erwähnte ich, dass die Jungs auch einfach verdammt gut aussehen?

The Beautiful Kantine Band haben mit ihrem Album »Rock ´n Roll hat unserem Leben einen neuen Sinn gegeben« einiges an Anerkennung eingeheimst. Als Live-Band sind sie vermutlich die beste denkbare Werbung für dieses Album. Gerade ein enthusiastisches und wildes Drum-Set sorgt für die nötigen Bewegungen auf der Bühne, die quasi wellenartig das Publikum mitnehmen können. Nach über einer Stunde Rock und etlichen Zugaben ist dann doch auch die Frage geklärt, ob es erlaubt ist »Retro« cool zu finden. Bei der Beautiful Kantine Band ist die Antwort klar »Ja«.

Der Fremde


»Der Fremde« (Lo Straniero) (IT 1967, Luchino Visconti)

»Ich will Deine Gebete nicht. Du siehst so sicher aus, so selbstbewußt, doch im Grunde ist nichts von dem, was Du Sicherheit nennst, auch nur ein Frauenhaar wert. Du bist Dir Deines Lebens ja gar nicht bewußt, weil Du wie ein Toter lebst. Ich weiß, ich weiß, ich stehe jetzt mit leeren Händen da, doch ich bin wenigstens meiner sicher – so sicher wie nie, sicher meines Lebens und des Todes, der mich erwartet. Ich habe sonst nichts, das ist alles, aber damit besitze ich doch wenigstens die Wahrheit. Was kümmert mich der Tod der Anderen oder die Liebe meiner Mutter? was geht mich Dein Gott an?«

– Arthur Meursault (M. Mastroiani) in Viscontis »Lo Straniero«, nach Albert Camus

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* * *

»Ich fing an zu toben und beschimpfte ihn und sagte, er solle nicht beten. Ich hatte ihn beim Kragen seiner Soutane gepackt. Was ich auf dem Herzen hatte, goß ich freudig und zornig über ihn aus. Er sehe so sicher aus, nicht wahr? Und doch sei keine seiner Gewißheiten ein Frauenhaar wert. Er sei nicht einmal seines Lebens gewiß, denn er lebe wie ein Toter. Es sehe so aus, als stünde ich mit leeren Händen da. Aber ich sei meiner sicher, sei aller Dinge sicher, sicherer als er, sicher meines Lebens und meines Todes, der mich erwarte. Ja, nur das hätte ich. Aber ich besäße wenigstens diese Wahrheit, wie sie mich besäße. Ich hätte recht gehabt, hätte noch recht und immer wieder recht. Ich hätte so gelebt und hätte auch anders leben können. Ich hätte das eine getan und das andere nicht. Und weiter? Es war, als hätte ich die ganze Zeit über auf diese Minute und auf dieses kleine Morgenrot gewartet, in dem ich gerechtfertigt würde. Nichts, gar nichts sei wichtig, und ich wisse auch warum. Und er wisse ebenfalls warum. Während dieses ganzen absurden Lebens, das ich geführt habe, wehe mich aus der Tiefe meiner Zukunft ein dunkler Atem an, durch die Jahre hindurch, die noch nicht gekommen seien, und dieser Atem mache auf seinem Weg alles gleich, was man mir in den auch nicht wirklicheren Jahren, die ich lebte, vorgeschlagen habe. Was schere mich der Tod der anderen, was die Liebe einer Mutter. Was schere mich Gott, was das Leben, das man sich wählt, das Geschick, das man sich aussucht, da ein einziges Geschick mich aussuchen mußte und mit mir Milliarden von Bevorzugten, die sich wie er meine Brüder nannten!«

– Arthur Meursault in Camus’ »L’Étranger«, übersetzt von Georg Goyert und Hans Georg Brenner

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