Freitag, 6. Mai 2005

Literatur zum kleinen Preis: Teil I



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Dieses schmale Büchlein, bereits 1895 erschienen, ist nicht nur Cranes persönliches Meisterwerk, es gilt auch im Genre der Kriegsliteratur als Meilenstein und muss - abgesehen von der literarischen Qualität - aus erziehungstechnischen Gründen auf dieser Seite vorgestellt werden.

Den Handlungsbogen stellt der amerikanische Bürgerkrieg; der junge Soldat Henry hat sich freiwillig gemeldet, um seinem Dasein einen heroischen Anstrich zu verleihen, doch als sein Regiment auf die erste Schlacht vorbereitet wird, befallen ihn Zweifel: wird er als Mann aus der Schlacht zurückkehren, am besten mit einer Wunde, einer, wie es der Titel benennt, roten Tapferkeitsmedaille, oder wird er eher aus Angst desertieren? Henry läuft davon, irrt umher, wird bewusstlos geschlagen und erringt per Zufall seine Tapferkeitsmedaille. Als er wieder auf sein Regiment stößt, behauptet er, abgetrieben worden zu sein und auf einem anderen Schlachtfeld seinen Mann gestanden zu haben. Henry jedoch ist sich seiner Feigheit bewusst und weiß, dass er sich noch beweisen muss, um vor sich selbst zu bestehen.

Dem Leser ergeht es während der Lektüre wie den Truppen, beziehungsweise den Soldaten: beide verlieren sie den Überblick über die Wirren des Krieges, über die verschiedenen Fronten, an denen gekämpft wird. Durchblick haben allein die Generäle, die hoch zu Ross ihre Truppen wie Figuren auf einem Schachbrett strategisch und ohne Rücksicht auf Verluste organisieren. Der Krieg wird zur Maschinerie, zum Selbstläufer, zum rotäugigen Monster, zum Blutgott, der seinen Tribut einfordert.

Neben der Initiation des jungen Soldaten Henry stehen der Krieg und die Armeen als Solche im Mittelpunkt. Der einzelne Soldat entpuppt sich als Rädchen im Getriebe; um im Krieg zu bestehen, muss er seine Individualität aufgeben und Teil der Masse werden. Die Armee mutiert zu einem lebenden Organismus, zu einem verschleißenden Körper, dessen Glieder aus Soldaten und nicht aus Menschen besteht. Crane gibt diesen Vorgang der Selbstaufgabe in einer sehr einfachen und zugleich metaphorischen Sprache wieder: er bezeichnet die Truppen mal als alles unterspülende Welle, mal als Reptil, das vorwärts kriecht, mal als Bienen- oder Ameisenschwarm. Crane zeigt sich hier als naturalistischer Autor, der jedoch auch realistische Züge aufweist und so zwischen zwei literarischen Strömungen seiner Zeit steht.

Der Roman legt dar, wie - am Beispiel einer Armee - Massenpsychologie funktioniert, wie sich der Mensch in seinem Denken und Verhalten verändert, wenn er Teil einer Masse wird. Die Masse ist ein Selbstläufer und bezieht ihre Kraft aus der Selbstaufgabe des Individuums. Ob dies positiv oder negativ zu bewertet ist, muss offen bleiben, da Situationen, ähnlich wie in Cranes Text, Veränderungen unterliegen und von einer Sekunde zur anderen umschlagen.


Stephen Crane: "The Red Badge of Courage". -Tor Books; 176 Seiten; 3,49 Euro|ISBN: 0812504798|Amazon.de


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