concert.diary

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Man könnte so viel erzählen. Man könnte so viel sagen. Man könnte erzählen, wie frenetisch das Publikum Feist abgefeiert hat. Man könnte erzählen, wie wunderschön es war, als Klez.E am Ende noch Delbos jetzt schon famoses »Départ« gespielt haben. Man könnte so viel erzählen über Okkervil Rivers Stimmlage bei »For Real«. Man könnte so viel über Emohaushalte, Regen und wichtige Menschen erzählen. Man könnte so viel über Feists Schlagzeug-Orkan bei Jason Colletts »I’ll Bring The Sun« erzählen. Man könnte so viel über Amy Millans Sologig erzählen und den nicht erhaltenen Heiratsantrag im Johnny Cash-Stil. Man könnte so viel über den schlicht zu betrunkenen Thees und sein nervig »kleines« Ego erzählen. Man könnte so viel über die Art Bruts »Top Of The Pops«-Ansage (und ihre Art »Blumfeld« auszusprechen) erzählen. Man könnte so viel über die fantastische erste und fragwürdige zweite Indiedisko erzählen. Und wenn ihr mir das alles nicht glauben wollt, dann glaubt mir wenigstens, dass man Bücher füllen könnte mit dem, was man über Karen O, ihr Kostüm und die Cool Kids bei den Yeah Yeah Yeahs erzählen könnte.

Aber am Ende hieße es einfach immer wieder: Ganze Bibliotheken zu füllen über den Headliner. Ganze Bibliotheken über schlicht Unsagbares, über Momente, die nicht nachzuerzählen sind. Ganze Bibliotheken über das sage und schreibe dreistündige Set. Ganze Bibliotheken über Evan Cranleys Beinproblem. Ganze Bibliotheken über Amys »Anthems For A Fifteen Year-Old Girl«-Performance. Ganze Bibliotheken über »Ibi Dreams Of Pavement«. Ganze Bibliotheken über den Moment, als Kevin Drew die schönste Nada Surf-Zeile aller Zeiten sang. Ganze Bibliotheken über die schnelle »Handjobs For The Holidays«-Version. Ganze Bibliotheken über die schnelle »Major Label Debut«-Version, bei der Kevin bei uns war, vor dem Publikum, und ich seine Hand hielt, damit er nicht umfällt. Ganze Bibliotheken über die Ärgernisse, wütend hingeschmissenen Gitarren, und die Unmöglichkeit, derartig große Musik auf der Bühne zu erleben. Ganze Bibliotheken allein über die zwanzigminütige Schlussnummer »It’s All Gonna Break«, Feists Schlagzeug darin und den Bolero, der alles beerdigt. Ganze Bibliotheken über Kevins Rückkehr (und die unweigerliche Regel, dass bei Broken Social Scene-Konzerten ganz egal ist, wer da ist, wer singt, wer was macht, weil es IMMER perfekt ist, weil du es mit geschlossenen Augen nicht merkst, dass grad Andrew Whiteman und nicht Kevin diesen Mittelpart gesungen hat). Ganze Bibliotheken über Kevins erschöpfte durchs-Publikum-gehen-und-jeden-umarmen. Ganze Bibliotheken über die Tatsache, dass, was auf dieser Bühne passiert, die Welt verändert. Ganze Bibliotheken. Und am Ende hätte man trotzdem nichts erzählt.

Final Fantasy – 19.05.2006


Er ist angekommen. Vor einer fast vollen Szene Wien zelebrierte ein enorm wichtiges Talent sein zweites Album. Der Erfolg sei ihm gegönnt.

Final Fantasy

Owen Pallett hat mit »He Poos Clouds« zurzeit das Drama im Gepäck. Ein Drama, das so abgrundtief stürmischer und ernster wirkt als das märchenhafte Debüt »Has A Good Home«, dass man es fast nicht mehr glauben möchte, hier wäre derselbe Owen Pallet unterwegs. Derselbe Owen Pallett, der uns damals vor Arcade Fire in dieses neue Universum katapultiert hat. Derselbe Owen Pallett, der dann eine halbe Stunde später mit Arcade Fire zusammen das größte Konzert der letzten Jahre hingelegt hat. Derselbe Owen Pallett, der uns im rhiz damals mit Von Spar-Schlagzeugunterstützung unheimlich schön zum Tanzen gebracht hat.

Und irgendwie ist er derselbe Owen Pallett geblieben, auch wenn seine Songs nun weiter gehen und er statt musikalischer nun visuelle Unterstützung (eine Overhead-Show: »Orpheus«, was sonst) hat. Zu bieten hat er (als sympathischer Entertainer auch vor größeren Mengen) ein Best Of seiner beiden Alben, welches in jeder Sekunde perfekt sitzt und alle Wünsche erfüllt. Bloc Party wird natürlich wieder gecovert, und die »Ich hab den Text vergessen, und erfinde einen neuen.«-Nummer habe ich noch nie so unbeschwert erlebt wie bei ihm. Final Fantasys mystische Qualitäten werden durch die Orpheus-Sache natürlich enorm konzentriert, und das Drama spricht zu uns, ohne beklemmend oder angsteinflößend zu sein. Bei Final Fantasy gehen Drama und jugendliche Indie-Freude Hand in Hand.

Warum Final Fantasy immer noch »Indie« ist? Weil es mir gestern aufgefallen ist: Hätte sich eine Band mal hingesetzt und diese Songideen mit Gitarren, Bass und Drums nachgespielt, wäre es das beste Franz Ferdinand-Album seit Maximo Park gewesen. Aber nein, diese wunderschönen Feuerwerke gehören ganz allein der Violine statt der Gitarren, dem Rudern statt dem Schlagen. Schließlich starb der erste Gitarrist der Geschichte ja auch unglücklich.

Xiu Xiu – 14.05.2006


Auch sein dritter Auftritt in Österreich erwirkte immer wieder Staunen, Entsetzen und Verzweiflung. 40 Minuten Jamie Stewart sind genug.

Xiu Xiu

Als Xiu Xiu das erste Mal in Wien auftrat, zur Fabulous Muscles Tour 2004, habe ich mir das erste Österreich-Autogramm von ihn geholt. Er schrieb aufs Tour-Plakat: »Dear Marko. The candy store will never close because of you. Love Jamie«. Es war eine kleine und familiäre Runde im Chelsea versammelt gewesen. Es war ein schöner Abend.

Zwei Jahre später hat Jamie Stewart sein vielleicht bestes Album »La Fôret« herausgebracht, und es hat sich langsam rumgesprochen. Wenn es einen störenden Aspekt an seinem Auftritt letzten Sonntag gab, dann war es die Überfüllung des Raumes. Bei der Nähe, die einem die Musik bietet, bei der emotionalen Vereinnahmung braucht man nicht noch zweihundert andere Leute, die sich über das Bier unterhalten. (Und es war das erste Mal, dass mich so was bei einem Konzert wirklich gestört hat.) Vielleicht war diese gedrängte Publikums-Atmosphäre auch der Grund, warum Jamie nur 40 Minuten auf der Bühne verbrachte. Aber 40 Minuten, die eben alles zu bieten hatten.

Xiu Xiu sind deswegen so unglaublich essenziell, weil sie schlicht und einfach an der Grenze des Sagbaren der Popmusik operieren. Weil dieses verstimmte Songverständnis, diese Instrumentenwahl und Jamies Art zu singen einfach Universen auftun, vor denen alle anderen Bands Angst haben. Weil es dort Sachen zu hören und fühlen gibt, die sonst immer unter der Oberfläche gehalten werden. Weil Xiu Xiu Tabubrüche und emotionalen Overkill als selbstverständlich ansehen, und dabei – mit all ihrer Schwierigkeit – im Endeffekt wunderschöne Musik produzieren (auch wenn Stewart diesmal gar nicht bis zum Hit »I Luv The Valley Oh!« kam…). So wunderschön, wie sich eine Kindheitserinnerung an einen Süßigkeitenladen anfühlen muss.

Gravity


Als neues Festival hat man’s nie leicht, umso beachtlicher war das Line-Up des neuen Gravity-Festivals im Planet-Music. Soundtechnische Schwierigkeiten und teilweise recht mangelndes Publikumsinteresse konnten aber nicht verhindern, dass ein paar Bands ein paar verdammt wichtige Konzerte gegeben haben.

The Wrens

Der Eröffnungsabend war vor allem von einer Startschwierigkeit eines jungen Festivals geprägt: Niedrige Besucherzahl. THE WRENS wären ja eine eigentlich große Band (und »groß« meint hier, dass sie das Flex sicher ausverkaufen würden). Aber im Endeffekt kamen nur ungefähr 100 Leute in den Genuss des ersten Österreich-Gigs der Wrens. Diese 100 erlebten also aus erster Hand, wie alte Indie-Helden, die 2003 den vielleicht sensationellsten Reunion-Durchbruch aller Gitarrenzeiten feierten, ihrem vorauseilenden Ruf als Bühnenlegenden gerecht werden. »The Meadowlands«, besagte Sensations-Platte, ist diesbezüglich niemals ein uneinholbarer Koloss, mit dem du den Gig ständig vergleichst, um herauszufinden, ob er nun besser oder schlechter ist. The Wrens machen ab dem ersten Song klar, dass auch 100 Leute reichen, um sich selbst, seine eigene Geschichte und das ganze Drumherum völlig zu vergessen. Es gilt ab da nur mehr präsent zu sein, diese Kraft und unschuldige Wut zu spüren. Diese Songs, diese Ekstase zu erfassen. Schließlich werden ein Dutzend Menschen aus dem Publikum auf die Bühne geholt um Percussion wörtlich zu nehmen: Als Erschütterung. Am Ende gehen die Herren durch das Publikum und danken jedem einzelnen persönlich für’s Kommen. Und sie waren nicht mal Headliner sondern drittletzte Band am Eröffnungsabend, dem Tag 0 dieses jungen Festivals. Ob das noch zu toppen war?

Sagen wir’s mal so: My Latest Novel hätten sie getoppt. Da konnten die Wrens noch so gut sein, My Latest Novel hätten sie getoppt. Weil My Latest Novel zurzeit einfach alles toppen. Umso tragischer ist es, dass diese Band auf dem Weg zur Weltherrschaft mit den schönsten Songs dieses schönen Lebens wegen einem Todesfall in der Familie nicht nach Wien kommen konnte. Auch wenn Tag 1 also unter traurigen Vorzeichen stand, gab es einige gute Sachen zu sehen: Die von Bright Eyes ausgehend sich in rockig-okaye Höhen hochschaukelnden A LIFE, A SONG, A CIGARETTE tummeln sich zurzeit recht erfolgreich im Wiener Indieground. Am Tag zuvor noch Vorband der grandiosen New Pornographers eröffneten sie den Abend gemütlich, bevor MISSOURI uns etwas mit ihrem Neo-Blues-Whatever gelangweilt haben und der NEW YOUNG PONY CLUB mit synthiesinfected 80er-Pop inkl. augenzwinkerndem Punk-Anteil die Bühne erobert hat. Das solide Set erinnerte vielleicht zwei Mal zu oft an die Yeah Yeah Yeahs, behielt aber eine gute Stimmung und coole Tanzbarkeit bei. Danach brachen die TWO GALLANTS herein, ließen mit ihrer White-Stripes-Variante (wo »Blues« durch »Folk« ausgetauscht wird) keinen Stein auf dem anderen und sorgten für gute Stimmung in der an diesem Abend wirklich gut gefüllten Halle. Diese Stimmung sollte ihre finale Krönung und Entladung im sensationellen Headliner-Gig der SHOUT OUT LOUDS finden.

Shout Out Louds

Hierbei wurde die Perfektion und durchgängige Verliebtheitserweckung des seit 2003 herumschwirrenden Debüts »Howl Howl Gaff Gaff« einfach auf der Bühne nacherzählt. Bis in die letzte Pore auf der richtigen Seite der Macht. Eröffnet wird mit »The Comeback«, klar. Seinen schlicht unpackbaren Höhepunkt erleben wir natürlich bei »Very Loud«, der, ja, besten Gitarrenhymne der letzten Jahre. Punkt. Ihr könnt sagen was ihr wollt. Bei »Please Please Please« erzittert die zahlreiche FM4-Fraktion, und bei »Wish I Was Dead« (mit Drummachine statt Drum) erzittern die Herzen auch der letzten Reihe. »Sound Is The Word« wurde natürlich von allen vermisst, während dieselben alle bei »100 Degrees« ganz und gar den Verstand verloren.

Ach ja: Wer meinte, die Shout Out Louds müssten sich mehr anstrengen, kompromissloser sein, um auch die Fans der hinteren Reihen zu überzeugen, vergisst leider, dass die Shout Out Louds niemandem mehr was beweisen müssen, niemanden von irgendwas überzeugen müssen, niemanden auch nur in einer Sekunde was schulden. Sie touren sich mit diesem sensationellen Debüt-Album aufgrund miserabelster Veröffentlichungspolitik seit drei Jahren den Arsch ab, und werden nicht müde es einfach so lässig und knackig rüberzubringen, wie es ist: Laut. Wuchtig. Melodienverliebt. Schwedisch. Und dabei aber nie im derzeit regierenden Disco-Rockismus verhangen. Die Shout Out Louds gewinnen auch dann, wenn am Ende nur drei Leute vor der Bühne stehen bleiben. Sie gewinnen, weil sie den Zirkus auch unter solchen Soundbedingungen wie eben beim Gravity machen, wo die so wichtige Stimme z.B. unter den Bass gemischt wurde, was schlicht und einfach nicht funktionieren kann bei den Songs. Sie gewinnen eben weil sie kompromisslos sind, und denjenigen, die überzeugt werden wollen, ihre Überzeugungswollung lassen. Die gleich um’s Eck liegenden Hype-Argumente sind ihnen herzlich egal. Und dafür liebe ich die Shout Out Louds, nach jenem Abend mehr denn je.

Tag 2 stand im Zeichen von alten Helden, die aber vorher noch durch etwas jüngeres Up & Coming-Zeug eingeläutet wurden. Z.B. GO DIE BIG CITY! Ich freu mich ja immer über so kleine Undergound-Hypes, und GDBC! haben ihren definitiv verdient. Das Wiener Vielköpfigkeits-Wunder setzt auf kurze, schräge Popsongs, in einem punkigen Duktus der Architecture in Helsinki, und wurden von der DJ-Playlist passend mit Broken Social Scene ein- und mit Animal Collective ausgeleitet. Die Namens-Nähe zu den kanadischen You Say Party! We Say Die! ist vermutlich kein Zufall, und Spaß macht die Sache natürlich auch. Mit Xylophon, wilden Drums und Vollbart. Das nächste Mal sollten sich die Regional-Medien aber zweimal überlegen, ob sie das Wort »Arkaden-Feuer« so schnell in den Mund nehmen.

Weniger eckig (aber noch deutlich unzugänglicher als z.B. The Futureheads) gingen Londons neue Disko-Pop-infizierte New Wave-Rock-Hoffnung NEGATIVE FOR FRANCIS ans Werk – und ihr könnt euch denken, wie tief das aaaa in Fraaancis ist. Mindestens so tief wie ihr Gig solide war.

Casiotone For The Painfully Alone

Danach kam aber einer der wichtigsten Helden des Festivals: CASIOTONE FOR THE PAINFULLY ALONE, mit seiner ruhigen Emotronica-Bierbank. Deutlich älter, als ich ihn mir vorgestellt habe, bewies er geniales Songverständnis, wunderbar indieesques Flächenmanagement, immer die richtige Beatwahl und einen Erzähler-Charme, der wohl nicht nur vom Vollbart definiert wird. Ein so berührendes und gleichzeitig nicht erdrückendes Konzert hat Wien schon lange nicht mehr gesehen.

Grandios konterkariert wurde das alles von den schlichtweg grausigen THE GLASS, die mich vermutlich das erste Mal seit Jahren dazu gebracht haben, nach zwei Lieder zu gehen.

The Wedding PresentNach der Absage von BIKINI ATOLL standen also endgültig die großen, alten THE WEDDING PRESENT auf der Bühne. Die wiederum deutlich jünger waren, als ich gedacht hatte. Natürlich können sie noch immer punkigen Brit-Poprock der 80er Bauart machen, der nicht langweilt und uns immer wieder vorführt, dass wir 90er-Kinder mit Go-Betweens (R.I.P. Grant), The Fall, Buzzcocks und Konsorten natürlich eine Unmenge guter Musik verpasst haben. Aber wenn man mal nicht so ist, und das einfach mal ausblendet, bleibt mit The Wedding Present eine gute Live-Band über, die für ca. eine Dreiviertelstunde frischen, dynamischen Rock auf die Meute losließ und dabei recht vergnügt war. Vielleicht lag es an der schon einsetzenden Müdigkeit, dass ich dann den Faden verloren habe, vielleicht aber auch an der konsequenten Weigerung der Band »Interstate 5« der letzten Platte (die ja quasi ihre Reunion bedeutete) zu spielen. Aber es lag definitiv nicht an ihren Live-Qualitäten, denn die sind – wie gesagt – cool.

Im Endeffekt haben wir also ein gutes Festival (mit ein paar wenigen Pannen und Unglücksfällen) erlebt, von dem wir hoffen, dass es weiterhin zwischen den kommerziellen Massen-Dingern und so Institutionen wie dem Donaufestival eine nicht-triviale Erweiterung der Wiener Festivallandschaft darstellen wird.

The New Pornographers – 11.05.2006


Um auch hier endlich ihr famoses drittes Album »Twin Cinema« abzufeiern haben die New Pornographers gute Laune und eine schlicht großartig ausgelassene Bühnenperformance mitgebracht. If you got any energy left … use it tonight!

(c) Steven Dewall

Sie sind einen langen Weg gegangen. Während sie in Kanada lange darum kämpften, nicht nur als Supergroup (also als Abklatsch der Ursprungsprojekte) wahrgenommen zu werden, kennen wir in Europa diese Nebenprojekte kaum. Auch wenn Neko Case grad solo endlich etwas Gehör bekommt und Daniel Bejar’s Solo-Ding Destroyer vielleicht mit der aktuellen Platte »Destroyer’s Rubies« endlich mal wahrgenommen werden wird. Das wird sich zeigen. Aber klar wurde letztes Jahr: Mit »Twin Cinema«, ihrem dritten Album, haben die New Pornographers auch bei uns jenen Bekanntheitsgrad erreicht, den sie eigentlich schon seit dem Debüt »Mass Romatic« von 2000 verdient hätten.

(c) Steven Dewall

Und was für ein Meisterwerk »Twin Cinema« eben ist, kann einem am besten so ein Gig beweisen, wo diese Songs zum Leben erweckt werden. Auch wenn Neko Case wegen der laufenden Solo-Tour nicht da war, wurde sie von einer tollen Kathryn Calder vertreten. Broken Social Scenes Liveerlebnis nicht unähnlich wurde dieses personelle Problem quasi gar nicht bemerkt, weil sich einfach alles vollkommen richtig anfühlte. New Pornographers-Songs sind Herde glücklicher Euphorie, himmelhoher Endorphin-Überschüsse und unglaublicher Melodienschlichtheit, die einfach »Indierock« zu eng aussehen lässt, um dieses schlicht schwierig zu erfassende Monument zu verstehen, das da passiert. Dafür sorgen auch ihre immer wieder eingebauten Brüche, unübliche, oft holprigen Rhythmen, Refrains, die keine Refrains sind und ähnlicher Schabernack, der aber – keine Angst – auch live nie arty ist. Und auch wenn es mal einen straighten Ohrwurm gibt (wie es die Nr. 2 »Use It« war), hat man das Gefühl: Das ist genau das, was die Band (aus)macht. Anders geht’s nicht. Es ist genau so, und nicht anders richtig.

(c) Steven Dewall

Als Zugabe gibt’s 15-Sekunden-Snippets aus der gesamten Musikgeschichte, inkl. »Take On Me«. Mit einer verliebten Geste des kindlichen Staunens verlassen wir die Szene, mit dem Wissen eine ganz große Band gesehen zu haben, die ihre ganz großartigen Songs hoffentlich noch ein paar Jahre lang in die Welt hinaus brüllen wird, bevor sie endgültig alle solo erfolgreich werden, und die New Pornographers nur ein Biographie-Abschnitt sein werden. Aber einer, den alle »legendär« nennen werden.

Peaches/Architecture In Helsinki @ Donaufestival 2006


Bei der vielschichtigen Bandbreite an Bands, die heuer wieder in Krems und Korneuburg zu Gast waren, gab es zwei Erstauftritte die sicher noch eine Zeitlang für Gesprächsstoff sorgen werden.

(c) Florian Wieser

Peaches. Meine Güte, was dieser Mensch für eine Bühnenpräsenz hat. Was für ein Orkan, der einen völlig entwaffnet, einem Hirn und Herz, Arm und Bein verknotet, erschüttert und dann lässig links liegen lässt, als ob diese Beats und diese Dringlichkeit eh das normalste der Welt wären. Merrill Nisker ist souverän. Sie ist extravagant und ekstatisch. Die riesige Bühne der noch immer zu großen Kremser Messehalle ist für sie zu klein. Und das ohne Band. Dringlichkeit heißt hier eben immer noch »Bewegung«. Das alles ist natürlich schon auf den beiden bisherigen Platten großartig durchdacht worden, und findet aber dann in einer körperbetonten, schweißtreibenden Performance eine Art erklärenden Kommentar. Nach einem Peaches-Konzert fühlt sich alles besser an, und man geht mit einer Genugtuung raus, alles verstanden zu haben. Die i-Tüpfelchen sind dann der »Gastauftritt« von Iggy Pop via Leinwandprojektion und ein sensationelles Cover von »My Humps«, was kanadisch zur Darmentleerungsorgie (»My Dumps«) wird. Am Ende wird noch der Hit awaygefucked und das bis dorthin in fleißigem Exzess jubilierende Publikum staunend zurückgelassen. Das neue Album »Impeach My Bush« verspricht somit eine der wichtigsten Platten des Jahres zu werden, wenn Peaches mit dieser Energie weitermacht.

(c) Florian Wieser

Auf einer ganz anderen musikalischen Baustelle waren wir bei Australiens Vielkopfigüberdrübermelodischentweepop-Heroes Architecture In Helsiki. Hier gibt es nichts anderes anzumerken als: Genial. Nicht nur, dass das Konzert unterstreicht, wie irre wichtig und wohltuend ihr letztes Album »In Case We Die« (und in Anklängen natürlich auch das Debüt »Fingers Crossed«) ist, sondern es erweitert klar die Sprache der Platte um ein paar Ecken verrückten Indie-Trubels mehr. Hier werden Songwunderwerke wie »It’5« oder »Wishbone« mit einem kleinen Bläsereinsatz mehr zu regelrechten Wuchtbomben. Das stockend-geniale »Frenchy, I’m Faking« wird zu einem etwas kohärenterem Flussbett, in dem ein spooky Trompeten-Gitarren-Gefecht stattfindet. Aber endgültig das eh schon bis zur Spitze der Erträglichkeit angespannte Publikum zum Exzess gebracht hat das Ende: Seit Arcade Fire »Neighborhood #3 (Power Out)« und »Rebellion (Lies)« live auf so unglaubliche Weise zu einem Song verschmolzen habe ich so was großartiges nicht mehr gesehen. Hier waren es die vielleicht wichtigsten Songs von »In Case We Die« die zu einer abschließende Indie-Disco-Orgie verwurschtelt wurden: »Maybe You Can Owe Me« und »Do The Whirlwind«. Zur Zugabe werden dann noch die Battles auf die Bühne geholt und zu fünfzehnt mit mächtigen Percussions und Melodienbögen in die Nacht hineingejammt, wo man sich dann nur mehr eines fragt: Wann kommen sie endlich wieder?

Sophia + Vito – 25.04.2006



Ich habe Robin Proper-Sheppard bisher dreimal live gesehen. Aber noch nie so.

Sophia


Lieber Robin,

Ich weiß, es ist hart. Ich weiß, dass du seit der Veröffentlichung von »People Are Like Seasons« vor zwei Jahren immer noch dem verdienten Erfolg hinterherläufst, und ich weiß, dass es gerade in dieser Lage gut für dich zu wissen ist, wo du geliebt wirst. Österreich ist so ein Ort. Und die zwei Konzerte, die du uns damals 2004 geschenkt hast, (die FM4-Tour natürlich nicht mitgezählt), gehörten zu den brillantesten Erlebnissen, die sich ein Konzertgeher so wünschen kann. Brillant, weil sie schon im Keim eines melancholischen Songwritings – meistens schon im ersten Akkord – immer MIT Band und OHNE Weinerlichkeit schlicht und ergreifend Gänsehaut erzeugen. Dafür mögen auch die famosen Streicher hergehalten haben, dafür mag deine gute Laune hergehalten haben, dafür mag die Bühnengröße der Szene hergehalten haben. Ich weiß es nicht.

Aber mittlerweile weiß ich: Eng und klein ist nicht so fein. Für Sophia-Konzerte oder zumindest für eine Hälfte davon. Dass du Vito, deine neue Lieblings-Backingband auch als Support eingespannt hast, war ein recht vernünftiger Schritt. Schade, dass wir außer der angekündigten Sigur Ros/Low-Mixtur nicht mehr gekriegt haben von Vito, aber das reicht ja auch manchmal. Vito sind ja auch eine Band, die zum Ausufern keine Ozeane braucht, da reichen fünf Quadratmeter schon mal. Und die kleine, familiäre Atmosphäre des Abends machte eigentlich nicht wirklich Lust auf was Größeres. Umso passender war es, als du – allein mit deiner Klampfe – die Bühne einnahmst, für eines der schönsten Akustik-Sets, die ich je gehört habe.

Seien wir ehrlich: Deine Songs sind immer an der harten Grenze ins absurde Kitschige, ungut Depressive zu fallen, immer verflucht riskant, offen wie ein Buch, angreifbar. Dafür lieben dich die Leute auch. Das ist es, was Sophia ausmacht, so wie auch, dass du live eben auch offen mit den Leuten umgehst, klar machst, dass du keine God Machine-Songs spielen wirst (was du natürlich jedes Mal wieder gefragt wirst), oder am Anfang erst mal ein paar Wünsche notierst, damit dein Set dem Publikum entspricht. Das ist alles so fein und gut.

Und ich muss ja schon zugeben: Der Moment des Sichgehenlassens, den du immer so süß »blow-your-heads-away« taufst, der Moment also, wo Sophia zu einem Rock-Ozean wird, der ist schon verdammt gewaltig. Da bin ich jedes Mal erstarrt in Ehrfurcht, wenn du den »River Song« angespielt hast. Weil solche Monumente eben Ehrfurcht erzeugen wollen und sollen. Aber bei einem kleinen, familiären Gig ist an so Monstren wie »River Song« nicht zu denken. Noch dazu akustisch? Forget it. Dass du am Ende deines Sets dann Vito auf die Bühne geholt hast, um uns endlich die Schädeln wegzublasen, hat leider nichts geholfen. Vielleicht war das Ambiente zu klein, die Band zu unsophiaesque. Aber bei dem Gemurkse war kaum was von der Größe und Opulenz des »River Songs« zu verspüren. Dafür hast du natürlich geschickt gekontert und mit den zwei Nummern von deinem Guteschlechtealtezeiten-Nebenprojekt The May Queens uns gehörig den 70s-Rock um die Ohren geschmissen. Das machte Spaß, und fühlte sich nicht deplatziert an.

Weniger Spaß machte, dein Alkoholkonsum. Ich liebe dich natürlich auch für deine Anekdötchen, für deinen offenen Umgang mit dem Publikum … aber bitte, lieber Robin: Erspar uns das nächste Mal Geschichten über »Woman«, wo du dich bei Lesben-Kongressen für die Lyrics entschuldigen wolltest, und dann festgestellt hast, dass Frauen auf Frauen beschimpfende Lyrics stehen (auch wenn sie nur aus einer extremen Laune/Situation entstanden sind), um dann auf die große Frage zu kommen, dass, wenn wir Männer mal Frauen das an den Kopf werfen würden, was sie uns immer antun, ein Weltkrieg ausbrechen würde. Bitte. Erspar uns so was. Oder trink weniger. Aber bittebittebitte: Schreib weiterhin Songs, die Leben retten können.

Ms. John Soda – 18.04.2006


Wenn Indietronica sich dem Songwriting (und großem Pop) nähert, kann das live von Dancepunk bis Postrock pendeln. Wer hätte das gedacht.

http://www.msjohnsoda.de/

Ich muss wirklich zugeben: Bei den ersten Nummern des Ms. John Soda-Gigs stand mir der metaphorische Mund weit offen. Immerhin hatte ihr Zweitling »Notes And The Like« eine gehörige Portion sanfter, frühlingshafter Pop-Ohrwürmer in mein Ohr gesetzt, rund sich ausbreitende Songs mit der unverwechselbar schönen Stimme von Stefanie Böhm als i-Tüpfelchen. Dementsprechend ruhig ging ich in die WUK-Halle. Entspannt. Meditativ.

Tja, und dann wurde ich geohrfeigt. Ms. John Soda scheinen live nicht das Geringste mit dieser Erwartung zu tun zu haben zu wollen. Hier scheinen die Einflüsse und Netzwerke der Band erweitert zu werden, was sich natürlich auch am Personal, dem Schlagzeug und dem Keyboards äußert. Die BAND Ms. John Soda bringt neben den Köpfen Micha Acher (The Notwist, Tied & Tickled Trio) und Stefanie Böhm (Couch) auch noch Carl Oesterhelt von FSK und Thomas Geltinger von Couch mit auf die Bühne. Ihre Erfahrung aus anderen Projekten und ein sehr abgestimmtes Zusammenspiel ermöglichen den Konzerten den erweiterten Klangraum, den sie beanspruchen.

Und der heißt nun mal »Irgendwas mit Rock«. Da werden alle zärtlichen Drummachines durch Thomas’ unbarmherzige Drums ersetzt, die zwei Bässe von Micha und Stefanie duellieren sich um die Hookline des Abends und dramaturgischen Postrock-Auswüchsen wird gerne ihr Lauf gelassen. Mit einem Wort: Nervenzerfetzend. Und das alles fast gänzlich ohne Gitarre. Wären etwas mehr Leute da gewesen, wären die Mosh-Pit-Verletzungen schlimmer als bei jedem Blood Brothers-Gig gewesen …

Stars + The Most Serene Republic – 17.04.2006


Canada is where the magic happens. Even in Vienna.

The Most Serene Republic

Was soll man sagen? Wo soll man anfangen? Wie kann man die Energie und den Enthusiasmus dieser kanadischen Generation an Musiknarren auch nur annähernd in Worte fassen? Wo sie doch selber drei Stunden brauchen, um daran zu ermüden. Na gut, so viel Zeit hab ich nicht, aber es gilt mehr denn je: Sehr viel bleibt auf der Strecke.

The Most Serene Republic. Indierock-Androiden mit einem der vielversprechendsten Debütalben der letzten Jahre. Unsere Nr. 16. Kanadische Noch-nicht-mal-Twens, die ihren ersten Wien-Gig als Vorband von Broken Social Scene letzten Dezember hätten geben sollen, aber dieser Teil der Tour wurde für sie wegen Übermüdung gestrichen. Also, Nervosität einer so jungen Band ob des großen Popbiz-Drumherums (Angst Nr. 1), plus die beiden Standardprobleme beim ersten Live-Erlebnis einer Band, die ein tolles Album im Rücken hat: Sie nudelt’s einfach herunter (Angst Nr. 2) oder sie wird ihm einfach nicht gerecht (Angst Nr. 3). So, es gab also ne Menge, was schief gehen konnte.

Also: Angst Nr. 1 war spätestens bei einer locker hingerotzten, mutigen Darbietung von »(Oh) God« als zweites Stück wie weggeblasen. Ihre Nervosität, ihre junge Verwirrtheit kehrten sie ab dem Punkt in ihre Stärke, ihr Selbstvertrauen. Angst Nr. 2 war quasi von Anfang an absurd, weil die meisten Stücke (teilweise bis zu Unkenntlichkeit) verfremdet wurden und außerdem zwei neue Stücke der Tour-EP »Phages« mit im Set waren. Angst Nr. 3 war allein deshalb keine Frage, weil sie als Live-Event dem Album noch deutlich eins draufsetzen, mit den manischen Eskapaden des Sängers Adrian Jewett (und seinen wirklich zutiefst erschütternden Augen) und dem glänzenden Ruhepol Emma Ditchburn. Besonders berührend (und näher als auf Platte) war ihr Duett, jene Gattung also, die wir uns eigentlich für den Hauptact des Abends vorgenommen haben. Die Stimmen waren generell besser als erhofft, denn die auf dem Album so leise gemischten Vocals verpflichten geradezu zu einem rockigen, lauten Abmischen beim Gig (Angst Nr. 4). Nada, die Stimmen waren genauso schön unschön in den Sound-Ozean eingewoben, wie der Rest der kaum voneinander zu unterscheidenden Instrumente. Alles in Allem haben wir eine Band gesehen, die – wenn sie so weiter macht – eine der herausragendsten Figuren des Spät-Nullziger-Indierocks sein könnte. Wenn sie das nicht jetzt schon ist.

Stars

Dort schon angekommen sind die Stars spätestens seit 2005, dem großen Durchbruchjahr für »Set Yourself On Fire«. Unsere Nr. 1. Auch wenn sie zu Zeiten ihres zweiten Albums »Heart« schon in der Szene als Vorband von Broken Social Scene gastierten, sah man jetzt eben, was es heißt, wenn Stars endlich selber zu Stars werden, und aus dem Schatten der Label-Gründer heraustreten. Und das in einer Stadt, die sie lieben, und die sie ob dieser Liebe auch mit dem schlichtweg besten Konzert, das mir je von ihnen untergekommen ist (sei es persönliche Erlebnisse, sei es Mitschnitte, die im Netz herumschwirren), beglücken. Gespielt wurden die Hits von »Heart«, inkl. dem Herzstück »Death to Death«, und alles (noch mal: ALLES!) von »Set Yourself On Fire«, inklusive der selten zu hörenden Meisterwerke »Calender Girl«, wo Amy Millans Stimme schlichtweg atemberaubend das Jahr in vier Minuten zusammenfasst, und dem Jahrhundertopener »Your Ex-Lover Is Dead«, wo das Publikum auch die Möglichkeit hatte, sich das »I’m not sorry. There’s nothing to say!« aus der Seele zu schreien. »Calender Girl« als letzte Nummer vor der Zugabe, »Your Ex-Lover Is Dead« als erste Nummer der selbigen sorgten natürlich für eine sensationelle Dramaturgie.

Auf der anderen Seite, abgesehen von der Setlist und der Dramaturgie, bewiesen die Stars auch wieder mal, dass sie ungemein sympathische Käuze sind. Z.B. als sie den Licht-Menschen aufforderten endlich das Stars-Banner im Hintergrund zu entfernen, weil sie mittlerweile eh alle wüssten, dass heute Abend verdammt noch mal die Stars spielen (worauf Sänger Torquil Campbell natürlich protestierte, weil er sich immer wieder fragt, ob sie nicht doch Queen sind, und das Banner ihn immer freundlich berichtigt …). Z.B. als sie am Ende erzählen, kanadische Bands kriegen nur dann staatliche Förderung, wenn sie mindestens zu fünfzehnt auf der Bühne stehen (woraufhin natürlich die komplette Most Serene Republic und mutige Publikumshaudegen [*siebenfachräusper*] auf die Bühne geholt wurden, um eine schlichtweg atemberaubende Version von »The First Five Times« – the song about fucking the one you love forever and ever – abzuliefern). Oder auch, als für eben diese Zugabe dann auch schlussendlich das erhoffte »?QUEEN?« am Banner hinten auftauchte. Womit der Abend nicht nur für Torquil Campbell endgültig in die Annalen der Jahrhundertkonzerte erhoben wurde.

Emir Kusturica & The No Smoking Orchestra – 11.04.2006


»This concert is dedicated to the victory of Prodi and the defeat of Berlusconi!« sprach er mit Roten Stern am Hut und Che am Shirt.


Was kann ich über das Live-ERLEBNIS des No Smoking Orchestras noch sagen, was ich nicht schon hier gesagt habe? Die Schmähs und Pointen, Witze und Showeinlagen sind dieselben geblieben. Geändert hat sich wieder mal der Kontext, die politische Lage, und die anknüpfenden Fragestellungen. Dieses Mal eröffnet die sowjetische Hymne das Konzert. Dieses Mal ist Ziehharmonikaspieler Slobodan Milosevic nicht »straight von Sheveningen« wie anno 2004, sondern »straight from heaven«. Dieses Mal trägt Emir Kusturica ein politisches Manifest vor sich her. Weil es die Lage erfordert.

Was aber gleich bleibt: Der Kessel. Das Publikum im Rausch, in absolut manischer Geisteskrankheit, taub an Bier und trunken an Schall, eine Meute an trampelender und klatschender Maniacs. Der musikalische Mix war ohne Frage perfekt, die ein zwei technischen Problemchen scherten kaum wen. Das Orchestra zeigte sich in Höchstform, bewies nach der Ansage, es würde nun eine Punk-Nacht folgen, dass bei ihnen Punk eben von Ska bis Jazz, von Techno bis Brass reicht. Beim endlos langen »Wanted Men«, wo auch die die meisten Showeinlagen vorgeführt wurden, mussten dann Ennio Morricone und Rockabilly, und kurz darauf dann auch Latin und Jimmy Page mitgedacht werden, um die Bandbreite dieses Experiments zu erfassen. Was auch immer wieder die Stärke und das Betonungswürdige am Orchestra ist: Es hängt nirgendwo fest. Es hat sich nicht auf’s Balkan-Dogma der punkigen Blaskapelle geeinigt, um der Welt Weltmusik zu bringen. Die Band, aus der das Orchestra hervorging, war eine astreine Punkband aus Sarajevo, die nichts anderes wollte, als Stooges mit Ramones zu kreuzen.

Und so klingt es dann eben auch, mit der feinen Weiterentwicklung, dass mit Emir »the best guitar player among directors, and the best director among guitar players« Kusturica auch seinen Filmstil, das surreale, groteske, närrische zu dem New Primitivism-Garagerock-Wurzeln hinzuaddiert hat, was den Mix explosiv und die Stimmung orgiastisch macht. Vor allem in dieser Phase ist es ein Wunder, diesen Herrn so lässig auf der Bühne tanzen zu sehen – ohne Frontman zu sein, der Stuhl gehört eben nur Dr. Nele Karajlić. Wenn man die Geschichte Kusturicas mitdenkt, und überlegt wie oft dieser Mann von den unterschiedlichsten Lagern vereinnahmt und für Partikularinteressen eingespannt wurde, mit den falschesten false dilemmas imaginable, dann wundert es nicht, dass er sich mit dem Orchestra einen Ort geschaffen hat, wo er frei aufspielen kann. Was für uns als Zuschauer immer wieder eine Party sondergleichen bedeutet, und somit einen der vielleicht besten Konzertabende, die man im europäischen Raum zurzeit so erleben kann.

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Jippie Diplomarbeit....
Jippie Diplomarbeit. Ich bin gerade damit fertig geworden...
Scheini (Gast) - 1. Aug, 15:10
Recht hast du. Sieht...
Recht hast du. Sieht man ja an so mancher Zeitung.
Phil (Gast) - 1. Aug, 15:03
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Nur wer laut schreit wird gehört. Der Inhalt ist da...
Roland Rafael Repczuk (Gast) - 1. Dez, 09:02
Absoluter Surrealismus...
Mir fehlt die Farbe
Roland Rafael Repczuk (Gast) - 18. Mär, 12:42
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Endlich mal eine Filmkritik als Auslegung die Sinn...
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