Conventional Wisdom. Aber sowas von.
Was das Vermissen angeht: Ja, schweinisch lange hat er sich Zeit gelassen, der Doug Martsch. Die fünf Jahre seit »Ancient Melodies Of The Future« sind aber vielleicht eine der größten Stärken der jetzt erscheinenden neuen Platte, denn BTS haben sich quasi die wahrlich nötige Zeit gelassen, um die Stagnation von »Ancient Melodies…« zu überwinden. Auch wenn »Überwinden« hier eben auch »Umkehren« heißen kann.
Allein das schon seit längerem von ihrer myspace-page streamende »Goin’ Against Your Mind« macht mit seinen 8:42 als Opener klar, dass hier knackige, kleine Beatles-Popsongs à la »There’s Nothing Wrong With Love« nicht zu ernten sind. Das Epos steht wieder vor uns. Das Epos, das einst BTS’ Ruf als Könige des Indierocks der ausgehenden 90er zementiert hat. Das Epos, das mit »Perfect From Now On« und »Keep It Like A Secret« gleich zwei Höhepunkte des Schaffens dieser Band erbrachte. Um dieses Epos soll es also wieder gehen. Dieses Epos soll uns begleiten und hüten, und interessanterweise auch abwehren vor den 2-minütigen Arctic Monkeys-Bomben, die zurzeit Mode sind. Wir dürfen nicht vergessen, dass (abgesehen von Doug Martsch hervorragender Soloplatte »Now You Now«) BTS die Strokes und Franzens-Revolutionen schweigend zugebracht haben. Wenn es denn überhaupt um eine Einordnung in die derzeitige Indierock-Landschaft gehen soll, so müsste zumindest dieser Aspekt dabei auch berücksichtigt werden.
Womit also die Musik genug Freiraum hat, sich zu entfalten. Denn das Epos, der Himmel an schlängelnden Gitarren, (teilweise krautigen) Bass-Flächen, präzise dramatisierenden Drums, ist in full effect auch immer ein Himmel an Gefühlen und wunderschönen Emotionen, wenn nicht gar Erinnerungen. Und davon strotzt »You In Reverse« geradezu. Das macht wie gesagt allein schon dieser Aspekt aus, dass die Band sich traut dem »Perfect From Now On«- und »Keep It Like A Secret«-Duktus weiterzuverfolgen, was quasi »Ancient Melodies…« äh, überflüssig macht? Nein, natürlich nicht. Aber die fünf Jahre boten eben genug Zeit, sich darauf zu besinnen, was man mal anstellen wollte mit dem Baukasten »Indierock«. Und mit niemals altkluger Weisheit wird hier dann eben die beste Bauanleitung verfolgt, die man in der Bandgeschichte gefunden hat. Gelungene Introspektion. Dabei wird eben der Opener in keiner seiner über 500 Sekunden langweilig, dabei bringt »Traces« einen perfekten kleinen Ruhepol ins Spiel, der genug Atem gibt für das schockierend kurze und herrlich schräge »Saturday«, dabei hat »Wherever You Go« wieder die nötige Melodienkeule um so richtig zum Schmelzen zu bringen, was auch immer die Eiszeit der letzten fünf Jahre eingefroren hat. Dabei erleben wir eben auch bei »Conventional Wisdom«, warum vielleicht so mache Leute ein Problem mit der Platte haben werden: Ein perfekter, geradezu wahnsinniger Popsong wird per Gitarrenjam und Stimmenwegfall quasi ins Mäandern gezwungen. Und dieses Beisammensein von so schwierig zu kombinierenden Rockwelten wird immer den Hörer spalten, weil BTS eben genau diesen Spalt so lieben und so gut kennen. Und dieser Spalt hebt sie vom Rest der Indierock-Welt eben ab. Weswegen »You In Reverse« (wie alle BTS-Platten) natürlich zeitlos ist, aber halt gerade jetzt, und gerade so mehr als nötig war.
in: platten.kritk | von: wiesengrund | 14. Apr, 19:58
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