Big City Nights


»Collateral« (USA 2004, Michael Mann)
DVD

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Nochmals Collateral gesehen. Zum vierten oder fünften Mal. Diese Ausgeburt an Perfektion.

Um meine Faszination zu erklären muss man ein wenig zurückgehen in der Werkbiographie Michael Manns. »Heat« hieß der Film der mich zum Mann-Jünger machte. Da stimmte einfach alles. Neben den grandiosen Schauspielern, nein, Darstellern, die bis in die winzigste Nebenrolle hinein optimal gecastet wurden, war der Film vor allem ein ganz großes Hollywood-Erlebnis. Da schien jemand mit dem Anspruch an einen Film heranzugehen, er möge etwas Großes werden. Groß in der Gunst der Zuschauer wie in der der Kritik gleichermaßen. Groß auch in seinen Settings – die Millionenstadt als Filmset – und groß in seinem Glanz. Nun, dieser Anspruch ist nichts besonderes. Besonders wurde der Film dadurch, dass ihm all das Genannte scheinbar ohne Krampf gelang und er dabei gleichzeitig so wenig selbstverliebt wirkte. Obschon in seiner überbordenden Stilistik ganz Genrefilm, verlor sich die Story nicht in der Ästhetik. Beides stützte sich gegenseitig.

Es folgten zwei weitere großartige Filme, »The Insider« und »Ali«, die allerdings, ich kann mir das bis heute nicht erklären, an der Kasse eher floppten. Auch sie waren voll Emphatie für ihre Figuren, auch sie versöhnten althergebrachte Narrationsmuster mit der melancholischen Inszenierung Manns, an der man jeden seiner Filme innerhalb der ersten Szenen erkennt. Es hat nicht sollen sein. Aber bereits hier merkte man, das Mann vor allem eines macht: Genreinterpretationen und Grenzerweiterung. »The Insider« war mehr als nur ein Thriller. »Ali« wehrte sich gegen das reaktionäre Biopic-Genre, indem er darauf verzichtete, pseudo-stringente Lebensgeschichtserzählung zu betreiben. »Heat« und »Collateral« erweiterten durch ihre komplexe Figurenzeichnung das Thriller-Genre in Richtung des Dramas.

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Was »Collateral« für mich so besonders macht ist aber der absolute Willen zur Perfektion sowohl in schauspielerischer Hinsicht wie auch auf Seite der Regie. Keine Szene wirkt zu lang, keine zu kurz, die Längen der Einstellungen sind – obschon Mann sie wild durcheinanderwürfelt – stets passend. Selbst die anfängliche Fahrt durch die beginnende Nacht, bei der Max Annie kennenlernt und die aufgrund ihrer Länge klassischen Narrationsweisen entgegenläuft, ist eben genau dies: perfekt. Alleine die Mimik und die minimalen Bewegungen Jada Pinkett Smiths wäre eine Eloge auf die Fähigkeiten dieser Frau wert. Und auch Jamie Foxx ist sofort da, wo seine Figur hin soll. Mann scheint ein Händchen bei der Auswahl seiner Schauspieler zu haben. Bei »Ali« überrachte schon Nervtröte und Wannabe-Gangsta Will Smith als durchaus des Schauspiels mächtiger Protagonist. Und Tom Cruise ist wahrscheinlich der letzte, den man in der Rolle eines Profikillers ohne Gewissensbisse erwarten würde. Tatsächlich muss er hier nicht mal den Vergleich mit Alain Delons eiskaltem Killer Jeff Costello in Melvilles »Le Samouraï« scheuen, vermutlich die Blaupause für Figuren dieser Art.

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Und dann ist da diese fast unbeschreiblich erleuchtete Nacht. Hier wird es nicht dunkel. Die Stadt, dieser lebende Organismus, schläft nicht. Er zuckt und strömt und mit ihm die Figuren, die neben dem Gefängnis ihres Selbst jetzt auch in dieser Nacht gefangen sind. Und wenn Vincent zu Beginn des Films betont, wie sehr er diese Stadt nicht mag, dann kann man bereits erahnen, dass sie auch ihn nicht mehr loslassen wird. Die Wölfe, denen Max und Vincent begegnen, und die den Film an einer seiner beeindruckendsten Szenen stehen lassen – Luft holen, sich besinnen –, diese Wölfe finden nicht nur ihre Entsprechung in der lonesome wolf-Existenz der beiden Gestrandeten und damit im uramerikanischen Mythos des einsamen Helden. Zugleich zeigen sie uns die Stadt als Zwinger, als Gehege, in dem Mensch und Tier sich näher sind, als man erhoffte.

Und da ich nie, wirklich nie, so ganz zufrieden bin, sei noch angemerkt, dass die Musik das störende Element des Films war. Allzuoft bricht sie die flüssige Erzählung auf, indem sie kurz für zehn Sekunden eingeblendet wird und unmittelbar darauf ein völlig anderes Stück aus den Lautsprechern dröhnt. Aber das wären nur kosmetische Korrekturen oberflächlicher Natur, die in einer TV-Movie-Kritik nicht einmal einen Viertel Punkt ausmachten und die mir vielleicht auch nur deswegen auffielen, weil ich nie, wirklich nie … wie gesagt.

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