Staying alive with: The Earlies
Am Anfang vielleicht zwei Sachen vorweg: Erstens hat selten eine freche Aneinanderreihung von Referenzwünschen so fruchtbar gewirkt und funktioniert wie die von Lars Brinkmann in seiner Rezension zu »These Were The Earlies«. Und zweitens hat selten jemand (trotz ganz ähnlicher Referenzgrundlagen) so einen grob fahrlässigen Blödsinn geschrieben wie:
»Nevertheless, The Earlies' ample cleverness gives them personality, and their sumptuous soundscapes offer a reason to keep pushing play. Even when their lyrics are banal ("It's all right, my baby" from "Morning Wind"), the music rarely fails to provide more twists than an M. Night Shyamalan ending.«
Kombiniert mit der Ahnung, dass das Zuhause dieser transatlantischen Kombo weder Texas, noch Manchester, sondern eher Atlantis und die Bong(!) ist, haben wir es quasi eh schon immer gewusst: Selbstverliebte, schwebende Hippies, die nicht glauben wollen, dass es eine Realität gibt, und die wir erst ernst nehmen werden, wenn sie auf der selbigen hart aufgeschlagen sind. Also die erste Platte machen, die nach Neil Young klingt. Bis dahin aber…
Es würde mich vermutlich gar nicht mal so aufregen, wenn The Earlies mir mit dieser selbstverliebten Naivität nicht so sehr ans Herz gewachsen wären. Ich würde vielleicht gar nicht die Fühler ausstrecken, um zu finden, was alles dieser Platte angetan wurde. Mag sein, dass das ein egomanischer Kurzschluss mit sämtlichen Vaterkomplexen ist, aber die Platte, die dich zum Beschützen auffordert ist nun mal auch eine, die du offensichtlich lieb hast. Wie klebrig auch immer du dir das vorstellst.
Klebrig, verwischend, leichtfüßig ist auch die Musik um die es hier geht. »These Were The Earlies« ist in seiner Trance und seiner eleganten Melancholie vielleicht die beste Fortsetzung der Reihe »Ruhige Herbstplatten« (remember?). Trotz der vielschichtigen Arrangements, den jaulenden Bläsern und gewitzten Electroschichtereien, der nervenaufreibenden Chöre und knarzigen Noiseflächen behält es die Vorsilbe »Psych-« ohne monoton, nur auf Drogen konsumierbar oder nervig-elitär zu sein. The Earlies zaubern hier auf eigenem Boden mit Leichtigkeit schwebende Songs und Landschaften, die zwar stellenweise die erwähnten Referenzkanonen nur so explodieren lassen (auch wenn ich The Polyphonic Spree weder raushöre, noch mag – was miteinander zu tun haben könnte), aber im Endeffekt doch nur auf dem Nenner ihrer eigenen Anfänge verharren bleibt, da es sich ja auch um eine Zusammenstellung der ersten paar EPs handelt.
Eigener Anfang? Würde ja dann auch heißen: Was brachte sie dazu? Da gibt’s sicher bald vieles dazu zu lesen, und eventuell sollten wir den Earlies auch gut zuhören, falls wir gewillt sind, zu erfahren, welcher Zaubertrank so ein Album aus dem Boden stampfen kann, aber ehrlich gesagt sollte man das nicht vorher tun, bevor man nicht dieser Perle selbst die Ehre erwiesen hat. Die himmelhohen, gotischen Luftschlösser über dem Atlantik sind dafür zu eigenständig. Vielleicht doch noch kurz: Ja, ich gehöre zu den Menschen die auf eine Fortsetzung von »Deserter’s Song« gewartet haben. Und ja, ich liebe Spiritualized – auch wegen ihrer drogenbedingten Entgleisungen. Aber beides hat sich durch »These Were The Earlies« nicht verändert, was mich sehr freut. Eigentlich umgekehrt: Ein Monument von Song wie »Morning Wonder« liefert (auch gerade wegen seiner »banalen Lyrics«!!!! s.o.) die stärkste Lebensaufforderung seit … sagen wir »Come Together« von »Ladies and Gentlemen…«. Was gibt es schöneres, als so verführt und geliebt zu werden?
in: platten.kritk | von: wiesengrund | 8. Nov, 07:47
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