»Sometimes I think that I’m bigger than the sound.«


Yeah Yeah Yeahs - Show Your BonesAngenommen, »Show Your Bones« wäre noch im Winter gelandet: Ich könnte für nichts garantieren. Es wäre so eine immense Übersetzungsarbeit, dieses Monstrum an Bewegung und Unruhe auf das kühle, konservative Stimmungsprofil eines »Wo ist mein Leben geblieben?«-Winterpathos zurückzurechnen. Es wäre auch vielmehr Arbeit gewesen in diesem Zurückrechnen nicht in die »Fever To Tell«-Falle zu tappen, die sich sicher als ein großes Hindernis für »Show Your Bones« auftut: Meidet den Vergleich! Vergesst es! So funktioniert es nicht!

Auch wenn »Fever To Tell« so eine perfekte, so eine schlicht absurd gute Rockplatte war, so rau und ungeschliffen, so glamourös und zerfetzt, so sehr muss man das alles auch einfach in den Mülleimer hauen, wenn man sich »Show Your Bones« nähern will. Es ist so, als ob jeder bestraft wird, der den oben beschriebenen Fehler macht: Zurückrechnen. Tabu. Die Yeah Yeah Yeahs rechnen vor. Sie rechnen vor, indem sie ein Statement für das Weiterentwickeln bringen, eine kontrollierte, in Ankündigungen »folkig« genannte Frühlingsplatte, die eben deshalb nur so, in dieser Zeit des Jahres für mich am besten funktioniert: Als Neunanfang, als etwas frisches, das neue Türen öffnet. Nicht nur im Yeah Yeah Yeahs-Universum.

Yeah Yeah Yeahs

Auch wenn (und das ist ein großes »auch wenn«!) sie eine Sache schon hingekriegt haben, wie ich es von »Fever to Tell« schon gehofft habe: Diese Unterbeweistellung des völlig irren, völlig absurd-schönen, völlig extraterrestrischen Songverständnisses à la »Maps«. Tja, was soll ich sagen? Nach zwei Durchläufen hatte ich mein »Maps« auf »Show Your Bones« gefunden. Dieses absolut wahnwitzige »Cheated Hearts«, wo ich Karen O nichts leichter abkaufe, als dass sie »bigger than the sound« ist. Und wie sehr so ein Statement mal in der heutigen Popmusik nötig war, wo sich grad alle davor drücken irgendwas zu sein. Kurz davor hat Karen O in dem bodenlosen Mittelteil von »Honeybear« schon die Schönheiten des ganzen Jahres in 32 Sekunden zusammengefasst, bevor sie im wilden Ende doch noch das unfehlbar sich-allem-entziehende »Run Away!« proklamiert. Wild, ekstatisch, elektrisch. Und völlig einzigartig.

Überhaupt scheint auch »Cheated Hearts« von diesem Moment zu leben, dass Karen O zurzeit sehr gerne minimal bleibt. Bass, Basedrum und Stimme scheinen die besten Waffen der neuen Yeah Yeah Yeahs zu sein. Dafür kann als Ausgleich die Gitarre in Country-Punk-Hymnen wie »Mysteries« ausgetobt werden. Und wenn sie das tut, kracht’s natürlich, aber es bleibt etwas straffer, etwas cleaner als früher, was eben diese Platte zu einer wunderbar straighten Weiterentwicklung von »Fever To Tell« macht. Statt dort zu bleiben (»better quit staring, cause your looking the same« aus »Dudley«), machen die Yeah Yeah Yeahs nun eine frische, poppige Rockplatte, die quasi »Maps« auf Albumlänge (mit Exzess, ohne Langeweile) weiterdenkt. Was einfach eine wunderbare Idee für diese Jahreszeit ist.

Yeah Yeah Yeahs

Eins sollte man noch erwähnen: Diese Entwicklung, die sicher einigen eingefleischten Fans den Zugang zu »Show Your Bones« erschweren wird, ist eben NICHT dieses Entwickeln-um-der-Entwicklung-willen der ehemaligen Zimmerkollegen der Liars. »Show Your Bones« ist Manifest, nicht konzeptuelle Trance; Unmittelbarkeit, nicht zwangsdekonstruktive Abschweifung; Herz, nicht Hand. Die Yeah Yeah Yeahs haben eine verdammt wichtige Platte zustande gebracht, die allen andern hoffentlich vorrechnet, wie sich ein Rockfrühling anhören muss, um sich selbst nicht ins Grab zu tragen. Was schön ist: Wir müssen nicht nachrechnen, ob das alles stimmt. Die Riffs sind dafür zu sauber, zu klar, zu perfekt. Ich vermutete ja sogar einen Nachmittag lang, diesen stockenden »Phenomenon«-Refrain von Jugendsünde Paradise Now! mit »Lunatic« her zu kennen. Nachrechnen ergab: Haha.

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