06 Platz 4
Lily Allen - Allright, Still
»Smile« konnte mich nie wirklich überzeugen. »LDN« und »Everything's Just Wonderful« schon, Fahrradfahren und Lachen, eh die zentralsten Elemente jedes vernünftigen Lebens. Zu dem Manie (»Knock 'em Out«) und Verarsche (»Alfie«). Wer braucht da noch Drogen, Kraft und Exzess? Grad wo die Platte ja deutlich zu den tanzbarsten des Jahres zählt? Und nein, ich hab's mir überlegt, aber das hier hat rein gar nichts mit Alanis Morrisette zu tun.
The Thermals - The Body, The Blood, The Machine
Auch wenn »A Pillar of Salt« immer noch alles überstrahlt, ist dies das erste Thermals-Album. Und kaum haben sie gelernt, wie man wirklich zehn Knaller auf eine Scheibe packt, bin ich auch voll mit dabei. »Here's Your Future« zum Frühstück, gegen Mittag herum »I Might Need You to Kill« und am Aben erkennt man dann bei »Test Pattern« was der ganze Scheiß soll: Balladen! Herrgott, es geht um drogengetränkte Balladen! Endlich!
Infadels - We Are Not The Infadels
Ich kann und will mich nicht für diese so durchschaubare, so unwitzige und uncharmante Danceflooridee rechtfertigen. Ich finde das einfach gelungen, gelungen im Hit, gelungen in den traurigen Momenten (»Stories From the Bar«! Jetzt schon Evergreen!), gelungen in dem, was der Herr als Stimme von sich gibt, denn der kann echt singen, und gelungen als bester New Order-Moment 2006 bei »Girl That Speaks No Words«. Wäre ihr famoses »Steady, as She Goes«-Cover noch drauf, wäre das ein Anwärter auf die Top 20.
Guillemots - Through the Windowpane
Wisst ihr, was 2006 mein größtes Problem war? Platten, die am Hit scheiterten. Also einen zu großen Hit drauf hatten, und wo die Platte ohne diesen Hit um Meilen besser geworden wäre. Das hier wäre ein Anwärter auf die Platte des Jahres, wenn da nicht ... nein, ich meine weder »Made Up Lovesong #43« noch »Trains to Brazil«, ich meine »Sao Paulo«, das 12-Minütige Überepos am Ende. Nicht, dass es ansatzweise das Gewollte (BSS' »It's All Gonna Break«) erreichen könnte, denn dieses schöne Scheitern ist in solchen Monstern eh eingeschrieben. Aber es ist einfach ein viel zu guter Endpunkt. Ohne diese Nummer, ist Through the Windowpane fantastisch. Mit ihr leider nur Durchschnitt unter den verdammt guten Platten, weil selbiger zwischen den Songs eben eine Kunst ist bei Alben. Gleichgewicht. Wenn die das beim Zweitling hinkriegen, wird das ein Meilenstein.
You Say Party! We Say Die! - Hit The Floor!
[selbstbetrug]Ihr, geschätzte Freunde der ewig-genialischen Singer/Songwriterkunst, also ihr... ihr kennt das Gefühl, in der Bim euch die Kapuze rüberziehen zu wollen, und euch ganz tief und allein in die Kopfhörer heineinzukuscheln, ob diesem oder jenem fantastischen Song-Mittelteil, dieser einen, alles verändernden Zeile oder einem leichten Seufzer einer Harfe, Ukulele oder Oboe, da hinten im vorletzten Akkord. Okay, hier ist eine Punkrock-Platte, die klingt als ob sie von 12-jährigen gemacht wurde, und die so ziemlich der unklügste Scheiß am Markt ist, und die genau DAS kann.[/selbstbetrug]
Dappled Cities Fly - Granddance
Ich würd ja gern wissen, wie sich die so lange verstecken konnten, aber Australien ist ja auch fast die Antipode zu Austrien. Also: Weit mehr als ein One-Hit-Wonder. »Holy Chord« ist zwar echt Weltklasse, aber dieses »Work It Out«-Stolpern, diese »Fire Fire Fire«-Ruhigkeit, da gibt’s genug zum an-, aus-, und verklammern. Eine der Platten, die am Überhit nicht scheitern. Und einer der vielen, guten (und naja, doch auch irgendwie übersehenen) Indiepoprock-Dinger. Somit einer der Gründe, lauthals »Stilundiversifizität!« zu rufen. Ja, eh. Ja, trotzdem.
Kano - Home Sweet Home
Ich erinner an Herrn .txt, einen jener Menschen die schon letztes Jahr Kano so abfeierten, dass er sogar bei unserer Jahresliste auf Platz 22 landete. Tja, ich konnte nicht früher, aber für mich stand Hip Hop eben 2006 stark im Zeichen des Londoner Wunderkindes. Versteht dies also als Aufforderung, all ihr, die ihr euch sogar bis heute dieser Platte entzogen habt. Ich bin wohl die beschämte letzte Mahnung.
Annuals - Be He Me
Fangt bei »Bull, and the Goat«, dieser irre beschwingten Happy Hour-Hymne an, arbeitet euch weiter bis zum Badewanne-Soundtrack »Dry Clothes«, dann ein kleiner Abstecher zum verspielten Gefiepse von »Carry Around«, und wer dann noch immer nicht überzeugt ist, der braucht wohl wirklich den Oberhit »Brother«. Und dann dürfte alles klar sein. Dieses Debüt erzeugte ungefähr die Freude heuer, die letztes Jahr In Case We Die gehörte.
Monochrome - Éclat
Eigentlich macht hier schon beim Opener »Zweibruch« diese gut gemeinte Energie klar, dass das Éclat was besonderes ist. Für wütende, traurige, lächerliche Stunden, egal. Irgendwer nannte hierzu mal Robocop Kraus und Stars als Eckpunkte. Kann zwar in die Irre führen, fasst aber in den besten Momenten schon die zwingende Rock-Eleganz mit dem Willen zu epischer Schönheit gut zusammen. Fast explizit stellt diese Platte klar, dass die Ordnung, die sie erklären könnte, (noch) nicht existiert.
Tchi - stehen stolpern
Tobias Siebert, die zweite. Als er beim Klez.E-Gig im Shelter meinte, wir sollen alle deutschen Platten wegwerfen, und stattdessen Tchi hören, haben wohl die meisten gelacht. Diese Übertreibung liegt in der Natur dieser Platte, die immer mehr will als sie eigentlich kann, und mehr schafft, als sie eigentlich dürfte. Selten hat - ich nenn das jetzt mal so - »Mismatch« als Konzept deutschsprachiger Rockplatten so gut funktioniert. Und ja, ich weiß, dass ihr das alle nicht glauben und hören wollt. Bitte. Es wird euer Schaden sein. [mehr]
[100-91][90-81][80-71][70-61][60-51][50-41][40-31][30-21][20-11][10-1]
| von: wiesengrund | 29. Dez, 19:05
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