Urlaubsnotizen


  • No Age sind Indierock kurz vorm Blinddarmdurchbruch.
  • Der Übergang von der kompliziertesten denkbaren Platte, die das Wort „Sprite“ enthielt, zur kompliziertesten denkbaren Platte, die das Wort „Beweis“ enthielt, war der Grund, warum ich die weiße nie schlucken wollte.
  • Mal die Canadian Invasion nachzeichnen.
  • Die neue Tocotronic ist verdammt gut. Wie auch OK X.

Stars - In Our Bedroom After the War


Stars - In Our Bedroom After the WarDie Canadian Invasion ist vorbei. Besser gesagt ist jene Phase vorbei, die dem massiven Output gewisser Zirkel eine popkulturelle Brisanz und eine enorme Aufmerksamkeitsspanne und -breite zugestand, und zwar auf eine gänzlich andere Art und Weise, mittels anderes Mittel und in anderen Dimensionen, als bei der davor gelagerten Postrock-Phase um Constellation Records herum. Als Institution, als mediale Impact-Relation, als Hype-Struktur ist der Sommer 2006 mit dem US-Launch von Malajube ein letzter Höhepunkt gewesen, während sich über den kulturellen, musikalischen Verlauf noch heute alle Geister scheiden. Da Popkultur nur als Kokonstruktion von Produzenten und Rezeptienten verstanden werden kann, ist es auf beiden Fronten vorbei. Dies merkte man schon letztes Jahr, bei den Dears, bei Sunset Rubdown, bei Final Fantasy. Aber nichts belegt es besser, als die heuer eine nächste Phase andenkenden Superstars der Szene, die allesamt an dem Problem scheitern, eine in der Kokonstruktion eben schon vorformartierte kanadische Popmusik formatieren zu wollen. Arcade Fire legen ihr Neon Bible in eine Welt, die schon nach Arcade Fire klingt, Feist legt ihr The Reminder in eine Welt, die schon nach Feist klingt, usw. Dass diese ja-eh-guten Platten diese alte Brisanz nicht mehr erhalten, liegt sicher auch an der handwerklichen, selbstsicheren Art und Weise, mit der man jetzt eine „kanadische“ Platte aufnehmen kann. Und nun kommen die Stars, und legen ihr In Our Bedroom After The War in eine Welt, die schon nach den Stars klingt.

Das der Titel dabei so zu dieser Szenerie passt, ist nur ein Hinweis darauf, dass die Stars das Problem erkannt haben. Auch wenn gerade die Stars seit jeher vielleicht am meisten aus der Toronto-, eventuell sogar am meisten aus der gesamten Kanada-Ecke um dieses Problem gewusst haben. Denn die Stars waren immer eine strenge Album-Band. Ihr 2001er-Synthpop-Zuckergummi Nightsongs sprach eine deutlich andere Sprache als die verliebte 2003er-Winterlandschaft Heart, und wiedrum anders (und eben dann auch plötzlich brisant) klang das 2004er-Meisterwerk Set Yourself on Fire, das sie bis zum ipod vom Harry Potter-Schauspieler brachte. Es mag aus der Perspektive also nicht überraschen, dass ihr neues Album, nach all der Invasion, nach all dem Krieg, wieder eine neue, bisher unversuchte Pop-Leichtigkeit im Duett-Zitat-Rausch erheischt. Mehr noch ist In Our Bedroom After the War die wohl erste richtige Kopfhörerplatte der Stars, eine Art merkwürdiges Longe Gone Before Daylight, nur mit weniger Rotwein, ein Plans, nur mit mehr Elan. Vergessen haben sie natürlich nichts, die etwas schwache Vorab-mp3 „The Night Starts Here“ ist für Nightsongs-Fans der Retro-Jauchzer schlechthin, die auf Set Yourself on Fire so wunderbar angedachten Riot-Pop-Wurzeln finden im sensationellen „Take Me To The Riot“ ein würdiges Finale und Zitate gibt es auch enough, am schönsten wohl bei Torquils 80er-Sehnsucht „The Ghost of Genova Heights“. Die Stars klingen manchmal immer noch wie die Welt, die schon nach den Stars klingt, und dass sie noch immer die Guten sind, steht auch durch den Entschluss außer Frage, das Album vier Tage nach Fertigstellung, und drei Monate vor RL-Release DRM-frei zum digitalen Kauf (und damit auch zwangsweise zum einen Tag später folgenden Leak) anzubieten. Aber die neue, ruhige, noch träumerischere Stars-Variante geht das Risiko eben ein, die Welt links liegen, und den Krieg hinter sich zu lassen. Die bringt durch das Bedroom-Setting klar das Duett stärker hervor (auch wenn Torquil die von der Soloplatte noch etwas Whisky-angeschlagene Amy oft unter den Tisch singt), und ist somit eine Rückbesinnung auf eine Kitsch-Form, die den Stars immer schon hoch angerechnet werden konnte: Das nicht immer persönliche Ich-und-Du-Spiel, das zwischen Sex und Tod auch die Revolution verromantisieren kann.

Zwar löst sich die Platte durch all das nicht gänzlich von der oben beschrieben Krankheit manch anderer kanadischer Platten heutzutage (die übrigens auch die gerne als Kanadier missverstandenen Architecture in Helsinki grad befällt) und trällert manchmal belanglos, manchmal langweilig, manchmal uninspiriert vor sich hin, aber es bleibt im Umkehrschluss eben auch immer die Frage, ob die fehlende Brisanz wirklich den Stars anzukreiden ist. Denn im Endeffekt haben sie den gordischen Knoten der Postinvasionszeit am besten von allen gelöst: up in the bedroom. Sollte es also tatsächlich nach den vielen Fehlversuchen eine Platte geben, die der kanadischen Indierock-Welt neuen Antrieb geben könnte für eine nächste Phase, dann wird es die hier sein. Zumindest bis zum nächsten (vollzähligen) Broken Social Scene-Album.

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