Apocalypse: Unseen
»Wolfzeit« (Le Temps du loup) (FR/AU/D 2003, Michael Haneke)
Leeere, leblose Städte berühren Urängste. Die Angst, als Letzter übrig geblieben zu sein. Die Angst, dass mit der Menschheit das Menschliche einer diffusen wie endgültigen Leere gewichen ist. In »28 Days Later«, einem zumindest zu Beginn ultra-minimalistischen und die Story dadurch gekonnt wiederspiegelnden Zombie-Film, wird diese Leere programmatisch: Die Zivilisation ausgelöscht. Endzeit und -spiel begegnen sich im Versuch einiger Jugendlicher, andere Überlebende zu finden. Das sind die Codes des (post-)apokalyptischen Films: Die Zerstörung von Zivilisation, die Suche nach ihr und die Verrohung und Tier-Werdung der Überlebenden in einem Stadium das Hobbes mit »Homo homini lupus« umschrieben hat, der Naturzustand. Damit berühren sich an den Rändern dieser Codes der (Anti-)Kriegs- und der apokalyptische Film und kulminieren bei Haneke in einer Brecht´schen Auffasung von der sterbenden Moral im Krieg – wohlgemerkt, ohne dass Brechts Mittel angewendet werden.
Eine Familie (Mutter und Vater, Tochter und Sohn, eine Familie Jedermann also) fährt zu ihrer kleinen Blockhütte im Wald. Eine Szene, die man bereits aus »Funny Games« kennt und die vielleicht auch deswegen gar nicht mehr den Anschein erwecken muss, alles sei gut. Die ersten Bilder nämlich deuten bereits auf das Unausweichliche hin: Der Wald ist ein dunkler, die Bäume, durch die sich das Auto der Familie schlängelt, bilden in ihrer Abgeschlossenheit bereits die natürliche Gegenmacht zum Menschlichen. Ebenso die Blockhütte: Beinahe agoraphobisch wirkend verschluckt sie die Angekommenen und stellt sich im dunklen Inneren als winziges eineinhalb-Zimmer-Verließ dar. Überhaupt scheint dies kein normaler Wochenendausflug zu sein. Zu umfangreich ist das Gepäck der Familie und einen Vogel mitsamt Käfig führt man bei Ausflügen nur selten mit sich. Die Ahnung bewahrheitet sich: Kaum eingetreten, sieht sich die Familie mit Eindringlingen konfrontiert, einer weiteren Familie, die anscheinend in der Hütte Zuflucht gesucht hat. Bald eskaliert die Situation, der Vater wird erschossen, der Rest der Familie in die Nacht entlassen.
Der bellum omnium contra omnes ist eröffnet.
2 Kommentare | Kommentar verfassen | 0 Trackbacks
wiesengrund - 14. Feb, 18:21
Dieser Knalleffekt
...zu Beginn ist eine der intesivsten Stellen, die ich in einem Hanake erblicken konnte. Überhaupt ist "Wolfzeit" in seiner Dichte und atmosphärischen Ruhe und Geschlossenheit einer der beängstigendsten Filme seiner Karriere. Für mich zumindest ist er auf jeden Fall einer seiner besten.
txt - 14. Feb, 18:51
Bennys Video (und mit Abstrichen auch Funny Games) fand ich beängstigender. Mich hat bei Wolfzeit allerdings positiv überrascht, dass Haneke auch mal ohne mit dem Zaunpfahl auf einen einzuschlagen, Filme machen kann.
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