Der Fremde
»Der Fremde« (Lo Straniero) (IT 1967, Luchino Visconti)
»Ich will Deine Gebete nicht. Du siehst so sicher aus, so selbstbewußt, doch im Grunde ist nichts von dem, was Du Sicherheit nennst, auch nur ein Frauenhaar wert. Du bist Dir Deines Lebens ja gar nicht bewußt, weil Du wie ein Toter lebst. Ich weiß, ich weiß, ich stehe jetzt mit leeren Händen da, doch ich bin wenigstens meiner sicher – so sicher wie nie, sicher meines Lebens und des Todes, der mich erwartet. Ich habe sonst nichts, das ist alles, aber damit besitze ich doch wenigstens die Wahrheit. Was kümmert mich der Tod der Anderen oder die Liebe meiner Mutter? was geht mich Dein Gott an?«
– Arthur Meursault (M. Mastroiani) in Viscontis »Lo Straniero«, nach Albert Camus
»Ich fing an zu toben und beschimpfte ihn und sagte, er solle nicht beten. Ich hatte ihn beim Kragen seiner Soutane gepackt. Was ich auf dem Herzen hatte, goß ich freudig und zornig über ihn aus. Er sehe so sicher aus, nicht wahr? Und doch sei keine seiner Gewißheiten ein Frauenhaar wert. Er sei nicht einmal seines Lebens gewiß, denn er lebe wie ein Toter. Es sehe so aus, als stünde ich mit leeren Händen da. Aber ich sei meiner sicher, sei aller Dinge sicher, sicherer als er, sicher meines Lebens und meines Todes, der mich erwarte. Ja, nur das hätte ich. Aber ich besäße wenigstens diese Wahrheit, wie sie mich besäße. Ich hätte recht gehabt, hätte noch recht und immer wieder recht. Ich hätte so gelebt und hätte auch anders leben können. Ich hätte das eine getan und das andere nicht. Und weiter? Es war, als hätte ich die ganze Zeit über auf diese Minute und auf dieses kleine Morgenrot gewartet, in dem ich gerechtfertigt würde. Nichts, gar nichts sei wichtig, und ich wisse auch warum. Und er wisse ebenfalls warum. Während dieses ganzen absurden Lebens, das ich geführt habe, wehe mich aus der Tiefe meiner Zukunft ein dunkler Atem an, durch die Jahre hindurch, die noch nicht gekommen seien, und dieser Atem mache auf seinem Weg alles gleich, was man mir in den auch nicht wirklicheren Jahren, die ich lebte, vorgeschlagen habe. Was schere mich der Tod der anderen, was die Liebe einer Mutter. Was schere mich Gott, was das Leben, das man sich wählt, das Geschick, das man sich aussucht, da ein einziges Geschick mich aussuchen mußte und mit mir Milliarden von Bevorzugten, die sich wie er meine Brüder nannten!«
– Arthur Meursault in Camus’ »L’Étranger«, übersetzt von Georg Goyert und Hans Georg Brenner
5 Kommentare | Kommentar verfassen | 0 Trackbacks
Solario - 8. Jul, 20:29
Ich suche dringend diesen Film auf Video. Wo könnte ich ihn bekommen?
txt - 9. Jul, 15:30
Deutsche Fassung? Vergiss es. Soweit ich weiss, gibt es den Film nicht mal als OF auf DVD. Wenn du des Italienischen mächtig bist, kannst du ja mal googeln.
taucher (Gast) - 29. Mär, 11:57
bist du zwischenzeitlich fündig geworden ? ich suche den Film auch bereits seit Jahren.... leider ohne Erfolg...
Lucky (Gast) - 5. Nov, 15:32
Gibts denn sowas?
Wenn doch da mal eine deutschsprachige Version existiert hat, kann es dann tatsächlich sein, dass die einfach so von der Bildfläche verschwindet?? Schade finde ich.
meic (Gast) - 21. Dez, 00:21
ich suche den Film auch händeringend und habe ihn vor 25 Jahren aber ich deutscher Fassung gesehen
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