Donnerstag, 11. August 2005

Die Insel


"Was kümmert mich der Schiffbruch der Welt, ich weiß von nichts als meiner seligen Insel." (F. Hölderlin)

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Michael Bay will ne Geschichte erzählen. Was eindeutig was neues und unerwartetes seinerseits ist. Wir kennen ihn als Action-Prophet, Effekt-Ungetüm und Amerikanismen-Schleuder. "The Rock". "Armageddon". "Pearl Harbour". Und jetzt will er aufeinmal ne Geschichte erzählen.

Dazu holt er sich eine Schauspielerriege, die sogar Indie-Publikum durchaus staunen lässt: Ewan McGregor und Scarlett Johannson spielen die Hauptrollen in "Die Insel", diesem SciFi-Epos, und Steve Buscemi und Sean Bean glänzen in Nebenrollen. Die Story ist folgende: Im Jahr 2019 ist den reichen Menschen das Privileg gegönnt, sich ein Duplikat züchten zu lassen. Klone, die als Ersatzteillager für Organe dienen. Da bald festgestellt wurde, dass die amorphen Körper ohne menschliche Erfahrungen absterben, wurde schon bald dazu übergegangen, ihnen das Bewusstsein eines 15-jährigen zu geben - und sie unterirdisch in einem riesigen Reservat leben zu lassen, abgeschottet von der Außenwelt. Um sie unter Kontrolle zu halten, wird ihnen erzählt, die Welt wäre von einem unbekannten Virus kontaminiert worden, und sie sind die wenigen Überlebenden, die dort unten ihr Dasein fristen. Was sie beruhigt: Die aussicht in der Lotterie zu gewinnen, um auf die Insel zu kommen, das letzte unverseuchte Fleckchen utopisch schöner Erde. Was sie nicht wissen: Wer dafür ausgewählt wird, wird in Wirklichkeit nur an den OP-Tisch gebeten zur Organabgabe.

Lincoln-6-Echo ( McGregor) gehört aber zur Generation, die einen menschlichen Faktor zuviel mitbekommen hat: Neugier. Er hinterfragt das System, und als seine beste Freundin Jordan-2-Delta (Johannson) in der Lotterie gewinnt, fliehen sie. Bis dorthin erzählt also Bay eine Handlung, ohne eine ganze Stunde lang eine Action-Szene einzubauen. Was in der zweiten Hälfte natürlich kippt, immerhin werden sie von dem Unternehmen, das das Klonen betreibt, verfolgt. Und das eindrucksvoll, natürlich.

Die Elemente dieses Cocktails sind durchaus beachtlich, immerhin wird hier von 12 Monkeys, über Matrix bis hin zu I, Robot alles möglich herbeizitiert, und der Cocktail ist dabei nie abgestanden oder zu voll. So wird an einer Schlüsselszene, in dem sich Lincoln-6-Echo und sein "echter" Wiederpart in der realen Welt, ein steinreicher Tempo-Freak, gegenseitig vor den Waffen der Verfolger zuschieben, der Klon zu sein, eine Schlüsselszene aus Star Trek VI herbeigerufen. Und die Wahl für die Nummer "6" in Licolns Bezeichnung ist vielleicht auch nicht zufällig von der englischen Serie "The Prisoner"/"Nummer 6" inspiriert worden. Immerhin wird im Schlussfight zwischen Lincoln und dem Chef des Unternehmens, der ihn nur abfällig "6-Echo" nennt, vom Boden zurückgeschnauzt "Mein Name ist Lincoln." was wahlweise ersetzt werden könnte durch "Ich bin ein freier Mensch, und keine Nummer!" aus besagter Serie.

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Im wesentlichen geht es also darum, dass der Mensch seinen Gott töten muss, um frei zu sein. Dass der dunkelhäutige Chef der Verfolgungstruppe aufgrund seiner eigenen Brandmarkung als minderwertiges Wesen die Fronten wechselt ist nur ein weiterer Griff in diese Pathos-Schublade. Behämmert erschien die zweifach verwendete Pointe, dass man Frauen niemals Kreditkarten geben darf. Und kleine Ungereimtheiten in der Story (Warum war Lincolns Klon-Generation auf einmal fähig, neugierig zu sein? Warum ist in so einer technisierten Welt das Auffinden der Flüchtigen so schwer? Oder diese "Lincoln und sein echter Wiederpart vor dem Erschießungskommando"-Szene, die in sich etwas fragwürdig ist.) hinterlassen auch einen etwas schalen Nachgeschmack.

Aber alles in allem ist "Die Insel" ein gute Abendunterhaltung, die dem Anspruch, Anspruch mit Action zu verbinden, durchaus passabel gerecht wird. Viel Nachhaltigkeit ist natürlich nicht zu erwarten. Und dass es dem amerikanischen Kino-Gästen zuviel Story war, was den größten Sommer-Flop dieses Jahres herbeiführte, sei auch nur am Rande erwähnt.

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