Gespaltene Gefühle, irgendwo zwischen »Ich sehe gerade eine der wichtigsten Bands unsere Tage am Zenit.« und »Worauf sind die denn?« dominierten den Gig weitestgehend. Bis zum Ende. Dort verschmolzen sie dann zu einem der unfassbarsten Konzertmomente, die Indie zur Zeit so bieten kann.
Man will nicht drumrumreden: DCFC sind angekommen. Im Olymp. Auf einer Stufe mit den Größten der Größten. Für mich in einem Atemzug mit Modest Mouse, Built To Spill und Wilco. Das ermöglichen die ewig-wunderschönen Gitarrenlinien, Ben Gibbards ewig-wunderschöner Gesang, und (Wilco in der Hinsicht nicht unähnlich) die beiden letzten Meilenstein-Alben »Transatlanticism« und »Plans«. Eigentlich müsste man meinen, dass sie viel zu verlieren haben. Aber denkste.
Erwartet habe ich mir ein nachdenkliches Set, einen melancholisch vor sich hin träumenden, uns alle hypnotisierenden Ben Gibbard, und sogar bei den flotteren Stücken gekonnt-gefühlvolles Arrangement, Gespür für die Kleinigkeiten, für die winzigen, pathetischen Songpartikel, die DCFC immer so besonders machen. Aber auch hier: denkste. Die ersten beiden Stücke waren die jeweiligen Opener der letzten beiden Alben, zuerst »Marching Bands Of Manhattan«, dann »The New Year«. Und schon an Gibbards Fuß-Gestik war abzulesen: Nachdenklich und romantisch wird hier nichts. Sogar besagtes »Marching Bands Of Manhattan« mit seiner endlosen Ruhe wurde von DCFC in eine Gitarrenflächen-Rock-Oper umgewandelt mit einem hysterischen Gibbard als Dirigent und Shouter. Ähnlich erging es allen anderen ruhigen Stücken der letzten beiden Alben. Teilweise waren die ruhigen Momente schon zu spüren, wenn Gibbard hinterm Keyboard »Different Names For The Same Thing« anstimmte oder solo mit Akustikgitarren »I Will Follow You Into The Dark« die purste Indie-Heirat-Hymne der letzten Jahre anstimmte. Aber man merkte schon: Wirklich Spaß machen ihnen die Rocker.
So gab es doch auch ein paar Stücke der wilden, frühen Alben zu hören, und beim FM4-Hit »Crooked Teeth« oder beim »Transatlanticism«-Hit »The Sound Of Settling« war schon ein gefühltes Mosh-Pit nahe. Das Konzert war eine Achterbahnfahrt zwischen Himmel und Hölle, und in mir wechselten sich hauptsächlich zwei Gedanken ab: Einerseits war ich beeindruckt davon, wie es ihnen gelingt den Sound von den Platten live weiterzuentwickeln, diesen Rockismus daraus zu extrahieren und eine völlig überdrehte Show abzuziehen, inklusive siebzehn Litern Spucke und Schweiß. Und andererseits, der Wunsch, sie hätten es gar nicht getan, weil die Songs, so wie sie sind, schon perfekt sind und eigentlich gar keine Steigerung brauchen und vertragen. (siehe auch:
Trail Of Dead live)
In ihrer Unbeschwertheit und ihrem Drang, einen wilden, spaßigen Abend zu verbringen haben DCFC damit sicher einige vor den Kopf gestoßen. Aber es gab eben auch die Momente, die mich schlichtweg umgehauen haben. »What Sarah Said« war Nummer 1. Und Nummer Zwei war die letzte Nummer. Der vielleicht schönste und größte Popsong der Nullziger, das vielleicht eindringlichste und wunderbarste Stück Musik, das dieser Northwest-Sound je hervorgebracht hat, dieses eine Lied, das einen Ozean gebärt und als einzig definitiver Schlusspunkt eines Konzertes dastehen kann. Weil es »Come On!« als letzte Zeile ruft. Weil es endlose Umarmungsketten im Publikum auslöst. Weil es intensiv ist. Weil es sich wie
Arcade Fire live anfühlt (und ich hab mir eigentlich geschworen den Namen in der Konzertbesprechung nie fallen zu lassen). Danke, liebe Death Cab For Cutie, für dieses Lied, das alle vorherigen Zweifel weggeblasen hat. Ich habe gerade eine der wichtigsten Bands unsere Tage am Zenit gesehen.