Ich fühle es immer wieder, wie es riecht. Das Zimmer in dem ich bei einem Bier mit Cuff The Duke sitze und nachdenke. Nachdenke, nachdenklich lausche und nachdenklich nachfrage. Alles etwas gewollt und verkrampft, ein bisschen aus dem Takt, aber nicht zu doll. Nur ein bisschen. Wie ich da sitze und ganz stumm versuche alles in mich aufzusaugen, dieses Etwas zu begreifen, was diese Chemie der Menschen ausmacht, diese Chemie, die sich als »Atmosphäre« oder ähnlich konfusem Zeug in Platten wieder findet. Wir würden dann schlussendlich doch reden, doch etwas austauschen um uns ganz und gar gut zu verstehen, also so ganz hoffnungsvoll gesagt. Um uns ganz und gar nachdenklich zu verstehen und vielleicht auch jenes Fünkchen nötigen Schweigens (aber nicht mehr!) an den Tag zu legen. Es müsste sich alles drehen, eigentlich, so wie in einem Karussell. Ob Kanada oder nicht, sei da mal dahingestellt, aber es müsste sich dauernd drehen, sodass ich immer wieder in ganz unterschiedliche Richtungen schauen müsste, um die Blicke und Gedanken der anderen nachvollziehen zu können. Wir würden anfangen und uns gleich mal ins Kitschige verlieren, mit dem Gedanken spielen, wie es ist, verlassen zu werden, von jemandem, der dein Herz gleichermaßen besitzt, wie er deine Augen blendet. Wie es ist, dann nicht mehr wegzukommen, wie es ist es zu versuchen, und wie es schlussendlich ist, es zu versuchen, es gar nicht versuchen zu wollen. Wie es ist, so zwischen den Rasiermessern (die Riffs!) und stampfenden Lokomotiven (die Beats!) sich auch nur irgendeinen Scheißdreck um Alt.Country zu kümmern (weil: straight-forward, statt experimental!). Wie es ist, so mit Skatern und Cowboys, mit »Indie« und »Country«, (meine Güte, Country!) und warum das so gut geht miteinander, und wohin einen dieses »Country« mit Untertitel »Landscape« in Kanada so bringt (und wie es sich anhört!), und wie es mit Three Gut Records und den Constantines, die ja dann doch weniger dieses »Country« spüren (angeblich!) aber dann doch auch mit den Weakerthans auf Tour waren (Folk! Folk, nicht Country!?), ist, oder wie es ist, dann doch wieder sich immer wieder unter dem »Indie«-Baum zu treffen, in Toronto. Wies es ist, dann aber auch dort abzuhauen. Wie es ist, zu wissen, dass eine Geschichte gut erzählt werden muss, um sie wie einen Tagtraum erleben zu können, wie es ist, Talkshows und christliche Gutenachtgespenster in einem Satz zu schmecken und dabei nicht paranoid zu werden, wie es ist auf einsamen Planeten lange Winter in ewiger Kälte zu verbringen (noch ein Schluck Bier!), und nicht sich in der Prärie zu verirren (ach… Neil Young. Pah!). Wie es ist, wenn alles zu schnell ist, aber doch kaum mitgeschleppt werden kann, weil es zu träge wirkt, zu bedacht an so Blödinnigkeiten wie »Einsamkeit« (für jeden deiner Atemzüge, nehme ich zwei!) und »Geld« hängen bleibt. Unter hinter all dem würde die erste Platte »Life Stories for Minimum Wage« stehen, und mitlaufen, als Soundtrack unser heiteres, mittlerweile kapital entgleistes Beisammensein begleiten. Bis sie dann schließlich nach 20 Minuten, nach nur 20 Minuten einbiegen würde, mit diesem einem C-Ton in das
Lied, das meine Nullziger völlig in die Tasche gesteckt hat, und auf einmal alles vergessen wird und ich langsam bei diesem Anfang nervös werden würde, bis es sich dann langsam zu dem Schlagzeug vortrauen würde und ich die ersten Schweißtropfen spüre, und genau weiß, dass ich jetzt Fingernägel kauen würde, wenn nicht alles so furchtbar irreal wäre, und dann langsam dieses Intro zu lang wird, um ein Intro zu sein, und noch einmal leiser wird, um dieses überlogische Riff runterzubeten, ganz sanft, und ich völlig die Kontrolle dabei verlieren würde und nervös im Raum auf und ab gehe, bevor es schließlich mit einer tonnenschweren Explosion dieses Intro endlich bleiben lässt und in den Hauptteil kommt, wo ich gar nicht mehr weiß, wie sich leichte Gitarren anfühlen, weil das alles so richtig groß und bombastisch klingt und ich dann, wenn dieser bebrillte Engel zu singen anfängt beim Wände-Hochgehen in die Knie fallen würde, und mit jedem seiner Worte tausend Tränen hochjagen würde, bis er mir endlich zugesteht, dass alles gut wird, dass alles okay wird, und ich mich endlich, nach diesen Jahren des verzweifelten Wartens fallen lassen kann in ein ewig langes Gitarrenmeer, das mich von einem Strudel in den nächsten schleudert, und mich an all die großen Achtminutenozeane erinnert, die mich seit jeher in völligen Schrecken versetzt haben, und dann werde ich mir wahrscheinlich einbilden, es wäre schon eine Stunde vergangen, aber nach nur ein paar Sekunden kommt das Lied wieder runter und dieser enorme Druck auf der Brust ist weg, und ich liege da und irgendwer wischt mir die letzte Träne aus den Augen, nur damit ich ihm dann noch ein letztes Mal, diesmal als Gast, sagen kann, dass alles gut wird, das alles okay wird, und dass ich es genau so wollte, immer schon. Aus purer Höflichkeit würde ich die Platte ihrem Ende überlassen, aber nur mehr mit halbem Ohr hinhören, weil es eh egal ist, weil es schon zu viel war, weil es eh nichts mehr zu sagen gäbe. Ich würde mein Bier austrinken und gehen, dankbar, erleichtert, verklärt. Cuff The Duke würden mich fragen, ob ich denn die bessere, zweite Platte von 2005 schon gehört habe, und ich würde Kopfschütteln, an die Zeile
»The rich get richer and the poor get treated like shit« denken, und sie ihnen abkaufen. Kein »Goodbye« oder so, nur das ewige Problem mit der Wahrheit würde übrig bleiben. Wäre das alles ein Traum gewesen, wäre er zu langweilig, um geträumt zu werden. Aber diese Stücke sind eben nicht so langweilig wie Träume, sie sind eine vollkommen richtig erzählte Geschichte, die das magische Zeug in der Luft zu schimmern bringt, mein Zeug zumindest, meine Landschaftsarchitektur einer (vergangenen) Frühjahresdepression, meine fürstliche Liebe zu all der bigotten Musik da draußen, die sich eh immer größer gibt, als sie ist, und mein Festhalten daran, ihr immer wieder diese Bubblegum abzukaufen. Ich denke also nach, und mir fällt das
Interview wieder ein: »Our only real connection to country music is that we’re a song-based band, and the best country music has always been about great, honest songs. Maybe we’ll be to country what The Arcade Fire are to rock’n’roll right now.« und diese Nachdenklichkeit ist somit zu ihrer eigenen Bubblegum des Nachplapperns geworden. Wie schön, dass es nicht weh tut. Wie schön, dass ich nur zu faul bin, um meine Gedanken zu Ende zu denken. Wie schön, dass ich am bitteren Ende meine Augen schließe, um mich selbst nicht davonbrechen zu sehen, und wie schön, dass ich vollends daran glaube, genug Geschichten für ein Leben am Mindesteinkommen zu haben.