Peaches/Architecture In Helsinki @ Donaufestival 2006


Bei der vielschichtigen Bandbreite an Bands, die heuer wieder in Krems und Korneuburg zu Gast waren, gab es zwei Erstauftritte die sicher noch eine Zeitlang für Gesprächsstoff sorgen werden.

(c) Florian Wieser

Peaches. Meine Güte, was dieser Mensch für eine Bühnenpräsenz hat. Was für ein Orkan, der einen völlig entwaffnet, einem Hirn und Herz, Arm und Bein verknotet, erschüttert und dann lässig links liegen lässt, als ob diese Beats und diese Dringlichkeit eh das normalste der Welt wären. Merrill Nisker ist souverän. Sie ist extravagant und ekstatisch. Die riesige Bühne der noch immer zu großen Kremser Messehalle ist für sie zu klein. Und das ohne Band. Dringlichkeit heißt hier eben immer noch »Bewegung«. Das alles ist natürlich schon auf den beiden bisherigen Platten großartig durchdacht worden, und findet aber dann in einer körperbetonten, schweißtreibenden Performance eine Art erklärenden Kommentar. Nach einem Peaches-Konzert fühlt sich alles besser an, und man geht mit einer Genugtuung raus, alles verstanden zu haben. Die i-Tüpfelchen sind dann der »Gastauftritt« von Iggy Pop via Leinwandprojektion und ein sensationelles Cover von »My Humps«, was kanadisch zur Darmentleerungsorgie (»My Dumps«) wird. Am Ende wird noch der Hit awaygefucked und das bis dorthin in fleißigem Exzess jubilierende Publikum staunend zurückgelassen. Das neue Album »Impeach My Bush« verspricht somit eine der wichtigsten Platten des Jahres zu werden, wenn Peaches mit dieser Energie weitermacht.

(c) Florian Wieser

Auf einer ganz anderen musikalischen Baustelle waren wir bei Australiens Vielkopfigüberdrübermelodischentweepop-Heroes Architecture In Helsiki. Hier gibt es nichts anderes anzumerken als: Genial. Nicht nur, dass das Konzert unterstreicht, wie irre wichtig und wohltuend ihr letztes Album »In Case We Die« (und in Anklängen natürlich auch das Debüt »Fingers Crossed«) ist, sondern es erweitert klar die Sprache der Platte um ein paar Ecken verrückten Indie-Trubels mehr. Hier werden Songwunderwerke wie »It’5« oder »Wishbone« mit einem kleinen Bläsereinsatz mehr zu regelrechten Wuchtbomben. Das stockend-geniale »Frenchy, I’m Faking« wird zu einem etwas kohärenterem Flussbett, in dem ein spooky Trompeten-Gitarren-Gefecht stattfindet. Aber endgültig das eh schon bis zur Spitze der Erträglichkeit angespannte Publikum zum Exzess gebracht hat das Ende: Seit Arcade Fire »Neighborhood #3 (Power Out)« und »Rebellion (Lies)« live auf so unglaubliche Weise zu einem Song verschmolzen habe ich so was großartiges nicht mehr gesehen. Hier waren es die vielleicht wichtigsten Songs von »In Case We Die« die zu einer abschließende Indie-Disco-Orgie verwurschtelt wurden: »Maybe You Can Owe Me« und »Do The Whirlwind«. Zur Zugabe werden dann noch die Battles auf die Bühne geholt und zu fünfzehnt mit mächtigen Percussions und Melodienbögen in die Nacht hineingejammt, wo man sich dann nur mehr eines fragt: Wann kommen sie endlich wieder?

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