Sperrstunde/Closing Time – Naked Lunch & Thomas Woschitz, 21.03.2006
Als »Sperrstunde« Premiere hatte, beim Donaufestival 05, war das Publikum sofort gefangen. Nach einigen erfolgreichen Filmfestivalauftritten ist das Projekt um Österreichs einzig wahre Indie-Melancholiker Naked Lunch und ihren Langzeitpartnerregisseur Thomas Woschitz in ein Stadium gelangt, wo eine volle Szene Wien schlichtweg begeistert ist.
Ob man jetzt Filmkonzerte, diese doppelte Reizüberflutung, dieses eigenartige More-than-Soundtrack-Gefühl und diese Gorillaz-Ästhetik mit Leinwand und Band dahinter nun generell mag oder nicht, kann eine knifflige Frage sein. Es hängt vermutlich stark von dem Publikum, eventuell auch von so Lächerlichkeiten wie Bequemlichkeit ab. Aber als Medium, das diese zwei Ebenen auf eine eigenartig neue Weise miteinander verbindet, kann so ein Filmkonzert schon was besonderes sein. Naked Lunch und Thomas Woschitz haben unter Amour Fou- und Donaufestival-Produktion ein ganz besonderes Filmkonzert auf die Beine gebracht: »Sperrstunde«.
Es sind neun Geschichten, die mit neun Songs begleitet, durch die Klagenfurter Nacht schweben und all die Momente einfangen, wo jemand abgewiesen, auf der Straße sitzen gelassen, verlassen wird. Ein eindringliches, mit sehr unprätentiösen Bildern sehr berührend in Szene gesetztes Portrait der Einsamkeit, die nur noch getoppt wird von diesen Songs, die Naked Lunch für diesen Film neu geschrieben haben. Diese Songs, die mir persönlich besser gefallen, als alles, was Naked Lunch bisher gemacht haben. Diese Songs, die – ich wiederhole mich gerne – die Sperrstunde im Herzen schlichtweg verunmöglichen. »Sperrstunde« ist ein sensibles Manifest für den Neuanfang, der nach jedem Abschied erfolgt, was filmisch und musikalisch gekonnt gekoppelt wird. Die erste Nummer »No End« (eine verdammt großartige Notwistonie) wird begleitet von einer Geschichte eines Menschen, der wegen eines Fernsehausfalls das Ende seines Krimis nicht sehen kann, und vom Elektriker aber wegen der Uhrzeit abgewiesen wird. Kein Ende im Anfang. In ähnlicher Tonart, mit oft minutenlangen Onetakern spinnt sich die Geschichte weiter um einsame Bräute, die sich zufällig getroffenen Kriminellen auf der Flucht anschließen, und nächtlichen Putztrupps die wegen letzteren ihren Job verlieren. Die Klagenfurter Allnacht ist hart, frustrierend, nichts Schönes.
Beim finalen Schlusspunkt gibt es keine Titel, keinen Abspann, sondern eine Leinwand, die nach oben verschwindet, und den Blick frei gibt auf Naked Lunch, die zum großartigen Songfinale von »Colours« noch einmal unser aller Herzen vereinnahmen. Selten hat es sich so schön angefühlt, eine Band, nach all ihrer schweren Zeit, auf so einem Zenit zu sehen. Und welche Band kann uns mehr von Sperrstunden und Neuanfängen erzählen als Naked Lunch? Eben.
in: concert.diary | von: wiesengrund | 24. Mär, 17:26
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