Zwei Tage fluc_mensa – 11. + 12. 3. 2005
Die großen Unterschiede zwischen den Acts hinderte niemanden daran, den allen innewohnenden Spaß an der Sache zuspüren. Jeans Team am Freitag und die 5-Jahre-Euroranch-Party am Samstag verbreiteten mindestens gute Laune.
Spätestens seit der Überraschung durch Kissogram sind die Berliner Angeblich-Doof-Disco-Acts auf dem Louisville-Label um Patrick »Surrogat« Wagner für mich nicht zu unterschätzen. Die ältere und gediegenere Form tanzbarer Unterhaltung heißt dort seit jeher JEANS TEAM, und vermochte mit dem damaligen Hit »Keine Melodien« gehörig Wellen zu schlagen. »Rock« im Disco-Kontext tendiert hier klar in Richtung Electroclash, und sogar Peaches vermochte »Keine Melodien« zu einer eigenen Interpretation zu bewegen. Die Weichen waren also gestellt für neues Material, als Jeans Team zum zweiten Mal in letzter Zeit (nach dem FM4-Fest) Wien besuchten.
Das neue Album »Musik von oben« wurde somit auch wieder mal dem Publikums-Test unterzogen und vermochte auch diesmal – natürlich – zu begeistern. Die Lockerheit, die ihnen im Jänner in der Arena vielleicht gefehlt hat, war in der Mensa sogar das dominierende Element, Jeans Team spielten sich selbst schwindlig und endeten mit dem einen oder anderen Elefantenhut am Kopf sogar auf Saint-Exupery-Abwegen. Wer hätte das gedacht. Getanzt wurde wild, und auch wenn sie vielleicht stellenweise etwas zu konstruiert schien, war die Show eine angenehme und wohltuende Abwechslung im manchmal so ermüdenden Icke Micke-Kontext. Die Arroganz, die Jeans Team durchschimmern ließen, mag einige Gäste vielleicht etwas gestört haben, aber im Großen und Ganzen ist diese Arroganz auch nur das kleine Wissen vom großen Scheitern guter Tanzmusik. Gut, dass Jeans Team mal wieder daran erinnern, wie es doch funktionieren kann. »Wien am Meer« schien fast greifbar zu sein.
Der Samstag stand im Zeichen der mittlerweile fünf Jahre auf dem Buckel tragenden Euroranch-Idee. Der »inzestuöse Wanderzirkus« (Selbstbezeichnung), präsentierte auch dieses Mal interessante Acts der kleinen, aber feinen österreichischen Untergrundwelt. So gesellten sich auch einige Herren, die schon auf früheren Euroranch-Festivitäten das Publikum begeistern konnten, auf die Bühne und ließen in kurzen 20-Minuten-Bestandaufnahmen dem Wahnsinn freien Lauf.
Vermisst wurde bei FRITZ OSTERMAYER höchstens die Balalaika und der Hit »Hunger«, denn sonst war in den drei Songs alles an seinem ekelhaft-großartigen konkreten Kitsch versammelt – was erwartet und befürchtet wurde. DER SCHWIMMER war danach für schaurig-schönes Songwritertum im besten und schlechtesten (aber mit Sicherheit auch elektronischen) Sinne zuständig. Die Groove-Box in enger Umarmung mit der Klampfe gab einen charmanten Tanz um einen See aus Stille, den die seiner Musik innewohnende Ruhe auszubreiten schien.
Dass PHILIPP QUEHENBERGER eine Death-Metal-Vergangenheit hatte war nach seinem kurzen Gig ebenso klar, wie auch die Antwort auf die Frage, wer der lauteste Act des Abends werden würde. Sein Krach, der sich geniert, Pop zu sein, und völlig unkonzentriert auf seine Beute losprescht, sorgte für kurzzeitige Verwirrung, Staunen, aber auch (sympathische) Ohrenschmerzen. HERBERT WEIXELBAUM vermochte am Ende seiner kurzen Performance sogar am nahesten ans ihm sonst gar nicht liegende Techno-Ideal zu kommen. Dass dies natürlich kein Techno war, versteht sich von selbst; hier wurde die Groove-Box in einem besonderen und charmanten Pop-Kontext eingesetzt, um unselbstverständliche Gefühle (wie Zuversicht oder Enthusiasmus) zu erzeugen. Wer nicht getanzt hat, spürte wenigstens den Humor, den dieser Kerl mit seiner Musik transportiert.
Den furiosen Abschluss bestritt die BEAUTIFUL KANTINE BAND (feat. Gastgesang), die wieder einmal ihre Live-Qualitäten unter Beweis stellte und von der ersten zündenden Sekunde an das Publikum fesselte. Die Tanzbeine durcheinander wirbelnd fegte trockener 60er-Rock durch die Halle, bis auch der letzte Kopf mitnickte. Wer »Burgendlands beste Werbeträger« (F. Ostermayer) noch immer nicht live erlebt hat, sollte dies schleunigst nachholen.
Und wer mal wieder Lust auf Unterhaltung bei guter Musik und angenehmen Menschen hat, der sollte die wenigen Tage, die der fluc_mensa noch bleiben, nutzen, denn sie ist wahrlich der beste Ort dafür. Auch weil das SoundBridges-Festival dort stattfinden wird. Auch weil mit Munk, Stereo Total und weiteren Acts immer noch ein erstaunliches Line-Up auf uns wartet. Und auch weil es schwer sein wird, einen Ersatz für solch eine Location zu finden. Zumindest bis zur Eröffnung des fluc2.
in: concert.diary | von: wiesengrund | 14. Mär, 19:21
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