Freitag, 17. Februar 2006

Eine der renommiertesten Zeitungen Deutschlands




Nein, DIE ZEIT – eine der renommiertesten Zeitungen Deutschlands (n büschen billich, das so semi-subtil dort einzufügen, oder Herr Esser?) – überzeugt mich schon seit langem nicht mehr. Und nur wegen Martenstein Abonnent bleiben? Och nö. Im Grunde läuft es bei mir schon seit längerem so:

Zeit kommt an. Ich fische die Papierfetzen aus meinen Briefkästen (ich habe derer zwei: einen für normale Post, einen für Zeitungen; dem Briefträger ist das schnurz, er teilt die Zeitung gerne mal auf, presst den größeren Teil durch den kleinen Schlitz und legt den Rest so geschickt in das Zeitungsfach, dass es garantiert vom ersten Lüftchen wieder rausgeweht wird). Wo war ich?

Achja, Martenstein lesen. Dann Fülljetong durchgrasen und sich über Texte ärgern, die dem Blatt wohl ein jüngeres Publikum verschaffen sollen (Hallo? Dazu reicht eine Adam Green-Rezi nicht aus), dreißigtausendzeilige Theater-Kritiken überspringen, deren Schreiber irgendwo in den Neunzigern hängen geblieben sind und die immergleichen Diskussionen erstaunlicherweise immer wieder führen (Können sich diese Autoren nicht mit dem rollipluscordhosentragenden Jazzpack zusammentun und eine eigene Zeitschrift herausgeben?) und pflichtbewußt noch die Literaturkritiken überfliegen, weil man meint, man müsste ja doch irgendwie wissen, was intelektuelle Nullnummern wie Botho Strauß da wieder verzapfen. Lohnt aber nicht, weil die seit dreißig (gefühlten: dreihundert) Jahren immer nur dasselbe von sich geben. Dann hinein in den »Chancen«-Teil, der zum hundertsten Mal versucht zwischen Lehrern und Eltern zu vermitteln, was mir, gelinde gesagt, schnurz ist. Den »Zeitläufte«-Teil und ab und zu das Dossier für nächsten Sonntag zurücklegen (da hat man ja Zeit, höhö).

Im Anschluß blind den Wirtschaftsteil wegwerfen, der sich nicht entscheiden kann, ob er Handelsblatt oder brand eins sein will. Tief durchatmen. Aufmacher und Politik-Teil. Bei ersterem suhlt sich wahrscheinlich gerade wieder mal Josef Joffe in seiner sauberen Moral und erklärt dem Leser, was gerade en vogue ist in der liberalen Szene. Ich glaube im Augenblick darf man Karikaturen gutfinden, die nicht weh tun. (Wie sowas aussieht, zeigt auf eindrucksvolle Weise auch die aktuelle Selbstbeweihräucherungs-ZEIT zum 60. Geburtstag derselben mit fancy Karikaturen nahe der Schnarchgrenze.) Wahlweise darf auch mal Helmut Schmidt, die alte Fluppenkanone ran. Der ist ja auch so ein prima Beispiel dafür, dass man im Alter dazu neigt immer reaktionärer senil zu werden.

Wie auch immer, nachdem man sich also empört™ hat, innerlich ein Ruck™ durch einen ging und man sich bereits fragt, ob man dasselbe Geleier und Geseier nicht schon letzte Woche an der selben Stelle gelesen hat, lehnt man sich erschöpft zurück und denkt … nichts.



Nein, danke. Und gönnen Sie ihren Formbriefen doch mal ein ›oder‹. Aber wenn Sie ein gutes Wochenmagazin kennen, das in der Lage ist, die Geschehnisse der Woche etwas tiefer zu analysieren als die Tagszeitungen, dann schreiben Sie mir gerne nochmal.

Derweil verbleibe ich mit erschöpftem Gruß,
.txt

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suki - 21. Feb, 01:29

hi hi hi.
so ging es mir vor rund einem jahr auch. ich hab es bis heute nicht bereut, mein abo gekündigt zu haben. mit der der berliner taz kann ich ganz gut leben. und ich habe nciht das gefühl, dass ich irgendwas verpassen würde.

txt - 21. Feb, 20:36

ich schon. ich mein, okay, taz ist auch bei mir abonniert. zusätzlich ab und zu noch die sz. aber ich finde es fehlt eine wochenzeitung die platz für mehr, äh, reflektion bietet. die fas jedenfalls fand ich langweilig bis gefällig. habe aber auch die letzten vor anderthalbjahren gelesen.

ach, eben erst gelesen: ix hat sich die zeit-blogs vorgenommen. die kommen bei ihm sogar noch besser weg als bei mir. oh wunder.
suki - 22. Feb, 13:47

naja, ich finde den abstand der zeit zu den überregionalen tageszeitungen, was die reflektion angeht, nicht so groß. klar, in der zeit ist mehr platz und man hat mehr zeit zum schreiben. ansonsten treibt die zeit genauso jede woche die sau durchs dorf wie es auch alle anderen medien tun. giovanni di lorenzo meinte ja zum jubiliäum, dass die zeit frei von zeitgeist sein wolle. das ist sie aber was das inland angeht beileibe nicht. man denken nur an die ganze hartzIV- oder die "familienpolitik"-diskussionen.
ich habe die zeit aus zwei gründen abbestellt: irgendwann gab es nur noch zwar arten von texten in der zeit:
1) diejenigen, die mich aufgrund ihrer themen oder ihres betulichen stils eh nicht interessieren und
2) diejenigen, die mich wahnsinnig aufregen, weil man merkt, dass der autor keine ahnung/nicht richtig recherchiert/nicht richtig nachgedacht hat.
letzteres trat besonders stark bei themen ein, mit denen ich mich selbst schon im studium oder privat auseinandergesetzt habe.
achja, und harald martenstein. aber nur seinetwegen kann man ja nicht die zeit abonnieren.

ganz ehrlich. ich fühle mich befreit, seitdem ich meinen medienkonsum gesenkt habe. karikaturenstreit, vogelgrippe auf rügen, usw.: die information, dass da etwas passiert ist, reicht mir vollkommen. die meinung dazu hab ich selbst, dafür muß ich keine zeitung lesen oder christiansen gucken.

txt - 23. Feb, 19:13

"diejenigen, die mich wahnsinnig aufregen, weil man merkt, dass der autor keine ahnung/nicht richtig recherchiert/nicht richtig nachgedacht hat. "

ZEIT goes Spiegel

"die meinung dazu hab ich selbst, dafür muß ich keine zeitung lesen oder christiansen gucken."

meinung bildet sich nicht einfach so aus dem nichts. zeitung als meinungsbildendes medium geht okay mit mir. immer eine frage des "wie?". christiansen braucht man natürlich nicht drüber zu diskutieren.
suki - 23. Feb, 19:33

natürlich bildet sich die meinung nicht aus dem nichts. auch meine nicht.
aber wie bilden die zeit-autoren ihre meinung? wenn sowohl wissenschaftliche forschungsergebnisse der letzten dreißig jahre als auch die beschissene realität, die man sehen könnten, wenn man sich den mal aus seinem kleinen beschränkten bildungsbürgerkosmos rausbewegen würde, einfach mal links liegen läßt und stattdessen lieber befindlichkeitlyrik raussülzt, dann muß ICH das weder lesen, noch dafür bezahlen.

abstand zum objekt hat seine vor- und nachteile. ein journalist ist journalist und kein experte, und soll auch keiner sein. das ist auch ok. das entbindet einen aber nicht davon vernünftig zu recherchieren und sein urteil zu begründen. und vor allem seinen eigenen standpunkt sichtbar von den "fakten" zu trennen. wenn man die gesamte ausgabe betrachtet, trägt die zeit einfach die bildungsbürgerliche befindlichkeit zur schau und das nervt mich, weil das nur ein winziger teil der gesellschaft ist, die von politischen entscheidungen betroffen ist, und genau dieser blick wird jedoch seltenst thematisiert oder gar reflektiert.
deswegen lese ich auch lieber die taz. natürlich repräsentiert die auch ein bestimmtes soziales millieu, aber die redakteure sind sich dessen bewußt.

pitsche - 9. Mär, 00:48

Ersatz für Mainstream-Wochenzeitung?


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