Montag, 4. April 2005

Die Unerstaunlichkeiten des Max Tivoli



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Max Tivoli sitzt in einem Sandkasten und schreibt seine Memoiren. Sein Gesicht ist spitzbübisch, sein helles Haar zerzaust. Er sieht aus wie jeder andere kleine Junge auch. Sein Geheimnis: er ist sechzig Jahre alt! Als Greis geboren, wird er immer jünger werden, um als alter Mann im Körper eines Babys zu sterben.

»Sei, wofür sie dich halten«, fleht die Mutter angesichts der brutalen Welt und so richtet sich Max in seinem Körper ein. Einsam wird er sein, schluchz, einen Freund nur wird er haben. Und Alice, um die sich von Anfang an alles dreht, wird er seine Liebe erst gestehen, wenn sie sich in mittlerem Alter in ihrer Entwicklung kreuzen. Das Glück, das er mit Alice erfährt, wird nur kurz währen und ihm einen hohen Preis abverlangen, denn Max muss sich immer wieder von geliebten Menschen trennen, um sein Geheimnis zu wahren.

Und hier liegt das Problem des brillant geschriebenen Romans: Greer legt zu viel Wert auf eine im Grunde beliebige Liebesgeschichte, als dass er seine Hauptfigur in einen gesellschaftlichen Kontext setzen würde. Die Außenwelt reagiert nicht auf Max und Max nicht auf sie. Stattdessen dominieren Max innere Konflikte, während sich das übrige Personal wie Möbelstücke verhält, die ausrangiert werden, sobald sie den unbeschwerten Fluss der Handlung stören, um dann zurück in ihre sich auf Dienlichkeit beschränkende Position gerückt zu werden.

Leider, muss man daher sagen, schöpft Greer das Potential seiner Thematik nicht aus. So plätschert der stilistisch tadellose Roman, der mühelos vielschichtig das San Francisco des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts auferstehen lässt, nach einem fulminanten Start ohne Überraschungen vor sich hin.

Max Tivolis Geschichte ist weniger erstaunlich als langweilig und am Ende – man ahnt es nicht nur, sondern weiß es schon – wartet nur der Tod.

Trotz allem könnte es sich lohnen, auf Greers nächsten Roman zu warten oder einen Blick in einen seiner ersten Titel zu wagen: How it is for me, 2000, und Die Nacht des Lichts, 2003, letzterer Titel ebenfalls bei S. Fischer.


Andrew Sean Greer: »Die erstaunliche Geschichte des Max Tivoli«. – Frankfurt a. M.: Fischer, Februar 2005 | 348 Seiten; 19,90 €; ISBN: 3-100-27815-1 | Amazon.de | Buecher.de

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tauben - 6. Apr, 13:15

In der Welt Am Sonntag von vor einigen Wochen ein mittellanges Portrait über Greer, indem zu lesen war, dass ihm proust'sche sowie auch nabokov'sche Qualitäten nachgesagt werden. Kam mir beim lesen des Artikels sehr seltsam vor. Vielleicht dann doch einmal dieses Buch.

lichterloh - 7. Apr, 16:03

proust lässt sich nachvollziehen, nabokov allerdings scheint mir eher unwahrscheinlich. ein stilist ist greer sicherlich, sein gesellschaftsporträt ist ebenfalls plastisch, doch sind dies leider nur schmückende beiwerke eines hauptstranges, der von der struktur nicht überzeugen kann. den artikel aus der wams empfinde ich übrigens als zu lobend.
tauben - 7. Apr, 19:07

Ja, ist mir auch etwas übel aufgestoßen, diese Lobhudelei. Zumal diese Vergleiche eigentlich wirklich sehr nach Hype klingen und in mir den Wunsch wecken, diesen Mann einfach erst einmal zu ignorieren. Und was der Artikel noch geweckt hat: Desinteresse meinerseits. Klang, obwohl der Autor dort mit genau den Autoren verglichen wurde, die ich für wohl wohl als sehr wichtig bezeichnen könnte, unspektakulär. Eher wohl Jonathan Lethem oder Jonathan Safran Foer.

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