Überflüssige weiße Männer. Ein paar Gedanken


»Falling Down« (USA 1993, Joel Schumacher)
DVD

falling_down

Der Beginn: Ein Zitat aus Fellinis »8 1/2«. Der Werksausweis hinter der Scheibe: abgelaufen. Der Schweiß auf der Stirn: rinnend. Die Kleidung: Biedermann. Die Flagge: Amerika. Das Chaos: Im Kopf und drumherum. Das Nummernschild: Ironie in Wartestellung. Die Eröffnungssequenz beinhaltet bereits alle Motive, die sich duch den Film durchziehen werden.

»Falling Down« handelt von einem, der keinen Ausweg mehr sieht. Anders als Lester Burnham in »American Beauty« ist der namenlose D-Fens nicht mehr in der Lage zu entscheiden. Er wird getrieben. Durch die Straßen, die Ghettos, einem Weg folgend, der vorgezeichnet scheint. Es liegt nicht mehr in seiner Hand. D-Fens ist gleich einer Hülle, die nichts mehr zu verbergen imstande ist. Die Leere in ihr spiegelt sich in den verlassenen Gegenden wieder, in denen D-Fens unterwegs ist. Trifft er doch mal auf Menschen, sind diese stets nur Feinde.

Ein Freund erzählte mir, die negativen Filmkritiken in den USA seien geprägt gewesen von Rassismus-Vorwürfen. Die Gewalt gegen Schwarze, Latinos und Asiaten im Film sei Ausdruck einer weißen Ideologie. Mal abgesehen von der leidigen Vermischung von Autor, Text und Subtext, soviel zumindest stimmt: D-Fens ist ein Weißer, sozial angesiedelt zwischen Mittelschicht und White Trash. Bei genauerer Betrachtung richtet sich die von ihm ausgehende Gewalt aber nicht vor allem gegen Schwarze und Latinos, sondern hauptsächlich gegen die Unterschicht, in die er abzurutschen droht. Das fehlende soziale Netz, seine Arbeitslosigkeit, der Verlust von Frau und Kind macht ihn überflüssig und damit zu einer tickenden Bombe ähnlich wie ein anderer tragischer Auswegloser: Travis Bickle.

Ja, D-Fens ist ein Rassist, das ist aber nicht sein Motiv. D-Fens ist gekennzeichnet durch den »ganz normalen« Rassismus (und übrigens auch: Sexismus) eines minderpriveligierten poor white male, der Ventile für seine Wut sucht. Und er ist durch und durch unpolitisch. Gerade in Szenen, die eigentlich politisch aufgeladen sind, zeigt sich das. D-Fens schwadroniert über Politik und Partriotismus (die Nation als »Wir«) ohne genau zu wissen, was vor sich geht. Genau genommen ist D-Fens ein »white nigga«, so wie ihn Darius James in seinen Texten zeichnet, charakterisiert vor allem durch Negation, durch das Fehlen von als gut deklarierten Eigenschaften wie Arbeit und Familie. Er selber sieht sich als überflüssig an. Wozu bin ich noch nützlich, was kann ich denn schon sein? D-Fens als ein sich selbst Entfremdeter.

Die Spiegelung in seinem Gegenpart: Pendergast (Robert Duvall), der ihn verfolgende und kurz vor seiner Pensionierung stehende Cop. Es gehts ums Heimkommen. Genau wie Pendergast aber erwartet auch D-Fens keine "Heimat" sondern bloß die übriggebliebenen Bruchstücke dessen, was zuvor Geborgenheit bedeutete. Der Film zeigt in seinen beiden Hauptpersonen Pendergast und D-Fens zwei Wege, mit einem zerstörten Leben umzugehen. Resignation herrscht auf beiden Seiten. Doch warum dreht der eine durch, während der andere sich in sich selbst zurückzieht und unsichtbar für seine Umgebung wird? Der Film hütet sich davor, einfache Antworten zu geben. Das macht ihn so streit- und angreifbar. Meines Erachtens macht genau das ihn aber auch (und erst recht) sehenswert.


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