PRE-pre-emptive hype for "Human the Death Dance"


Sage Franics über sein neues Album, out on Epitaph in May 2007:I have to say...there are Personal Journals moments...there are Hope moments...there is ONE Healthy Distrust moment...and the rest is probably the stuff I will be most remembered by.Und das irre ist, dass ich diesem Irren ja den Größenwahn abkaufe.

waiting for...


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06 Platz 1


The Whitest Boy Alive - Dreams
Das war wohl die Gitarrenplatte des Jahres. Irgendwie. Nicht weil sie die schmissigsten Rock-Monstren unter die Leute brachte, derlei kommt eh noch, sondern weil die vermutlich einzige Gitarre, die ich im Schlaf erkennen würde, diejenige von Erlend Øye ist, wie sie sich durch die zehn Stücke von Dreams schleicht. Zurückhaltend, manchmal sogar mit einem Hall, der aber nicht – wie oft üblich – auf eine große Halle hindeutet, in der das aufgenommen wurde, sondern auf das kurze Beibehalten von den diskreten Einheiten unserer Erfahrung (eben das, was bei der Gitarren die Töne und Akkorde sind), Momente des Lebens, und der Hall ist dann die kurze verblassende Erinnerung daran. Und es ist bei Gott untrivial einen Hall und die Gitarre so hinzukriegen. Und wie das schleicht und mit einer viktorianischen Unaufdringlichkeit immer im Hintergrund werkt ist zwar durchaus Minimal Pop, aber eben auch eine an Eleganz und Träumerei nicht zu überbietende Disco. Wem dass dann zu absrakt und verkopft wirkt, der kann bei den Konzerten erleben, dass diese Ableitung im konkreten Berührungsfall fast schon gefährlich greifbar wird, völlig selbstverständlich passiert und eine Art Party erzeugt, die du so niemals gesehen, gehört und gefühlt hast. Und wer jetzt noch immer nicht mitwill braucht »Don't Give Up«.

Yeah Yeah Yeahs - Show Your Bones
Wenn man die Epochen lustig aufteilen mag in rockige vs. elektronische, dann kann man schon dabei rauskommen, dass jeweils die erste Hälfte des Jahrzehnts den Gitarren gehörte. Und wenn dem so auch in diesem Jahrzehnt sein mag, wenn man also die Wiederauferstehung anhand aller britischer, skandinavischer, ja auch kanadischer Rock-Ideen feiern möchte, so gab es eigentlich nur New York als amerikanischen Gegenpol, der da mithalten könnte. Und neben den Strokes 'n Stripes steht da hoch oben am Podest jener epochenschaffenden Bands eben auch Karen O. Auch mit gewissem Recht könnte man dann Fever to Tell als den Höhepunkt ansehen, und Show Your Bones als das finale grande, den unzersetzbaren Schlussakkord dieser gewaltigen Sinfonie. Aber ich könnte das nie so durchdenken, war ja nicht dabei. Außerdem fallen mir vom Impact, von der Bedeutung und von dem, woran ich mich noch sehr lange erinnern werde, mit Worlds Apart und Sound of Silver gleich zwei weitere Alben ein, die ähnlich bombastisch wie Show Your Bones auf Ruinen tanzen. Und da es immer nur einen Schlussakkord geben kann, lass ich das lieber. Dass diese Platte hier mit ihrem Vorgänger kaum was zu tun hat, sagte ich ja bereits. Dass sie nevertheless eine der klügsten, forderndsten und im Endeffekt auch schönsten amerikanischen Rockscheiben der letzten Jahre ist, nun auch. [mehr]

Fotos - Fotos
Ohne auch ansatzweise nachvollziehen zu können, warum das so und nicht anders kam: Ja, diese Platte ist einfach verdammt großartig. Ich kann euch wirklich kaum was dazu sagen, und war selbst völlig baff, als es mir klar wurde. Es hat womöglich was damit zu tun, dass es mich immer irgendwie erwischt, wenn ich merke, dass hier große Liebhaber ihre Lieblingsmusik spielen, und wenn da die Platte mir zuhört, weil wir ja von Fanboy zu Fanboy uns gegenüberstehen, und nur wenige Platten sind so Fanboy, dass sie sich wirklich nicht über dich stellen, sondern wirklich neben dir sitzen. Ich kann mit denen reden, weil diese Platte so gottverdammt freundlich ist. Weil sie so unendlich nachvollziehbar ist. Für mich. Auch vielleicht weil ich irgendwann aufgehört habe, die Sterne-Anspielungen zu zählen, die der guten Sorte, und vor allem auch: die der guten Sterne. Und obwohl die Zeit ganz anders ist, was sich in der deutlich unterschiedlichen musikalischen Dimension abspielt, und somit Nostalgie als Grund so ziemlich wegfällt, packten mich die Texte und Ideen dieser jungen Menschen ungefähr so locker und trotzdem alles relativierend, wie damals mit 14 Posen und Von allen Gedanken.... Ich weiß, das klingt bescheuert. Aber welche Liebe ist das nicht?

Candy Bars - Of Cutting Ti-Gers in Half and Understanding Narravation
»Landscape«, das Weihnachten, wo du merkst, dass du nicht mehr dazugehörst, »Works Cited«, der Trauermarsch, der die Beerdigung vom Sozialen ins Private holt, »Violets«, der Schuljunge, der seine Jause mit dir teilt, »The Flood in Your Old Town«, der Ohrwurm, der sich am Ende als Zahnarztbohrer herausstellt, »The Birthday Song«, der Geburtstag, den du immer vergessen wirst, und »Enough to Choke a Cold Air«, die Sekunde, die du damals, als du das erste mal verprügelt wurdest, gebraucht hast, um aufzuschlagen. Diese sechs Stücke kenne ich von dieser Platte, und kein einziges mehr. Elf Nummern sind es insgesamt. Und wenn ich mir nur ansatzweise vorstellen könnte, was auf den restlichen fünf passiert, wäre das hier nicht aus den Top 3 wegzudenken. Aber wenn es einen Funken Gerechtigkeit gibt, wird »A Family Photo Taken at an Aquarium« die expliziteste Aufarbeitung dieser so unglaublich düsteren Arcade Fire-Variante sein, wird »Lovesong Lake« ein sechsminütiges Geigen-Instrumental über Nessy sein, wird »You Were Always a Horse« eine laute Hommage an Bill Callahan in seiner prä-Julius Caesar-Phase sein, wird »Winter is a Cathedral« Endes Phantásien wie eine Lego-Stadt aussehen lassen und wird »The Basque Country« die Narravation sehr traurig zu Ende führen, mit einem Paukenschlag am Ende, um vielen, sehr vielen Federn, die vom Himmel herabschweben, um sich wie ein Vorhang vor diese Platte zu legen. Und ich wäre vor Überbelastung sowieso schon zusammengebrochen.

Cuff The Duke - Life Stories For Minimum Wage
Wie bei Snowglobe eigentlich eine Frechheit, das so zu besprechen, haben Cuff The Duke doch diese Platte 2002 rausgebracht und seither (eigentlich schon 2005) schon einen Zweitling unters Volk gemischt. Falscher kann's also gar nicht gehen. Aber eine ehrliche Zusammenfassung meines Jahres kommt an dieser Platte nicht vorbei. Obwohl ich anfangs dachte, es würde sich um ein One-Hit-Wonder handeln, womit der Rest der Platte (wie auch der besagte Zweitling) großteils ignoriert werden könnte. Aber dem war nicht so. Natürlich: Die größte Last auf den Schulter trägt die »Ballad of a Lonely Construction Worker«, und es wird wohl noch lange dauern, bis mich ein Song so derartig entgleisen lassen wird, wie der, aber Life Stories... hat als ein unschuldiges Debüt einer Indie-Country-Band auf Albumlänge die emotionale Pfiffigkeit so präzise auf den Kopf getroffen, dass sich sehr schnell auch »Blackheart«, »The Difference Between Us« und das famose Schlussstück »The Trouble and the Truth« unter meinen meistgehörten Songs des Jahres einordneten. Bedenkt man, dass das hier vor der ganzen Arts & Crafts-Explosion war, vor Arcade Parade, vor Black Mountaintops, dann fragt man sich schon, warum jemand wie Amy Millan so lange gebraucht hat, um mit einer Country-Platte in die Charts zu kommen. Man fragt sich worauf eigentlich alle gewartet haben. Einzig Hayden war wohl schlau genug. [mehr]

The Decemberists - The Crane Wife
Ich hätte gelacht, hätte mir jemand zu Picaresque-Zeiten erzählt, ich würde die nächste Decemberists-Platte besser als die nächste Built to Spill-Platte, größer als »fantastisch« und als Inbegriff allen Amifolks des betreffenden Jahres ansehen. Gelacht. Aber The Crane Wife ist eigentlich gar nicht zum Lachen. Eigentlich dürfte man vor Angst, was kaputtzumachen, gar nichts machen. Nicht, weil sie so fragil ist, ganz und gar nicht, wächst sie doch in ihren lauten Momenten zu einem gravierend bedrohlichen Monster heran, sondern weil sie so perfekt austariert, und ihrer Schönheit so ergreifend ist, dass man das alte Phantom des Äthers in der Luft sieht, wie er sich nach den Mustern dieser Lieder formt. Die Freaks denken sich hier bitte grünen Buchstabenregen. Und ein Atemzug allein könnte diese Muster zerstreuen, ihnen ihre schüchterne Einfachheit nehmen, ihnen ihre Eleganz absprechen. Meinetwegen ist das überproduzierte Scheiße. Meinetwegen ist es Verrat an Lo-Fi, Indie und Menschenrecht. Aber es gibt sie trotzdem, diese Übergänge zu kommerziellen Phasen, die bei all ihrer Fragwürdigkeit schlicht perfekte Platten hervorbringen – und das nicht erst seit Modest Mouse. Also: Ich kennen schlicht und ergreifend nicht eine Silbe in meinem Wortschatz, mit der ich anfangen könnte an The Crane Wife was auszusetzen. [mehr]

Boy Kill Boy - Civilian
Ja, das sind meine Arctic Monkeys, meine Maximo Parks und meine you-could-have-it-so-much-betters. Meine Kooks, meine Razorlights und meine Babyshambles. Außerdem auch die erste Band, auf die ich via profilbasierter last.fm-Recommendation gekommen bin. Eine Band die typischerweise alles falsch macht, und eigentlich kaum eine Chance bei mir bekommen hätte, wenn nicht... ja, wenn nicht die Platte einfach so verdammt großartig wäre. Wenn ihre Keyboardflächen nicht so verdammt lächerlich wären. Wenn ihre Geschwindigkeit nicht die übliche Manie, die man eh niemandem glaubt, wäre. Wenn ihre Songs nicht so verdammt einfach und uninteressant wären. All das hat mich überzeugt. All das hat mir gezeigt, woran sich all die von mir verhassten UK-Bands nicht herantrauen. All das hat mich hoffnungslos glücklich gemacht und bewiesen, wie toll es sich anfühlt, wenn die besten Freunde dich kopfschüttelnd für völlig idiotisch erklären, weil du das magst. Ja, auch dafür, obwohl es erst später kam, mag ich diese Platte. Und weil es eben beweist, dass neben allem Übel auch ein kleines Gutes zu finden ist, wenn man nur genau genug schaut. Also nochmal: »Civil Sin«, nochmal: »Suzie«, und dann eben: »Back Again«. Keine Platte hatte heuer mehr H!I!T!s, als die hier. Finde ich. [mehr]

Kante - Die Tiere sind unruhig
Ich weiß eigentlich bis heute keine wirklich gute Erklärung dafür, warum diese Platte Zombi übertrifft, warum sie so unfassbar dringlich ist, und warum ich nicht ohne sie leben kann. Vokabularproblem. Und dass, obwohl das gar nicht so way out ist, wie die üblichen Platten, wo das Problem auftaucht (von Newsom bis BSS), sondern total simpel, eigentlich. Eine Rock-Platte. Nichts mehr. Die Worte, die Zutaten sind wie eh und je, fiebrige Blicke, Verändeurng, die in der Luft liegen, lange, hypnotische Stücke, und ein Mörderhit zum Niederknien. Just another Kante-record. Aber eben auch nicht. Vielleicht ist der tatsächlich Grund, warum das so über allem steht, was die Band bisher gemacht hat, und über fast allem, was mir heuer zu Ohren gekommen ist, weil es sich geöffnet hat. Weil Kante jetzt nicht mehr für sich arbeiten, sondern für sich Spaß haben. Weg vom Soziologen-Rock (auch wenn man ihr bisheriges Schaffen aufgrund der offenkundigen emotionalen Dichte niemals so bezeichnen würde), hin zur größten Party der Geschichte. Und dass die bisher geschaffene Komplexität so elegant mit Party zusammenpasst, war eben das überraschende, das unfassbare, das ausschlaggebende Element um zu sagen, dass ich seit sehr, sehr langer Zeit keine so verdammt zwingende deutschsprachige Platte mehr gehört habe. [mehr]

My Latest Novel - Wolves
Eigentlich schade, heute ist nicht mein Tag. Nicht zum schreiben. Gestern hab ich noch gezittert bei den Plattenbesprechungen, vor Aufregung und Auseinandersetzung, heute schaut alle Welt auf die Uhr, alles rast auf einen Moment zu, und meine Konzentration schwindet. Vielleicht sind auch einfach die Ideen schon ausgegangen, was sich noch über Popmusik 2006 sagen lässt, was nicht schon gesagt wurde. Auf der anderen Seite: Dem Countdowm sei Dank passt das auch ganz gut, denn die Platten, die am meisten von sich selbst aus klar machem, warum sie Meisterwerke sind, spüren das Vokabularproblem am meisten. Und haben mehr Chance von Interessierten unbefangen, nur mit dem schlichten Lob einer enorm hohen Platzierung versehen gehört zu werden. Obwohl... gerade bei MLN tut es mir schon wieder verdammt weh. Weil ich einfach generell hier nichts dazu gesagt habe. Und auch wenn ich damals, zur zweiten Hommage-Ausgabe, über eben diese Platte den einzigen Text meines gesamten Fanboytums verfasst habe, an dem ich bis heute nichts auszusetzen habe, nützt euch das jetzt vermutlich verdammt wenig. Also: Einfach hingehen, anhören, gefangen nehmen lassen. Eine schönere Platte gab es heuer nicht. An ihr wird sich Neon Bible messen müssen, und so schlimm es auch klingt, aber die beiden bisher gefunden Stücke deuten deutlich darauf hin, dass Wolves sich nicht mal anstrengen muss.

Malajube - Trompe-l'oeil
Okay, und da wären wir. So fühlen sich also 75.000 Zeichen Jahresrückblick an. So fühlt es sich an, wenn man im Laufe eines Monats dann noch all die Platten bemerkt, die man vergessen hat zu erwähnen, trotz des 100er-Wahnwitzes. Und so fühlt sich dieser Moment an, wenn der Übergang zum Neuen greifbar nahe ist. Es ist schon schicksalsgleiche Fügung, dass diese Platte hier den Thron der wichtigsten, besten, bescheuertsten und rundum buntesten Platte des Jahres 2006 einnimmt, denn es könnte durchaus sein, dass mit Verabschiedung dieses alten Jahres erst das Jahr anfängt, in dem Malajube uns erobern werden. Es deutet sich an. Wenn denn tatsächlich dieses kleine kanadische Label auf die Idee kommt, einen Europa-Release zu machen. Und wenn es denn dann noch Magazine gibt, die willig genug sind, diese nette Platte zu featuren. Und wenn nicht, macht nix. Importieren, ausleihen, vorsingen. Es gibt genug Wege. Ganz abgesehen davon, dass diese Songs völlig ohne Probleme einfach aus der U-Bahn-Ansage oder dem Supermarkt-Lautsprecher tönen könnten, grad jetzt, grad in deiner Stadt, weil ihrer Macht keine Grenzen gesetzt sind. Sie wollen halt nur grad nicht. Und selten war dieses Erlegensein gegenüber einer Platte so schön, selten war ein Jahr auf Knien so schön, wie gegenüber Trompe-l'oeil, wie heuer. Auf dass sie 07 alle holen. Auf dass ich 07 mal endlich lerne, nicht Kanada auf 1 zu haben. Auf dass die optischen Täuschungen nie aufhören. Und auf dass mir endlich mal wer erklärt, worüber die eigentlich singen. [mehr oder weniger]
[100-91][90-81][80-71][70-61][60-51][50-41][40-31][30-21][20-11][10-1]

06 Platz 2


The Hold Steady - Boys & Girls In America
Es ist eine der Sachen an Geschichten, an fiktiven Zusammenhängen und den verwobenen Figuren drin, dass wenn sie gut sind, du darin Platz hast. Natürlich ist die epische, größenwahnsinnige Erzählung über Leute, die die Galaxis retten, auch spannend, aber Geschichten, die den Alltag nehmen und ihn einfrieren, auf eine nicht so kleine Kleinigkeit darin hinweisen, oder eben Geschichten, die solche Momente des Alltags, solche Kleinigkeiten nehmen, und aus ihnen Blockbuster machen, manchmal einfach unentbehrlich. Diese Geschichten und dieses Gefühl hat kaum eine Platte für mich so perfekt eingefangen wie Boys & Girls in America. Dieses Gefühl ist auch der Grund, warum kaum ein Text über diese Platte ohne Andeutung auf Alkohol auskam. Der macht diese Alltagsentgleisung auch dauernd. Das Schlichte fischt hier auch in Form der fast schon redundanten Rock-Instrumentierung herum, und schafft daraus Epen wie »First Night«, die Bruce sich nie schreiben hätte getraut, und die die Killers nicht mal träumen könnten. Weil Bar, statt Stadion. Weil Firefly, statt Star Wars. Und auch wenn in deutschsprachigen Gefilden bei Sauf-Rock meistens ein anderer Hotelbewohner zuerst genannt wird, ist Craig Finn von amerikanischer Seite mit dieser Platte am nähesten an jenes Glitzern herangekommen, das Zeilen von Thees Uhlmann auslösen können.

Built to Spill - You in Reverse
Als mich beim ersten mal Anhören auf myspace die Minute 7 vom epischen Eröffnungsstück »Goin' Against Your Mind« erreichte, habe ich fast geweint. Es wirkte so irreal, dass diese Band so lange nach ihren Ära-definierenden Großtaten, nach einer etwas fragwürdigen Platte und nach fünf Jahren Pause mit so einem geronnenen Bekenntnis zu ihren alten Stärken, mit so einem breitem Sound zurückkehrt. Ich war überglücklich, denn das war es, was ich heuer von einer Indierock-Platte, geschult durch die vergangenen Jahre, einfach nicht erwarten konnte. Es erwies sich dann zwar auf Albumlänge als nicht ganz so episch, wie es der Opener vorgab, und auch nicht als so fantastisch wie Perfect from Now On und Keep It Like a Secret, aber was übrig blieb reichte allemal, um mich staunen zu machen. Die Platte »scheitert« wirklich nur an ihrem schier unmessbaren geschichtlichen Ballast, an dem Werk der Band. Ich unterschreibe nochmal, was ich einst über »Conventional Wisdom« sagte: Ein perfekter, geradezu wahnsinniger Popsong wird per Gitarrenjam ins Mäandern gezwungen. Dieses Beisammensein von so schwierig zu kombinierenden Rockwelten wird immer den Hörer spalten, weil BTS eben genau diesen Spalt so lieben und so gut kennen. Und dieser Spalt hebt sie (2006 noch immer) vom Rest der Indierock-Welt eben ab. Weswegen You in Reverse (wie alle BTS-Platten) natürlich zeitlos ist, aber halt gerade so, und gerade heuer mehr als nötig war. [mehr]

The Stills - Without Feathers
Eine typische Band für die hinteren Plätze. Durch durch nicht weltbewegend, mit einem sehr feinen Debüt, das traurige Popsongs in bekanntem Gittarengewand präsentierte, und dafür logischerweise übersehen wurde. Zweite Platte, zweite Sprache, zweite Chance. Als ich erstmals »In The Beginning« gehört habe, war ich schon überrascht, wieviel da passiert ist inzwischen. Aber bei Nr. 2 - »The Mountain« - war ich restlos begeistert. Das war nicht mehr dieselbe Band. Das war nicht mehr hinterer Platz. Das war nicht Kanada. Das war jene heimliche Lieblingsplatte, die ich niemandem erklären konnte. Vielleicht wuchs sie deshalb zu so einem Mythos in mir heran, weil sie das war, was für viele Phoenix immer dargestellt haben: Die völlig unerklärbare Liebe zu verteufelt schöner Musik, die witzig, romantisch, idealistisch, völlig übertrieben und immer klug ist. Etwas, was man sich nicht nehmen lassen will. Etwas, was man niemals teilen könnte. Hier sogar noch mehr, da sich diese Platte vehement weigert irgendeine Gemeinsamkeit, irgendeine Party am Dancefloor zu veranstalten. Das hier passiert nur dir. Das hier hat nichts mit der Welt da draußen zu tun. Und so egoistisch wie eine derartige Rezeption anmutet, so traumhaft funktioniert sie auch. [mehr]

...And You Will Know Us by the Trail of Dead - So Divided
Letztens las ich im Stylus: »Stand in Silence« (...) takes a big chunk of Jane's Addiction's »Had a Dad« and converts it into bratty mall-core from 2002. Und ich musste zustimmen. So wie generell die meisten negativen Kritiken zu So Divided meine Zustimmung fanden. Gut geschriebene wie jene im Stylus erst recht. Ich will jetzt nicht wiederholen, warum ich diese Platte nicht mag, warum sie nicht an Worlds Apart herankommt. I'm tired of fighting. Aber die Platzierung deutet schon daraufhin, dass bei all der Aversion, bei all der Enttäuschung immer noch eine Platte da ist, die weit mehr wert ist, als in die Ecke geschmissen zu werden. Auch weil »Stand in Silence« ein geiler bratty mall-core from 2002 ist. Auch weil der Titeltrack witzig die Secret Machines beklaut. Auch weil »Sunken Dreams« eben großartig episch ist. Würde ich mir das Leben (also auch die Rezeption dieser Platte) nicht absichtlich so schwer machen, wäre ich vermutlich deeply begeistert. Schließlich bleibt also nur zu klären, warum mir eine Platte so wichtig war, dass ich mich so sehr bemüht habe, sie so kaputtzukriegen. [mehr]

Hey Willpower - P.D.A.
Das absolute Gegenteil war dann hier am Werk. Überlieferungen meines imaginären Freundes behaupten, dass ich schon beim ersten Anhören von P.D.A. vor Freude Schaum vorm Mund hatte. Angeblich habe ich bei »Not Trippin'« erstmals die grandiose Idee bejubelt, eine derartig unterproduzierte Lo-Fi-R 'n B-Platte zu machen, um dann bei »Double Fantasy« mit absurden Verrenkungen die sexuelle Geladenheit der Tanzfläche zu zelebrieren. Bei »Phenomenon« brach ich dann angeblich in einem theoretischer Backlash mit einem sehr klug klingenden Monolog über Körperkultur und queere DIY-Strategien ein, was dann bei »Magic Window« plötzlich wieder auf der Platte landete. Ich verzweifelte angeblich völlig an der Offenheit mit der hier eigene Partys geschaffen werden. Bei »Uh-Uh-Uh« war dann die Lieblingsmusik so klar da, und so schön umgeformt in etwas, was soulful und knackig und durch und durch grundgut klang, dass ich mich angeblich gar nicht mehr traute das Wort »Geschlechterordnung« oder »gay« in den Mund zu nehmen. Denn der war dann wie gesagt voll vor Freude und Staunen und stammelte nur etwas von wegen »Ich hab doch gar keine imaginären Freunde, die sind ja alle wirklich da...«, bevor er schließlich lechzte nach dem einen Knopf, den so große Platten für's Herz, für den Kopf, für die Party und den ganzen Rest wirklich verdienen: Repeat.

Delbo - Havarien
»Soziologen-Rock« hieß es letztens in der Delbo-Shoutbox auf last.fm. Demgegenüber Selbstdarstellung bei wennsrockt: »Vielleicht so'n Wärmeakku in die Hand legen. Und eine graue Wand, so als Fläche.« Wer daraus sich ne Mitte denken kann, tut schon mal Gutes. Als Delbo mit ihrem Zweitling Innen/Außen mich auf dem falschen Fuß erwischt haben, und »19er Bitte« so ziemlich das spannendste Enigma 2003 für mich war, hätte ich nicht gedacht, dass sie mit einer derartigen Innen-Platte wiederkommen würden. Ich hätte eigentlich gedacht, die gehen jetzt raus. Die erobern jetzt die Welt, holen sich Tobias Levin oder so, und machen einer der erfolgreichsten deutschen Indie-Platten des Jahres. Aber nichts davon ist geschehen. Umfeld-Umwälzung hin oder her, eigentlich hätte auch nichts besseres passieren können, als eine derartig verstörend-grandiose Nachdenkpause wie Havarien. Nicht besseres als »Peroma« oder »Départ«. Nichts besseres als die Gewissheit um die eigene Kaputtheit. Die langsamen Züge, mit denen sich diese Platte Richtung Wut und Dominanz ausdehnt, der verbissene Minimalismus im Komplexen, diese Art zu träumen, es hätte wahrlich nichts besseres passieren können. Und ich bin um ein Enigma reicher, das mich noch lange begleiten und beschäftigen wird.

Nathan Fake - Drowning in a Sea of Love
Auf einem nicht unähnlichen Blatt wie Delbo steht diese Platte, weil sie eine ähnlich kompakte Statik hat, eine ähnliche vertrackte Art ihre Elemente anzuordnen und im Endeffekt auch in eine ähnliche Art Schwebezustand auslöst. Nur geht es hier eben um eine völlig extrovertierte Liebe. Eine Liebe, die mit den vielen Flüssigkeitsassoziationen aber niemals zu einem epischen Klumpen wird. »Klebrig« wäre wohl der passende Aggregatszustand für diese Platte. Und was an Klebrigkeit erinnert, hat durchaus auch was mit Shoegazing zu tun, was aber der Platte, wenn man vorschnell sein will, leicht zum Vorwurf gemacht werden kann, und doch ins Leere zielt. Der Vergleich funktioniert nur auf jener Ebene, die Brian Eno damals über My Bloody Valentine's »Soon« gebracht hat, nämlich »It's the vaguest music ever to have been a hit.«. Und wenn man nun »Hit« wegstreicht und »Love« einsetzt, kommt man ungefähr hin. Aber auch ohne diese Referenz ist Drowning in a Sea of Love ein in seiner nie verklärten Ruhe und Gewagtheit erschütternder und ergreifender Moment des Stehenbleibens, Umsehens und Abtauchens. Wände, die keinen Club umfassen. Romantik auf Trip. Und eine damit einhergehende Einsamkeit, die ich ihr wie gesagt nicht abkaufe. Dafür ist es viel zu sehr eine »Du«-Platte. [mehr]

Snowglobe - Oxytocin
Es erscheint mir völlig lächerlich diese Platte hier zu besprechen, habe ich heuer doch das gesamte, drei Alben umfassende Werk der Band aus Memphis kennengelernt. Und eigentlich verdient es jede der drei Platten massivst gelobt und promoted zu werden. Aber gut, Oxytocin war 2006, und stellt auch schon eine gewisse Sonderstellung für die Band dar (es ist das erste in einer Serie von kommenden Alben, die primär von einzelnen Bandmitgliedern geschrieben wurden), daher die Einzelbehandlung. Also, worum es geht ist jene Sorte langweiligen Indiepops, die euch in der Liste schon gefühlte 40 mal auf die Nerven gegangen ist. Wenn ich könnte, würde ich etwas von »Mercury Rev auf Kollektivismus« labern. Da ich mir aber selbst darunter wirklich nichts vorstellen kann, belasse ich es dabei zu sagen, dass hier eine traumhaft zurückhaltende Songwriting-Tradition gepflegt wird, die in der perfekten Gradwanderung zwischen zu wenig Pop und zu viel Pomp 14 Perlen hervorgebracht hat, die etwas zu groß für Architecture in Helsinki und etwas zu klein für Broken Social Scene sind. Und wenn dann exakt das die größte Stärke der Platte ist, dann müsst ihr euch nur noch in Erinnerung holen, dass es da noch zwei so gute Alben gibt, die entdeckt werden wollen. Denn wer soweit mitgelesen hat, weiß eh, dass Übersehen mittlerweile keine Option mehr darstellt.

Tomte - Buchstaben über der Stadt
Ganz und gar nicht übersehen werden konnte Tomte heuer. Und was soll ich euch noch dazu sagen? Diejenigen, die es beschämend finden, dass ich voll und ganz hinter dieser Platte stehe, lesen diese Zeilen eh nicht. Und die, die selbst voll und ganz hinter dieser Platte stehen, wissen eh um all ihre Schönheit und Imposanz. Deswegen nochmal, nur kurz zur Erinnerung: Du flehst in Telefone | in einer Sprache die niemand spricht | Und seit drei, vier Wochen | erdrückt dich ein Gewicht | Du hast so bitterlich geweint | zwei Meter von mir entfernt | Du hast gesagt, dass die Sonne scheint | für den der sie nicht mehr begehrt | Ich sag die Sonne scheint so oder so | die Wolken entscheiden ob du sie siehst | Man könnte sagen das man das | stärker liebt was man seltener sieht | Du flehst in Telefone |mit zum Himmel gereckter Hand | Ein passionierter Mensch | in einem mediokren Land | Ich habe es gekostet | ich weiß wann es begann | Und ich weiß warum ich hier stehe | ich weiß warum ich hier stand | Nichtsdestotrotz | was für ein wunderschönes Wort | Und da wo ich vor dir stand | was für ein großer Ort | Es bedeutet nichts anderes, | dass man mit allem kämpft auf der ganzen Welt | Nur um einmal hier zu stehen | an einem Punkt an dem einem alles gefällt. Wie diese Platte. Ihr wisst, was ich meine. [mehr]

Dendemann - Die Pfütze des Eisbergs
Und Tomte nicht unähnlich hat Dendemann heuer das vollbracht, wofür wir damals Eins Zwo auch geschätzt haben: Das in-den-Mund-legen. Immer diese Sätze, diese Ideen, diese Witze, die man übernimmt in den eigenen Wortgebrauch. Gleichzeitig eine gewandte, sehr knappe Platte, die nicht mit unerreichbaren Ufern kokettiert, sondern nah dran ist an dir, und dich immer direkt ins Geschehen miteinbezieht. Und das Geschehen ist wie immer ein flottes, Geschehen hat hier nichts mit Passieren zu tun, wir schauen nicht zu. Die Silben, die sich hier so irre an die Beats kleben, regen zur Bewegung an, zum selbst-gestalten, zum Mitmachen. Der Dendemeier – auch wohl eines der erfolgreichsten Comebacks des Jahres – kann's wieder. Die drei Ws (Witz, Wahrheit und Walzer) sind ihm nie zu schwer. Die Leichtigkeit, mit der das hier abläuft, ist sowieso für die lange Zeit, die es brauchte, irre. Denn Dende rapt bis Gott ein DJ ist. War insofern also eh nicht anders zu erwarten. Und bevor ich euch noch mit meinen liebsten Zeilen bombardiere, um die Tätowierungsindustrie zu beleben, belasse ich es lieber bei einem lockeren »Einfach so sensationell!« als Zusammenfassung. Hauptsächlich natürlich, weil ihr selbst entscheiden müsst, womit ihr euren Körper verunstaltet. Und es wird Platzmangel herrschen.
[100-91][90-81][80-71][70-61][60-51][50-41][40-31][30-21][20-11][10-1]

fallobst



06 Platz 3


Xiu Xiu - The Air Force
Die Selbstverständlichkeit mit der Xiu Xiu mittlerweile Jahr für Jahr großartige Alben rausbringen wird sogar mir langsam unheimlich. Die fünfte Großtat in Folge (EPs, Singles, Splits und Livealben nicht eingerechnet) beweist nun hoffentlich, dass der Höhepunkt, der lang erwartete Schlusspunkt in dieser konstanten Aufwärtsbewegung einfach nicht kommen wird. Auch wenn es so wirkt, als ob jedes Album besser als alle vorherigen ist: Xiu Xiu werden wohl niemals ihr »Meisterwerk« haben, ab dem es dann bergab ging. Sondern einfach nur Jahr für Jahr Erschütterungen im Pop-Äther setzen; Jahr für Jahr Schrecken, Verzweiflung, Schmerz und elendigliche Schönheit unter das von Kaugummi beschütze Volk mischen; Jahr für Jahr weiter fragen, weiter Grenzen einreißen, weiter erzählen, weiter leiden. Weil eben diese Dinge niemals aufhören. Just like Xiu Xiu.

The Blood Brothers - Young Machetes
Eigentlich kann ich dazu nichts mehr sagen, hab ich mich mit gewissen Wortwahlen eh schon aller Kritikfähigkeit zu der Platte enthoben. Trotzdem bin ich dankbar, dass dann am Ende mit Alterswerk einem Freund der passende Begriff eingefallen ist, um meine Bedenken zu beschreiben. Die klügste, beste, tollste Blood Brothers Platte aller Zeiten. Zum Verschlucken und Erwürgen. Und trotzdem nicht Top 5, wo sie hingehört. [mehr]

TV on the Radio - Return to Cookie Mountain
Pitchfork, stereogum und Spex. Scheint die ewigzweite Platte heuer zu sein. Nirgendwo auf eins, fast überall in den Top 20. Und als sie anrollte, meinten alle, weil ich die erste verpasst habe würde das meine neue Entdeckung sein. Mindestens Platz 1. Vielleicht wurde das nicht so groß wie erwartet, weil alle meinten, das wäre mein großes Ding. Aber ich verstehe irgendwo, warum diese Platte mich umhauen sollte, ich versteh es in ihren stärksten Momenten (an denen sie auch etwas zerbricht), beim überirdischen »Wolf Like Me« und beim heimlichen Lieblingslied »A Method«. Ich will den Rest genial finden. Aber landen tu ich irgendwo zwischen hervorragend und großartig.

Peaches - Impeach My Bush
Dass sich Peaches nach dem enttäuschenden Fatherfucker auf ihrer dritten Platte so selbstbewusst und klug ihrer eigenen Angriffsfläche und Position stellt, hätte wohl niemand erwartet. Und zwar eben nicht in einem diversifizierenden Wegentwickeln und einem drückenden Bekenntnis zur Unverständlichkeit, nein, Peaches macht ihre Rehabilitierungsplatte, indem sie mehr Peaches than ever und somit näher dran an der Angriffsfläche (und ihrem Geist namens »Klischee«) ist, als es ihren Kritikern (und Ghostbusters) wohl lieb ist. Trotz der Öffnung, der Ich-lade-meine-Freunde-ein-Attitüde, ist diese Platte etwa 6 Jahre nach Erfindung dieser irren Selbstbewusstheit ihre wohl stärkste Aussage. Und die Aussage ist immer noch ganz im Sinne von Performativität mehr Handlung, als Bedeutung. Welche, das erklärt sich von selbst. Im Bett, in der Politik und am Dancefloor.

Islands - Return To The Sea
Nein, ich hab die Unicorns nicht gemocht. Für mich Hinweis genug darauf, wie anders dieses kleine Juwel ist. Allein wenn am Anfang »Swans (Life After Death)« neuneinhalb Minuten lang träumt und träumt, und sich am Ende endlich in diesem, ähem... »netten« Akkord wegträumt, dann ist schon alles erreicht. Trotzdem hat man dann noch genug von diesem ganzen Zirkus, diesem verspielten Melodienherumtürmen, dieser Kanadigkeit zu erspüren, dass es wirklich niemals durchschnittlich wird. Es bleibt irgendwie ein (für viele wohl trauriges) Beispiel, dass sich Querschädel durchaus dem Popsong zuwenden können, ohne Platzhalter für rein gar nichts oder Gemeinplätze abzuliefern. Denn den Scheiß könnte man von nun an vielleicht ex-negativo definieren – anhand von Return To The Sea. Ja, so eine Platte ist das.

Snow Patrol - Eyes Open
Okay, »You're All I Have« kann ich nicht mehr hören, aber den Rest dafür umso mehr. Bei »Chasing Cars« richtig das Stadion hören. Bei »Set the Fire to the Third Bar« richtig Martha Wainwright hören. Bei »Hands Open« richtig laut hören. Ich liebe diese Band für diese bescheuerte Idee nochmal was so bescheuert schönes wie Final Straw aufzunehmen. Ich liebe sie dafür, die größte, beste und bedeutendste Lo-Fi-Band der Hitparaden zu sein. Ich liebe sie dafür, dass sie mit jeder verkauften Single für Lou Barlow Werbung machen. Ich liebe sie dafür, dass sie die Chance gepackt haben, und trotzdem Lieblingsplatten für mich machen, wie Death Cab for Cutie. Ich liebes sie dafür, dass sie tausendmal wichtiger und besser sind als alles was Coldplay, Keane, Oasis, Muse oder die Killers machen. Und ums wichtiger-sein geht’s doch bei Jahresendlisten.

Klez.E - Flimmern
»"Strandlied" und "Tag im Fall" bringen sogar eine Überzeugung zurück, die bisher nur das weiße Album von Tocotronic auzulösen im Stande war: Das Aus-sich-Heraustreten und das ganz und gar lautlose Verschwinden sind gewissenhaft zu prüfende Lebensoptionen.« (Jan Wigger @ spon) Okay, wenn ich nun sage, dass ich sowohl die weiße der Tocos, als auch Jan Wigger (der Flimmern gar zu den Alben des Jahres zählt) nicht mag, und das oben gesagte trotzdem die Besonderheit dieser Platte super einfängt, glaubt ihr mir das nicht, oder? Egal. Dieses fragile Stück unterschätzter Popmusik wird trotz aller Radiohead- und Notwist-Vergleiche irgendwann zum Worst Case Scenario der deutschsprachigen Nullziger werden. Und ihr könnt gar nichts dagegen machen.

Aberdeen City - The Freezing Atlantic
Ganz und gar nicht meine Baustelle, irgendwelche Interstrokes-Kinder. Aber seit »God Is Going to Get Sick of Me« mir das erste mal seine Refrain-Droge verabreichte, war ich erledigt. Und es ist ja nichtmal so, dass das eine typische Indierock-Platte ist, die »mehr als einen Hit« hat, no way, ich würde bei dem sterilen Klima, bei dieser düsteren Unverfangenheit, diesem Misstrauen, das hier herrscht eher soweit gehen zu sagen, diese Platte lebt – wie nur wenige Gitarrenplatten – zwischen den Songs, sie lebt in der Konnotation, im Gemeinten, nicht im Gesagten, sie verschwindet immer und immer wieder vor deinen Augen, denn sie lebt davon, keinen einzigen Hit zu haben. Und das bedeutet mir sehr viel. [mehr]

Scissor Sisters - Ta-Dah
Langsam komme ich in die Phase, wo die Willkür einer Liste explizit wird. Denn Ta-Dah ist eine Platte, für die es Platte-des-Jahres-Tagesverfassungen gibt. Als jemand, der das Debüt verschlafen hat, war das hier eben meine albern schöne Sommerplatte 2006. Auch wegen der Eigenart, wie sie sich der unbedingten Tanzfläche von »Comfortably Numb« entzieht, z.B. auf der Bonus-Disc, die mit »Transistor« das wohl beste, äh... Mike Patton-Stück seit Mike Patton drauf hat. Dieses immer wieder wegbrechen ist für einen Chartserfolg so untrivial wie in dem Fall selbstverständlich. Die schiere Fülle an Schönheit, die hier eigentlich in nichts und wieder nichts gebuttert wird, liefert den nötigen Rest für Hits, die mit Liebe so verschwenderisch umgehen, wie ihre Schaffer mit musikalischen Ideen. Mehr als nur großes Kino.

The Roots - Game Theory
Das hier hat Weile gebraucht. Vor allem auch weil mit The Tipping Point eine böse Messlatte vorlag. Aber nachdem ich einsah, dass auf der Hit-Ebene (die bei den Roots spätestens seit Things Fall Apart irren Stellenwert hat) »Don't Feel Right« nicht schlechter, sondern anders als »Don't Say Nuthin« wirkt, konnte ich auch den Rest beruhigt als ihr Kid A ansehen: Düster, erwachsen und ambitioniert. Nach der Party (welch Zufall, dass die Scherenschwestern genau drüber sind) kommt zwar nicht zwingend die Moralkeule, aber etwas nachdenken ist immer erlaubt und oft verpflichtend: »2006 called for a very serious record« sagte ?uestlove dazu. Wie gut das technisch funktioniert, und wie plastisch es sich anfühlen kann sieht man dann bei monolithischen Killern wie »In the Music«, »Long Time« oder – und vor allem – bei »Here I Come«. Wie es in der Spex so schön hieß: Game not over (yet)!
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06 Platz 4


Lily Allen - Allright, Still
»Smile« konnte mich nie wirklich überzeugen. »LDN« und »Everything's Just Wonderful« schon, Fahrradfahren und Lachen, eh die zentralsten Elemente jedes vernünftigen Lebens. Zu dem Manie (»Knock 'em Out«) und Verarsche (»Alfie«). Wer braucht da noch Drogen, Kraft und Exzess? Grad wo die Platte ja deutlich zu den tanzbarsten des Jahres zählt? Und nein, ich hab's mir überlegt, aber das hier hat rein gar nichts mit Alanis Morrisette zu tun.

The Thermals - The Body, The Blood, The Machine
Auch wenn »A Pillar of Salt« immer noch alles überstrahlt, ist dies das erste Thermals-Album. Und kaum haben sie gelernt, wie man wirklich zehn Knaller auf eine Scheibe packt, bin ich auch voll mit dabei. »Here's Your Future« zum Frühstück, gegen Mittag herum »I Might Need You to Kill« und am Aben erkennt man dann bei »Test Pattern« was der ganze Scheiß soll: Balladen! Herrgott, es geht um drogengetränkte Balladen! Endlich!

Infadels - We Are Not The Infadels
Ich kann und will mich nicht für diese so durchschaubare, so unwitzige und uncharmante Danceflooridee rechtfertigen. Ich finde das einfach gelungen, gelungen im Hit, gelungen in den traurigen Momenten (»Stories From the Bar«! Jetzt schon Evergreen!), gelungen in dem, was der Herr als Stimme von sich gibt, denn der kann echt singen, und gelungen als bester New Order-Moment 2006 bei »Girl That Speaks No Words«. Wäre ihr famoses »Steady, as She Goes«-Cover noch drauf, wäre das ein Anwärter auf die Top 20.

Guillemots - Through the Windowpane
Wisst ihr, was 2006 mein größtes Problem war? Platten, die am Hit scheiterten. Also einen zu großen Hit drauf hatten, und wo die Platte ohne diesen Hit um Meilen besser geworden wäre. Das hier wäre ein Anwärter auf die Platte des Jahres, wenn da nicht ... nein, ich meine weder »Made Up Lovesong #43« noch »Trains to Brazil«, ich meine »Sao Paulo«, das 12-Minütige Überepos am Ende. Nicht, dass es ansatzweise das Gewollte (BSS' »It's All Gonna Break«) erreichen könnte, denn dieses schöne Scheitern ist in solchen Monstern eh eingeschrieben. Aber es ist einfach ein viel zu guter Endpunkt. Ohne diese Nummer, ist Through the Windowpane fantastisch. Mit ihr leider nur Durchschnitt unter den verdammt guten Platten, weil selbiger zwischen den Songs eben eine Kunst ist bei Alben. Gleichgewicht. Wenn die das beim Zweitling hinkriegen, wird das ein Meilenstein.

You Say Party! We Say Die! - Hit The Floor!
[selbstbetrug]Ihr, geschätzte Freunde der ewig-genialischen Singer/Songwriterkunst, also ihr... ihr kennt das Gefühl, in der Bim euch die Kapuze rüberziehen zu wollen, und euch ganz tief und allein in die Kopfhörer heineinzukuscheln, ob diesem oder jenem fantastischen Song-Mittelteil, dieser einen, alles verändernden Zeile oder einem leichten Seufzer einer Harfe, Ukulele oder Oboe, da hinten im vorletzten Akkord. Okay, hier ist eine Punkrock-Platte, die klingt als ob sie von 12-jährigen gemacht wurde, und die so ziemlich der unklügste Scheiß am Markt ist, und die genau DAS kann.[/selbstbetrug]

Dappled Cities Fly - Granddance
Ich würd ja gern wissen, wie sich die so lange verstecken konnten, aber Australien ist ja auch fast die Antipode zu Austrien. Also: Weit mehr als ein One-Hit-Wonder. »Holy Chord« ist zwar echt Weltklasse, aber dieses »Work It Out«-Stolpern, diese »Fire Fire Fire«-Ruhigkeit, da gibt’s genug zum an-, aus-, und verklammern. Eine der Platten, die am Überhit nicht scheitern. Und einer der vielen, guten (und naja, doch auch irgendwie übersehenen) Indiepoprock-Dinger. Somit einer der Gründe, lauthals »Stilundiversifizität!« zu rufen. Ja, eh. Ja, trotzdem.

Kano - Home Sweet Home
Ich erinner an Herrn .txt, einen jener Menschen die schon letztes Jahr Kano so abfeierten, dass er sogar bei unserer Jahresliste auf Platz 22 landete. Tja, ich konnte nicht früher, aber für mich stand Hip Hop eben 2006 stark im Zeichen des Londoner Wunderkindes. Versteht dies also als Aufforderung, all ihr, die ihr euch sogar bis heute dieser Platte entzogen habt. Ich bin wohl die beschämte letzte Mahnung.

Annuals - Be He Me
Fangt bei »Bull, and the Goat«, dieser irre beschwingten Happy Hour-Hymne an, arbeitet euch weiter bis zum Badewanne-Soundtrack »Dry Clothes«, dann ein kleiner Abstecher zum verspielten Gefiepse von »Carry Around«, und wer dann noch immer nicht überzeugt ist, der braucht wohl wirklich den Oberhit »Brother«. Und dann dürfte alles klar sein. Dieses Debüt erzeugte ungefähr die Freude heuer, die letztes Jahr In Case We Die gehörte.

Monochrome - Éclat
Eigentlich macht hier schon beim Opener »Zweibruch« diese gut gemeinte Energie klar, dass das Éclat was besonderes ist. Für wütende, traurige, lächerliche Stunden, egal. Irgendwer nannte hierzu mal Robocop Kraus und Stars als Eckpunkte. Kann zwar in die Irre führen, fasst aber in den besten Momenten schon die zwingende Rock-Eleganz mit dem Willen zu epischer Schönheit gut zusammen. Fast explizit stellt diese Platte klar, dass die Ordnung, die sie erklären könnte, (noch) nicht existiert.

Tchi - stehen stolpern
Tobias Siebert, die zweite. Als er beim Klez.E-Gig im Shelter meinte, wir sollen alle deutschen Platten wegwerfen, und stattdessen Tchi hören, haben wohl die meisten gelacht. Diese Übertreibung liegt in der Natur dieser Platte, die immer mehr will als sie eigentlich kann, und mehr schafft, als sie eigentlich dürfte. Selten hat - ich nenn das jetzt mal so - »Mismatch« als Konzept deutschsprachiger Rockplatten so gut funktioniert. Und ja, ich weiß, dass ihr das alle nicht glauben und hören wollt. Bitte. Es wird euer Schaden sein. [mehr]
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06 Platz 5


Scritti Politti - White Bread, Black Bear
Dass ich hier mal reinfallen werde, war mir klar seit diesem mysteriösem Hit von damals mit dem Namen »Tinseltown To The Boogiedown«. Aber dass es dann gar so fantastisch werden würde, so zart, so verliebt, so erfolgreich wie das hier, war mir nicht klar. Umarmen. Alles gute wünschen. Den Mercury vergessen. Sanft einschlafen. Songs spüren. Jamie Lidell überwinden. Und irgendwo drin steckt the beat of my life.

Tapes 'n Tapes - The Loon
Don't buzz me, cause I'll buzz you. Jo eh. Indierock und so. Indienet und so. Alles sauber. Auch wenn ich ja eigentlich da nicht wirklich mitwollte, ist die Platte tatsächlich klasse. Nicht paradiesisch, nicht von Blogs kaputtzukriegen, und nichts Pixies-artiges, aber Pavement geht in Ordnung, und am Ende, wenn Wolf Parade (nicht Arcade Fire) aus den Trümmern erscheint, ist der Kram eh unsterblich geworden.

Hot Chip - The Warning
Konsensplatte schlechthin. Verdient schlechthin. Anfangs überstrahlte ja »Boy From School« meine gesamte Rezeption, und die Platte drohte an dem Hit zugrundezugehen, aber Grower galore, es wurde alles gerettet. Was für diese Musik wohl auch gilt. Das war wohl Indie 2006 (und so stell ich mir die damalige Wirkung von Postal Service vor). Dieses immer-wieder-auflächeln, wenn man dran denkt, wenn es im Club höllt, wenn es im Kopfhörer des Unbekannten aus der Bim läuft, und du die geschaffenen Wunder an seinen Gesichtsmuskeln detailgenau verfolgen kannst. Das können eben nur sehr wenige Platten.

Jason Collett - Idols of Exile
Ganz abgesehen von Bandtreue: Wahrlich ein toller Zweitling vom Herrn Collett. »I'll Bring The Sun«, ach, wie macht man das? Unsterblich die Erinnerung daran, wie crazy Feist am Schlagzeug zu diesem Lied abging. Und wenn man dieses Monster mal verdaut hat, bleibt man erst Recht bei »Hangover Days« und »We All Lose One Another« hängen. Und im Jahresverlauf nahm diese Platte jene Position ein, die ich letztes Jahr so sehr vermisst habe, weil ich Ben Lees Awake Is the New Sleep verpasst habe. Jetzt ist alles wieder in Ordnung.

Chad VanGaalen - Skelliconnection
Als Chad zum eigenen Vergnügen 2004 in seinem Schlafzimmer das erschütternde Infiniheart aufnahm, konnte er sich diese Momente zwischen andächtigem Schließen der Augen und dem rot unterlaufenen Glitzern der Wut sehr persönlich leisten. »Leider« wurde er entdeckt. Und hat nun auf Sub Pop seinen Zweitling herausgebracht, und die Welt beginnt langsam seine Wut für seine Augen zu halten und umgekehrt. Da drüben am durchstarten, hier bei uns kein Wörtchen zu finden. Eine jener Platten, weswegen ich diese Liste mache. Ich hätte Lust, einen unschlagbaren Indie-Songwriter-Referenzpol aus Chad zu machen, den man in 10 Jahren kaum versteht, aber wohl unwissend schlucken muss. Sowas, was heute Yo La Tengo sind. Nur halt kanadischer.

Oxford Collapse - Remember the Night Parties
Eine große Überraschung. Sind die alten Alben auch alle so irre? Muss ja nicht sein, dass Sub Pop allein für die klassisch-schräge Indierock-Auffassung hier verantwortlich ist. Durch und durch: Ein Spaß. Und auch man wenn anfangs mit »Please Visit Our National Parks« denkt, das ganze Pulver abgekriegt zu haben, wird diese Platte erst gegen Ende hin richtig monströs. Also locker monströs, nicht monströs monströs. Hit-monströs, nicht Nerd-monströs. Und dafür lieben wir Gitarrenplatten doch an sich, oder?

Junior Boys - So This Is Goodbye
Seele muss man eben haben, wenn's kalt ist. Ob und inwiefern dies hier nun besser ist als der von mir völlig übersehene Vorgänger Last Exit, ist mir noch nicht klar, aber für einen Sommer schönes Fühlen konnte sich diese Platte immerhin verantwortlich zeigen. Athmo statt Holpern, und so. Eine schöne Kälte, die an Kanada, Reisen und absurde Discos erinnert. Und wenn dann das Konzert so betont, dass diese Platte Band statt Laptop ist, dann ist so eine Kälte nicht selbstverständlich. Und umso schöner.

The Rapture - Pieces Of The People We Love
Deutlich wärmer ging es beim Tanzen zu dem hier zu. Anfangs noch von mir abschätzig mit »Ja eh« abgeschmettert, wuchs das schon zu nem formidablen Liebling heran. Pluspunkt ist hier wohl, dass es tatsächlich keinen herausragenden Hit hat, das wäre ihr Tod gewesen. Aber so sitzt das ganze in einem cool-protzigen Sumpf, der im Endeffekt nur selten an die fürchterlichen Aussagen in Interviews erinnert, wie z.B. dieses wir-haben-das-schon-anders-weil-für-große-Stadien-geschrieben. Nevermind, wenn daraus so geile Scheiße wird.

Sunset Rubdown - Shut Up I Am Dreaming & Destroyer - Destroyer's Rubies
Swan Lake enttäuschten vielleicht auch weil diese Platten schon alles richtig gemacht haben, was den Anschein erweckte schief zu gehen. Der große Unterschied zu Beast Moans ist wohl, dass diese träumerischen Spinnereien dicht nicht zum grübeln, nachdenken, verdauen zwingen, sondern nur freundlich dazu einladen. Und gerade gemeinsam erwecken diese zwei Platten den Eindruck so viel machen zu können, so viel im spaßvollem Spiel untereinander verheimlichen und wünschen zu dürfen, dass ich mich frage, warum eine Kollaboration überhaupt nötig war. Oder vielleicht hat einfach nur Carey Mercer alles versaut?

The Streets - The Hardest Way To Make An Easy Living
Nichts versaut hat Herr Skinner mit seiner dritten. Hätte auch deutlich schlimmer ausgehen können, nach der bereits schwachen zweiten. Aber hier sitzt wieder alles richtig, und tanzt sich eigenartig und fühlt sich blöd an und macht eben alles, was man von so einer Streets-Platte haben will. The fine art of being famous wird hier mal elegant in eine Popscheibe gegossen, die halt eben außer Witz auch die Erinnerung in sich birgt, dass Blur nach Parklife nur erfolgreicher, nicht schlechter wurden.
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06 Platz 6


The Essex Green - Cannibal Sea
Trotz Brooklyn als Basis (und etlichen sehr amerikanischen Pop-Wurzeln) fällt oftmals Hidden Cameras oder New Pornographers in dem Kontext. Nicht ganz verständlich, aber gut: Eine präzise Indiepoprock-Aufarbeitung mit sehr direkt erfassenden Songs und wunderbaren Stimmen kann schon an fröstelnden Norden erinnern. Betrunken habe ich dieses Album tatsächlich mal mit Belle & Sebastian verwechselt. Alkoholgetränkte Elephant Twee-Eleganz auf Merge, wenn das mal nichts ist.

Ellen Allien & Apparat - Orchestra of Bubbles
»während apparat bisher für eine algorithmen-basierte Ästhetik stand und ellen allien die möglichen höhen und tiefen des dancefloors auch in der breite auslotete, wird sich in der gemeinsamen produktion an einem prinzip versucht, dem sich elektronische musik seit dem beginn verschrieben hat und das nun einfach anders buchstabiert wird: kontingenz.« Wie schön, dass gerade Begegnung, das Aufeinadertreffen an sich mittels der doppelten Kontingenz zu so einem sozialen Problem wird. Umso schöner ist es, wenn solche Platten dann zeigen, wie gut sich solche Probleme lösen lassen. Wie wichtig Begegnung sein kann.

Justin Timberlake - FutureSex/LoveSounds
Wie zwingend der das kann, das war halt in hochkonzertrierter Form in »SexyBack« und »My Love« zu finden. Heilige Scheiße. Was den Rest anbelangt, war anfangs eine deutliche Unzufriedenheit am Herrschen. Zu ausgefasert, zu lang, zu gnagnagna. Das wich dann, als mich einmal »Losing My Way« völlig unerwartet aufjauchzen ließ und direkt im Anschluss »What Goes Around...« zum Heulen brachte. Und nein: Es war nicht umgekehrt. Absurde Geschichte. Und die schreiben bekanntlich die besten Alben.

Amy Millan - Honey From The Tombs
Puuh, das hätte deutlicher schiefer gehen können. Voll in Ordnung. Das erwartete Meisterwerk konnte es gar nicht werden. Andererseits fallen mir unendlich viele Soloplatten derartig geliebter Bandmitglieder ein, die way schlimmer als das hier sind. Also, Hut ab, Amy. Schade, dass du mein liebstes Stück, »Baby, I«, nicht selbst geschrieben hast. Und hoffentlich steigen dir die Solo-Chartserfolge nicht zu Kopf, da gibt es noch ein paar Bands, die du retten musst.

Tilly and the Wall - Wild Like Children/Bottoms of Barrels
Weil das 04-er Wild Like Children erst heuer in meine Hände fiel, und dann gleich mit der neuen, leider etwas abschwächelnden Bottoms of Barrels quasi abgelöst wurde, hier beide zusammen. Zwei solide Platten, mit ihrem Stepptänzer-Charm und einem Songwriting-Feeeeeeling, das mir irgendwie gar nicht nach Omaha passt, aber trotzdem dort irgendwie Herrn Oberst verrückt macht. Was soll's, auch die besten Platten haben furchtbare Fans. Allerdings: Auch die besten Platten mögen es nicht, allzu oft wiederholt zu werden. Der dritte Streich muss jetzt schon etwas Bewegung ins traute Indie-Glück bringen.

The Album Leaf - Into The Blue Again
Nach In a Safe Place war das ja nicht so klar, ob er an dem Album zerbricht oder gewinnt. Das war schon nah dran an allem, was aus der Idee dieses Indiepostrockotronica-Projekts rauszuholen ist. Nah dran. Nicht, dass nun mit Into the Blue Again sein krönendes Meisterwerk gelungen wäre, Luft nach oben ist noch immer. Aber der Jimmy weiß nun, wie man geschickte Platten machen muss. Vom Wunderkind zum Schlitzohr.

The Hidden Cameras - Awoo
Langsam macht sich Nervosität breit. Die Zahlen neben den Platten wirken schon so absurd hoch. Weil ja alles bereits wirklich verdammt gute Musik ist. Und trotzdem nicht mal Top 50. Well, kein Meisterwerk, weil etwas stagnativ, und im Vergangenheitsspielchen halt schon etwas überbemesslattet, aber meinegüte... wer will schon Fortschrittshörigkeit. Der Titeltrack pfeift noch immer in meinem Ohr. Ausdauer ist wohl das Schlüsselwort.

Belle and Sebastian - The Life Pursuit
Ihr erfolgreichstes Album. Sogar in Ö Platz 60 in den Charts. Und ich hab natürlich wieder mal keine geschichtliche Einordnung. Trotzdem hab ich ihr erstes Österreich-Konzert gesehen, und murmelte bei dem, was ich später als »Funny Little Frog« identifizieren sollte, völlig ehrfürchtig etwas von »ja, so macht man das«, und Freunde berichten, ich hätte noch Tage später das, was ich später als »The Blues Are Still Blue« identifizieren sollte, gesummt. Und sowas ist immer ein gutes Zeichen.

Sonic Youth - Rather Ripped
Jetzt noch eine Popsong-Scheibe von Sonic Youth? Ohne O'Rourke und noch dazu das Ende der Geffen-Ära? Ja, und warum genau nicht? »Sleepin' Around«, »What a Waste«, »Incinerate«. Hölle. Kim singt viel und gute Songs, die catchy, aber unpeinlich, und nervig, aber nicht fad sind. Ja, Zustimmung zu Pitchforks »her best work since "Kissibility" and "Kool Thing"«. Und die Erinnerung muss ne Platte mal ausgraben können. Süße Sensation, schöne Physik.

Die Sterne - Räuber und Gedärm
Knapp vor den Top 50 noch eine Versöhnungsplatte. Wie uninteressant die letzten Jahre der Sterne waren, habt ihr ja eh alle selber mitgekriegt. Und grad wenn es mit Das Weltall ist zu weit nicht mehr schlimmer kommen konnte, kommt die Wende. Mit Schirm, Charme und Grashalm. Der letztjährigen Tocotronic nicht unähnlich, macht hier Neuerfindung Spaß und Recht. Man fragt sich, woher sie den Witz und die Bassläufe nehmen, wenn sie sie schon mal verloren haben. Und vielleicht kommen Witz und Bass genau deshalb so herrlich schief zusammen, weil sie sich verloren haben. Also eine herrliche Selbstzerstörung, die gute Asche für einen organische eigene Wiedergeburt geliefert hat. So wie es sein sollte.
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grad in dem alles-was-du-finden-kannst-mode


The first track, M Pupille, is previously unreleased, though it's easily as strong as anything on the album.

06 Platz 7


Loose Fur - Born Again in the USA
Hab ich nicht so gut erwartet, ehrlich. Swan Lanke nicht unähnlich war das selbstbetitelte Debüt der Herrn Tweedy, Kotche und O'Rourke eine zu zerfahrene Supergroup-Platte, die sich nicht entscheiden wollte, warum sie jetzt unbedingt drei Supertalente brauchte, um geschrieben zu werden. Dieses Problem ist nun weg. Born Again... ist in seiner zurückhaltenden Art deutlich sicherer, ergeht in dieser für Supergroup essentiellen Balance aus Respekt und Draufschiss den beteiligten Biografien gegenüber und vermittelt am Ende deutlich mehr als nur das Gefühl eine Supergroup-Platte gehört zu haben. And that's the point.

Trentemøller - The Last Resort
Das lag vermutlich am falschen Zeitpunkt. Für die schleifenden Dämonen, den Prinzen der Dunkelheit und dieses manchmal zu intensiv gedachte Fühlen war ich zur Zeit, als die Platte hier in meinem Zimmer lief, deutlich nicht in der richtigen Laune. Was jetzt mehr über meine Kritikfähigkeit sagt, als über die Güte und Ungüte der Platte, aber dennoch. Ich wollte Ballern hören, wo Balladen waren. Nach etwa einem Monat flehen dann die versöhnliche Endnote: Die Stimmung, die mir dieses Album erschließen könnte, wird es eh nie geben. Und das wiederum... macht es zu was besonderem.

Jan Delay - Mercedes-Dance
Locker, so muss es sein. Locker, und nicht zu witzig. Darin hat Jan Delay immer schon seine besten Momente gefunden. Gut zu wissen, dass mit Mercedes-Dance eine neue Idee der Lockerheit möglich wurde. Kleinstadtkartofelln, Udo Lindeberg im Arsch und Gasthäuser zum lachelnden Stalin. Und herrlich unmonströs, das. Wenn ich wüsste, was Funk ist, würde ich es vielleicht für ein Meisterwerk halten, oder?

Midlake - The Trials of Van Occupanther
Bamnan and Silvercork gehört. »Okay« gesagt. Live gesehen am Immergut. »Okay« gesagt. Die neue gehört. Etwas unverständliches gesagt. Das hier klingt alt, klug und sehr... alt. Aber nevertheless sind die Texaner bei Bella Union gelandet, haben ihre sehr unalten Synthies vom Debüt rübergerettet und eine feine Folk-Pop-Platte aufgenommen, die düster wie so mancher Album Leaf-Moment und gleichzeitig beschwingend wie eine Arcade Fire-Coverband wirken kann. Nicht böse gemeint, denn tolle Platte.

Howling Bells - Howling Bells
Nochmal Bella Union. England, aber sehr unenglisch irgendwie. Keine Stadt (Wüsten und Roadmovies passen hier deutlich besser), keine Party (gefüllte Gläser sind die besten Freunde), keine Freunde (australische Isolation – abgesehen von Nick Caves Köter, der manchmal hineinbellt). Und trotzdem NME-Hype. Well, wenn man's sich verbessern kann. Anyway: Eine der schönsten Platten, die heuer versucht haben das Konzept »Unhektik« neu zu definieren.

Ms. John Soda - Notes And The Like
Lange bin ich ihnen erfolgreich aus dem Weg gegangen, der Stefanie Böhm und dem Micha Acher. Ungewollt, versteht sich. Aber damnit, Schönheit, das ist immer so ein ausgefuchstes Ding, immer so schelmisch im Erwischen und so schwer zu widerlegen, manchmal. Hier erst Recht, ist dieser Zweitling doch eine dieser typischen sich dem Pop öffnende Fortsetzungen, die plötzlich mit so Zaubertricks wie Refrains jonglieren können, und dich in Nullkommanix dazu bringen »Was für ein Song!« zu denken. Und dann sagt die Platte »Ätsch!«, und du denkst dir »Nicht schon wieder!« und ihr werdet Freunde.

Serena-Maneesh - Serena-Maneesh
Norweger! Huch! Gar kein TSOOL-Nebenprojekt! Oder doch, nur man weiß es nicht? Wurscht, ich will mehr von diesem Psycheshoedelicgazing. Will mehr so würdevollen Exzess. Passt übrigens super auf die Archie Bronson Outfit drauf, auch wenn hier deutlich mehr Drogen im Spiel sind. Muss man aber nicht stoned erleben, weil hier das Glitzern in der Luft auch von selbst kommt. Kind of übersehen, auch. Was ob der hier gebotenen wilden Lautstärke mehr als verwunderlich ist.

Final Fantasy - He Poos Clouds
Nönö, ich bin wirklich nicht enttäuscht. Klar: Die Überraschung von damals fehlt, aber Owen Pallet kann noch immer fantastische Platten machen. Allein für »Many Lives -> 49 MP« gehört das hier gekauft. Niemals verzeihen werd ich ihm natürlich, dass diese Platte Malajube den Polaris Music Prize weggenommen hat; ich mein, ehrlich: Wozu könnte Owen schon 20.000 Dollar brauchen? Eben.

The Black Neon - Arts & Crafts
Deutlich spannender als Ratatats Selbstwiederholung heuer war diese popelektronische Songwritinggeschichte auf Memphis Indutries. Für krautige Air-Fans, puristische Wahlberlondoner und altkluge Pink Bowie-Suizidler. Den Job dieser Platte haben sich letztes Jahr z.B. die Earlies und die Kills geteilt. Und heuer standen Radio Dept. mit ihrem neuen Werk deutlich zu dämlich am Straßenrand, während Arts & Crafts psycho-chillig, aber drogenfrei Zuckerwatte um das Weltall sponn.

The Dears - Gang of Losers
Eine der größten Enttäuschungen heuer. No Cities Left, ich kann's nur hundertmal betonen, war ein mittelschweres Meisterwerk. Und nun kam halt eine ausgelassene Rockplatte, die aber halt zu jenen gehörte, die den bisherigen Schwebezustand nicht in die Ekstase retten konnten. Ist ja auch irre schwer. Nevertheless, wenn man die Opulenz und etwas ungelunge Produktion wegkürzt, bleiben natürlich schon ein Paar Klassiker als Songs übrig, auch weit jenseits der Single »Ticket to Immorality«. Also: Schade, aber toll.
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