Samstag, 31. Dezember 2005

37 - 24


The Arcade Fire - The Arcade Fire
Ja, Ausnahme Nr. 2. Und diese hier ist sogar eine Wiederveröffentlichung von der 2003-Demo, also falscher geht's gar nicht mehr. Doch diese EP hier hat eben eine Sonderstellung, weil sie (noch dazu im selben Jahr, quasi im Anschluss) beweist, dass "Funeral" eben keine Eintagsfliege war. Hätte es "Funeral" nicht gegeben, wäre das hier schon eine Offenbarung gewesen. Wir sind gespannt wie die Geschichte weiter geht. *

Cass McCombs - PREfection
Da es Adam Green knapp nicht in die Top 50 geschafft hat, muss dieser junge, vom ehrenwerte Hr. Peel sehr geschätzte Mann für die verstiegen-elegante Anti-Folk-Songwriterpartie herhalten. Geschwärzte Texte im Booklet, unzügelbarer Humor, augenzwinkernde Songs, die Smiths-Fans um Kopf und Kragen bringen, und die nötige Portion Ironie waren der Soundtrack zum Lachen. I'm looking forward to looking backward. *

Gravenhurst - Fires In Distant Buildings
Es bleibt dabei, was ich hier schrieb. Eine ganz und gar introvertierte Geschichte ist dieses Album. Fast meint man Unanstäniges zu tun, lauscht man gebannt-voyeuristisch den teils nur angedeuteten Geschichten Nick Talbots. Die Lieblingssongs wechseln ständig, zur Zeit ist es »Cities Beneath The Sea«. Bitte noch reinhören, bevor die Platte in ein, zwei Monaten im Wust fröhlicher Frühjahrsplatten unterzugehen droht. *

Wolf Parade - Apologies To The Queen Mary
Was tat es nicht weh. Das Album der Arcade Fire-Vorband-Gründungsmythologen heulte und brach, kanadisch-roh, völlig ungeschliffen und kaputt durch unsere Herzen und hinterließ Hits ("Shine A Light", "You Are A Runner...") wie auch kaum überschaubare Emotions-Orkane ("I'll Believe In Anything"). Und wie kann diese Stimme nur so wehtun? Kann das mal wer kurz erklären?

Egoexpress - Hot Wire My Heart
Wer sich (wahrscheinlich zu Recht) über den inflationären Gebrauch des Wortes »schön« in dieser Top50 ärgert, wird froh sein, hier endlich mal von dem genauen Gegenteilzu lesen. »Hot Wire My Heart« ist nämlich alles andere, aber nicht schön. Hässlich-kratzende Sythies, Bässe, die zwar tief aber nicht (kanoesk-)deep sondern lustig vor sich hin knartzend sind, Gameboy-Gedudel und kaputte Töne geben den Takt an. Ein Wahnsinn das und durchaus zum -Aus-der-Haut-tanzend.

Art Brut - Bang Bang Rock ‘n Roll
Eigentlich passt der Brit-Hype hier gar nicht. Art Brut sind mehr Punk als Rock, im Zweifelsfall eher dreckig als poppig und trotz eingängiger Melodien alles andere als Easy Rock Listening. Man kann sich darüber streiten, ob die explizite Absage an jegliche Ironie nun nicht auch wieder Ironie ist, ob der plakativ vor sich hergetragene ROCK nicht auch gleichzeitig eine Grabesrede desselben ist. Man muss das aber nicht, und kann einfach nur ein paar heftig runtergeschnodderte Songs mitgröhlen, sich Bierüber den Kopf schütten und so tun, als sei Rock tatsächlich noch lebendig. Funktioniert mit dieser Band erstaunlich gut.

Xiu Xiu - La Forêt
Jamie Stewart macht die eigentlich beste Platte seiner Karriere, und keinen kümmerts? Bist du deppert, was für riesige Flächen hier die Songs aufreißen, wie verzweifelt mystisch alles klingt, wie gewaltig einsam und doch so unsuicidal das alles ist, das alles toppt sogar das vielumjubelte Vorgänger-Konsensding "Fabulous Muscles". Und keinen kümmerts? "Ihr wollt Kuschelsex? Fickt Euch!"

Smog - A River Ain't Too Much To Love
Mit dem entfernen der Klammern kam auch wieder die Kraft, ein Album aufzunehmen, das endlich wieder hervorkehrt, was Smog immer ausmachte: Seine Stimme. Seine Texte. Seine Ideen. Das je nach Rechnung zehnte, elfte oder zwanzigste Album hat die ruhigen, kontemplativen Momente des Jahres gebracht. "So bury me in wood, and I will splinter. Bury me in stone, and I will quake. Bury me in water, and I will geyser. Bury me in fire, and I’m gonna phoenix." Na? *

Various Artists - 2Rabimmel 2Rabammel 2Rabum 2Bum Bum
Hey, du da! Du Eckensteher und Nichttanzenwoller, du armer dich an dein Bierglas festkrallender Indierocklurch. Zieh dir den Stock aus dem Hintern und das hier tief ins Ohr, bitte. Danke. Und jetzt erzähl mir nochmal was von herzloser Musik.
Warum eine Compilation (Ausnhame Nr. 3!) in dieser Liste auftaucht? Weil sie ein Label repräsentiert, das - neben Cadenza und Sender (again) - das Jahr geruled hat. Man konnte im Grunde genommen jede einzelne 12inch blind kaufen, Tanzgarantien waren sie alle. Und diese Platte ist der schwitzende Beweis (und für mich eine gute Ausrede um nicht auch meine Top100-12inches schreiben zu müssen).

The Earlies - These Were The Earlies
Ehrlich gesagt war da gar nicht so viel mit Flaming Lips und Polyphonic Spree. Dieses Debüt war viel zu unfad dafür, geradeheraus elegisch, breit himmelhoch schön und irrsinnig beweglich in seinem Referenzsystem. Und trotzdem wirklich eigenständig. "Morning Wonder" hätte ein Indiehit werden sollen, aber wir wissen: Die Indiewelt kann die grausamste sein, wenn mal die Gitarren nicht im Vordergrund sind. Und den Earlies wünschen wir die Chartserfolge von Spiritualized, klar. *

Nada Surf - The Weight Is A Gift
Rambazamba, das so ein schnörkellos gutes Gitarrenindieschrammelalbum noch aus deren Fingern kommen konnte war auch nicht selbstverständlich. Man mag über die Fadesse von "Let Go" denken was man will, aber das hier birgt so viele Hits und Mitfühl-Stellen in sich, dass ein Entkommen kaum möglich war. Auch wegen dem totgespielten "Always Love". So alt, und doch so jung, diese Herren, das macht die Sache mit dem Gewicht ja gerade erst verständlich.

David Lipp - In immer: Love
Wiener Schmäh fand endlich auf elektronischem Musikverständnis fußend den Weg zu einem Konzeptalbum, das sich dem vielleicht schwierigsten Topos der Popkultur so wunderbar leicht widmete. David Lipp wird bestimmt vergessen und übersehen werden, das Label Niesom hat gerade zugemacht, weil sie eben nicht nach Kanada gingen, um reich nie wiederzukommen, und die Welt ist schlecht. Halten wir uns an David Lipps Liebe fest, bitte. *

Nine Inch Nails - With Teeth
Gut Ding braucht Weile, die sich hier (wieder mal) gelohnt hat. Es war wieder ein ganz anderes Album als erwartet, es war dieses Notwistsche Indieetwas mit jenem Dave Grohlsschen Haufdraufrock und der übliche Prise Industrialherumgepose, samt Gospel und Wall Of Sound-Irrsinn. Nicht selbstverständlich, nicht leicht zu verstehen, auch wegen der beiden falsch gewählten Singles. *

Lawrence - The Night Will Last Forever
Dieses Album abwechselnd mit Andi Teichmanns »Fades« gehört, bringt dich durch den Winter. Denn mal ehrlich: Sonne, Strand und gute Laune ist ja alles ganz fein. Aber irgendwie freut man sich ja dann doch auch auf die dunklen melancholischen Momente des Jahres, wenn alle Licht weicht und die Kälte alles überzieht. Das hier ist die Musik dazu. Träumerisch, elegisch, wärmend und ohne dem vielen Winterplatten so eigenen Pathos. Für den düsteren Romantiker in dir.

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