platten.kritk

The Perfect Crime


The Decemberists - The Crane WifeEs ist der vollste Sound. Das Major Label Debut. Ihr Plans. Als ob es da noch was zu holen gäbe, für die Decemberists, nach Picaresque, diesem schelmischen Juwel, das sich mir leider nicht zur Gänze erschließen konnte, das aber auch schon andeutete: Die nächste Platte wird noch sauberer. Mit noch vollerem Sound, deutlich mehr Wucht und vermutlich sogar mehr Instrumenten. Prognose: Gut. Resultat: Fantastisch. The Crane Wife, meine Damen und Herren.

Das geht auch deswegen, weil die Decemberists ihre laute Phase rüberholen, sie aber in der Produktion aufgehen lassen. Ich habe lange spekuliert, ob nun hier die The Tain-EP wieder von den Toten erweckt wird, jene EP, die das Lager der Fans vielleicht am meisten spaltetet, in die, die Black Sabbath mögen, und die die lieber wieder ein Neutral Milk Hotel-Revival haben wollten. Okay... es gibt sie die Momente auf der neuen Platte, wo sie in so einem Rock-Sumpf landen (take »Come and See« oder »When the War Came«), aber es bleibt eine willkommen Prise Wahnsinn in einem ansonsten durch unfassbare Rundheit, Symmetrie und Eleganz ausgezeichneten Ozean an schönen Songs. The Decemberists, Posterboys des Nullziger-Indies, Verteidiger des Amifolk-Glaubens, haben sich zwischen die Laut-und-Leise-Stühle gesetzt. Und eine der wichtigsten Songwriting-Platten unserer Tage aufgenommen.

Dass das mit dem Laut-und-Leise nicht trivial ist, sieht man z.B. an Bands, die immer schon davon lebten, und dann daran zerbrachen (allein heuer: Sophia, The Dears, Secret Machines...). Was auch als gefährliche Mahnung verstanden werden kann: Die nächste Decemberists könnte eine eklige Portion überproduzierter Scheiße werden, wenn sie nicht aufpassen. Aber das mag uns vorerst mal egal sein. Weil es genug genau richtig sitzende Produktion auf The Crane Wife gibt, um bis dorthin satt zu werden. Tucker Martin und (once again) Chris Walla sind verantwortlich für das herrliche Poltern in »The Landlord's Daughter«, die stoisch-gespenstische Ruhe bei »Shankill Butchers«, den epischen Trennungsschmerz (für's Album) und Neubeginn (für den Inhalt) bei »Sons and Daughters«. Ersterer hat übrigens auch Laura Veirs produziert, die uns bei »Yankee Bayonet (I Will Be Home Then)« um Kopf und Kragen singt. Wenn diese Platte eines bewirkt, dann hoffentlich, dass ein paar Indiekids sich den Backkatalog dieser Dame zu Gemüte führen.

Ja, und die Songs? Was ist mit den Songs, den Texten, den Ideen? Die sind – wie nicht anders zu erwarten – eine Welt für sich. Zwar habe ich den Decemberists niemals ihre Kauzigkeit abgekauft, aber die hier erzählte Geschichte um ein altes japanisches Märchen verzaubert natürlich, schafft neue Referenzwelten, die aber herrlich unaufdringlich bleiben. Man ist nicht gezwungen diese Schönheit zur Gänze zu schlucken. Und das ist es vielleicht was diese Platte (im Speziellen und die Decemberists im Allgemeinen) so wichtig macht: Dass sie am wenigsten will, aber am meisten macht. Die erwähnte mächtigere Instrumentierung entpuppt sich im Endeffekt als eine Fokussierung aufs Wesentliche. Die Platte ist mehr am Punkt und näher bei dir als alles, was sie bisher gemacht haben. Und - richtig - dieser Trick, dir was zu vorzumachen, was gar nicht da ist, ist hier mal nicht billig, denn, ja: Diese Platte darf das. Dies Platte kann das. Diese Platte ist vielleicht genau dazu da. Um an das Konzept zu erinnern, das sämtliche Fiktion immer schon im Hintergrund begleitet (und gelenkt) hat. Nämlich das un-reale Pendant zum wachen, vernünftigen »Bild« und somit zum Realen selbst: Der Traum.

Und genau das ist diese Platte, meine Damen und Herren. Genau deswegen schafft sie es mit ihren schüchternen 12-Minuten-Epen diesen Moment zwischen dem »Klick« des Lichtes und dem Anfang eines Traumes einzufangen. Als ich das erste mal »O Valencia!« gehört habe, und Picaresque schon etwas her war, dachte ich mir noch »naja«. Beim ersten Mal durchhören dachte ich mir zehn mal »naja«. Wie jeder Traum ist diese Platte ein Grower. Erst mit der Zeit kapierst du, was sie mit dir macht. Obwohl ich (auch von den Vorgängern ausgehend) dieser Platte am wenigsten Zugang dazu gab, nein: geben wollte, und es auch am wenigsten erwartet habe, ist nun also Teil 3 von 3 der klare Sieger, der klare, beste, schönste Aspekt davon, auf neue Platten, auf Nachfolger zu warten, und sich zu fragen, ob das denn überhaupt gut gehen kann. Hier ging es gut, wie selten etwas in diesem Jahr.

So United


...And You Will Know Us By The Trail Of Dead - So DividedNicht vergessen, wie das so ist. Nie vergessen, wie du die alten Leute auf den Straßen siehst und dann beim genauen hinhören diese Melodie pfeifen hörst. Tatsächlich... 60, 70, 100-jährige Menschen pfeifen deine Melodie, deinen Ohrwurm. Nicht vergessen, wie es sich anfühlt, wenn große Rockalben noch größeres Staunen hervorrufen, und alles auf einer enorm knapp bemessenem Geilheitsbatterie werkt, minimal eigentlich, sounsoviele cm Disk-Durchmesser, sounsoviele Einsen und Nullen. Was für eine Abstraktionsarbeit da nötig ist, um von da zu dem Opa, der die Melodie pfeift zu kommen, was wir da eigentlich tagtäglich machen, versuchen, schaffen, erscheitern, was eigentlich genau dieses Gefühl ist, dass man beim Abstrahieren erlebt, bei diesem »Ich packe dich nun, du Platte, und ich nehme dich als Teil meines Lebens auf«, was das eben ausmacht, und wieviel es bedeuten kann, all das kann man nur an den wirklich großen Platten erleben. An den Platten, denen man einfach nicht mal seine Seele dafür hergeben kann, weil das mit Inflation ja niemals hinkommen würde. So eine Platte war Worlds Apart für mich.

Dabei sind es manchmal wirklich die dümmsten und blödesten Menschen, die einem sowas geben, und es mag auch daran liegen, dass ich gerade Trail of Dead so furchtbar dumm finde, dass diese Platte damals sowas ausgelöst hat. Weil sie dumm sind, und ich ja nicht dumm bin, haben sie mich quasi zu dieser Abstraktion herausgefordert. Ein Album, ein Wettkampf, und klar lasse ich mich da auf genau ihre Dummheit ein, Schwanzvergleichspunkrock, Hölle, wo bleibst du? Trail of Dead haben diesen Kampf auf den Einsen und Nullen gewonnen. Aber ich ging ja los, damals, und kam zurück als Sieger in der Verlängerung, konnte Trail of Dead ihr Prädikat »dumm« ins Gesicht brüllen, wütend und enttäuscht die Muffathalle verlassen, genervt Leuten zuschauen, die ihre fucking größte Indierockband aller Tage abfeiern. Und verdammt, ja, so e[g|m]o sollte das alles ja jetzt nicht werden, aber wie gesagt... wenn du in der Straßenbahn sitzt, und der Opa vor dir pfeift ein Stück einer Trail of Dead-Platte, dann weißt du: Es geht um dich. Und genau dann eben nur um dich. Niemand sonst holt die Einsen und Nullen aus ihrem trostlosen Formalismus. Bedeutung ist das, was man den Dingen beimisst. Wir sind dran, wieder einmal, und wir sind, wieder einmal, so divided.

Okay, ich sag's euch: Großartige Platte. Bla. Indierock-Heaven. Bla. Perfekte Antwort auf die Fans, die Worlds Apart als zu ausdifferenziertes Popzeug verdammten. Bla. So Divided erschließtundöffnet uns Worlds Apart, geiler Kommentar, schafft einen referenziellen Überbau, in dem erst die Größe und Dominanz von Worlds Apart erklärt werden kann. Bla. Schafft selbstverständlich das unmögliche, besser zu sein, als das beste Rockalbum unseres Jahrzehnts. Bla. Trommelwirbel, Little Drummer Boy, un-glau-blich viel Beatles, Schlussstück verheiratet The Rapture mit Spiritualized, Bluesrock für den intelligenten Bar-Suff (Linksscheitel, Student, zu klug für diese Welt), Oasis (weil ja Beatles), böser Secret Machines-Ripoff, ein Guided by Voices-Cover, famose Nr. Zwei. Bla. Danach kommt nichts mehr. Bla. Alles, was in diesem Absatz steht, stimmt nicht nur weil es so ist, sondern auch weil ich es weiß. Bla.

Und trotzdem: Wirklich stimmen tut nur der Kommentar. Yeah, die Zeiten sind anders, und yeah, sie werden niemals wieder so gut und frisch und unverbraucht sein, wie vor zwei Jahren, aber eben yeah, auch dies ist etwas, was der Opa in der Straßenbahn begreift, erfühlen kann, wenn er seine Lippen formt und dabei nachdenkt, was könnte die universellste, wunderbarste Melodie sein, die ich grad pfeifen kann, da überlegt er isch das ganz genau, das passiert nicht einfach so. Diese Platte wird er nicht pfeifen. Auch weil sie keine Platte ist, sondern eine EP, ich hab's euch schon hundertmal vorgerechnet, es sind nur 7 neue Stücke, und wer die 7 alle als 10 von 10 einstufen will, meinetwegen, go for it, aber es bleibt fuzziwuzzi. Ein Kommentar. Eine Fußnote. Ich weiß, dass ich gemein und kurzsichtig bin, weil ja Stand in Silence, verdammt, WAS FÜR EIN SONG!, und wegen Sunken Dreams, ohmyfockinggod, das alles ist wirklich so richtig wie wichtig. So traumhaft groß. So schön und für mindestens einen Monat unentbehrlich. Aber es lässt sich nicht zu etwas abstrahieren, was ein Leben lang hält. Ich kann mich an dem nicht mehr festhalten. Maybe, ja, kommt nun alle, und lacht, weil wer will sich schon festhalten wollen, wer will schon Sicherheit, und überhaupt: Ich hab diese Band ja eh nie verstanden. Und ihr habt vollkommen Recht. Ich bin auch verdammt glücklich diese Band nie verstanden zu haben, nie gemocht zu haben und niemals auch nur einen Ton ihres intelligenten Indiesigns geglaubt zu haben. Das sind Arschlöcher. Idioten. Absolute Trotteln. Die es aber (sei es via Ghostwriter oder whatever) geschafft haben, diesen einen Prozess, dieses in der Welt sein und die Abstraktion mitnehmen, sie als das größte denkbare Risiko einfach für sich arbeiten zu lassen, die genau das für einen kurzen Moment klarer gesehen, gefühlt und hingespielt haben als irgendwer sonst. Dieser Moment ist vorüber, wir sind hier um seine Trümmer, die der letzten zwei Jahre aufzusammeln. Die Trümmer sind so divided, sie heißen so divided und womöglich wird ganz im Gegensatz zu Worlds Apart die lauschende Gemeinde diesmal nicht so divided sein. Und so erhält ihr Name auch eine gewisse Ironie. Wir kennen sie nun, die neue Platte, als eine Spur von toten Momenten ihres Vorgängers. That's for the history part. So eklig? Nein. Aber so geil auch nicht.

Okay, ich sag's euch nochmal: Großartige Platte. Weil es eben nicht immer um history geht. Bei den Blood Brothers gelernt, wie man diese Scheiße abstellen kann/soll/muss, und auch wie dort... ya know... es bleibt bei einer Platte, die mindestens in die Top 30 des Jahres gehört. Teil 2 von 3 der altbewährten US-Indiehoffnungen 06 schafft es also auch ins Ziel. Angeschlagen, aber doch.

after the bloodwork


The Blood Brothers - Young MachetesTeil 1 von 3 in der Serie »US-Indie, der 2006 die schwierige Aufgabe antritt, ein 05-Meisterwerk zu überbieten«. Na gut, gleich zu Anfang natürlich die Ausnahme: »Crimes«, der letzte große Wurf der Blood Brothers, ist eigentlich von 2004, wurde aber in diesen Breiten erst 2005 veröffentlicht, und fand sich dann auch in so manchen Bestenlisten des entsprechenden Jahres. Und ganz ohne die Fragen von damals bezüglich Verweichlichung oder Verrat nochmals aufwerfen zu wollen, war »Crimes« ein seltenes Juwel am Indiehimmel, denn es hatte etwas, was nur wenige Platten besitzen: Überraschungseffekt. Fanverlust und Fangewinn inklusive, abschwitzen erwünscht, wham, bam, 9.5. Eine wichtige Platte. Eine unterschätze Platte. Die Beatles-Platte für Beatles-Hasser.

Vielleicht war es der Schock des sich-selbst-überraschten Zweifels. Wenn es darum geht Poplaunen zu »konservieren«, sie liebevoll beizubehalten, ohne sie zu langweilen, wenn es darum geht, zu fragen, wohin man gegangen ist, und dabei doch den Überblick über die Kreuzungen, die VOR einem liegen zu bewahren, wenn es also um diese große Frage geht, was man tut, wenn man sich selbst überrascht hat, dann kann man Glück haben, oder auch nicht. Und vielleicht war es einfach nur Pech, dass die Blood Brothers so eine verdammt schöne und wichtige Platte damals rausgebracht haben. Man wird vermutlich nie wissen, was genau bei den Bandgesprächen passiert ist, als man sich entschied diese »Crimes«-Variante ihres Wachsinns nicht mehr zur Gänze weiterverfolgen zu wollen.

Und ganz ehrlich: Das ist auch gut so. Niemand hätte eine Wiederholung dieses Schaffens gutheißen können. Ehrlich. Nicht bei den Blood Brothers. Aber der Entschluss, wieder zurückzugehen und auch »Burn, Piano Island, Burn« einzubauen, der darf in Frage gestellt werden. Zwar gewinnt dadurch »Young Machetes« eine Kante, die Fans vielleicht bei »Crimes« vermisst haben, sie erreicht aber auch einen thermischen Nullpunkt, der einen ratlos zurücklässt, ein Gleichgewicht der Kräfte. Ein Gleichgewicht, dass in der Redewendung »weder Fisch noch Fleisch« aufgeht, ein Gleichgewicht zwischen epischer Wut und herzhaftem Pop. Die Blood Brothers haben insofern völlig richtig, und in einer beispiellosen Selbstanalyse ihr Potential klar eingegrenzt und perfekt verarbeitet, ein Überplatte für alles und jeden gemacht. »Young Machetes« ist (leider) die beste Blood Brothers-Platte geworden.

Warum das schade ist, ist deutlich schwerer einzugrenzen. Es hat aber was zu tun mit diesen Momenten wie bei »Laser Life« oder »Spit Shine Your Black Clouds« wo man diese Klugheit völlig klar präsentiert bekommt, diese perfekte Balance aus allem, was die Blood Brothers immer so wichtig gemacht hat. So klar einem das vor Augen liegt, wie perfekt hier die Synthese von Krach und Pop funktioniert, so sehr drängt sich auch auf, es handle sich hier um ein Nullsummenspiel. Es vibriert richtig, es ist ein clear catch, auch bei »Johnny Ripper/Stevie Ray Henderson« oder »Camouflage, Camouflage« stürzen die Songs auf der gewohnte fantastisch schiefe Landebahn ihrer Poplaune zu, und verbrennen sich dabei die Flügel. Ganz großer Pop, das. Und trotzdem kommt aus dem Verbinden alles Guten ein Ganzes heraus, das eben nicht abhebt, sondern landet. Einzig »Lift the Veil, Kiss the Tank« schafft diese Symbiose auf eine ähnlich ungut austarierte Art und Weise wie es z.B. »Love Rhymes With Hideous Car Wreck« oder »Peacock Skeleton With Crooked Feathers« tat. Denn diese nicht ausgewogene Mischung, die war es die »Crimes« so zum wham-bam machte. Die war es, die die Blood Brothers zu ihren Höhen trieb. Selbst dann, wenn sie sich irrwitzig weit aus ihrem Fenster lehnten (z.B. im Titeltrack von »Crimes«; ja nicht mal »selbst dann«, sogar »genau dann«!) war es eben dieser Irrwitz, eben dieses schiefe Konstrukt von Post-HC-Pop, das sich so wenig um seine eigen Stabilität kümmerte, wie um die verschlissenen Referenzen, das uns staunen machte. Und das passiert auf »Young Machetes« leider nicht mehr.

Versteht mich nicht falsch: Es ist und bleibt eine Weltklasse-Platte. Eine Tour des gesunden Versagens und der stimmlichen Verbreitung von Verwirrungstaktiken und Ausweichmanövern, alles verpackt in nimmeruhige Explosionen, farbenfrohes Fiasko, uh-huh, etceteras. Alles ist da. Aber »alles« ist eben manchmal eine Spur zu gut. Eine Spur zu schön. Eine Spur zu wichtig. Es bleibt die Hoffnung, die Blood Brothers erinnern sich wieder an die Überraschung, an das Ungleichgewicht, die Absurdität. Denn das ist es erst, warum wir vor langer, langer Zeit angefangen haben, so Bands wie die Blood Brothers in absurdem, unausgewogenem, überraschendem Ausmaß verdammt großartig zu finden.

Malajube - Trompe-l'oeil. Extended Version.


Malajube - Trompe-l'oeil... na gut, es soll so sein, es soll so sein, weil es kleiner nicht geht, weil ich auch grad irgendwo in der neuen Blood Brothers drin stecke und deren Ablenkungsversuche und Tarnanzüge so unschätzbar bunt sind, so richtig knackig, und was bitte ist denn falsch daran, was tut denn so weh, wenn es knackt und holpert, und dann die Versprechungen und Schlechtgewissenheiten einfach fallen gelassen werden, für den schiefen Haussegen und all das Zeug, das einem eh nie weiter bringt...

...na gut, es soll also doch irgendwie brodeln, etwas wackeln und uns in Unsicherheit wiegen lassen, weil es ja bei Malajube vielleicht so sehr um Unsicherheit geht wie um Kochrezepte (was für ein Hunger mich befällt...), und es sich deswegen ja auch um eine Band handelt, die etwas getan hat, was sich hier irgendwo im unsicheren Eck der ganzen Musikdeskription niederlassen muss, erst dort gedeihen kann, erst dort die Fehler macht, die man nicht planen kann, sondern die passieren müssen, weshalb natürlich die Blood Brothers perfekt da hin gedreht werden, also perfekt im Sinne von richtig, und um richtig geht es ja auch immer....

...na gut, es soll also auch um das gehen, wo sich Malajube niederlassen, eine extravagante Ecke des musikalischen Ozeans, der Kanada heißt, und sie lassen sich da nieder, wie es einst Arcade Fire taten, nur war es ein anderes »da« und ein anderes »nieder«, aber die Wucht ist ähnlich, und das Fundament, wo das passiert, ist ungefähr so stabil wie jenes könnte-klappen-wenn-wir's-versuchen-stabil, das aus Toronto, einem ganz anderen „da“, jenem Toronto von Broken Social Scene, oh ja, von genau denen, herweht, und Stabilität ist ganz wichtig, für Malajube, für dieses Album...

... na gut, jetzt ist nichts mehr gut, jetzt tun wir tun, also alles, was wir nie sollten, weil es meine Deutschlehrerin damals auch verboten hat, weil tun tut man nicht, aber es ist genau das, was dieses Album tut: Es tut, und dabei ist es so energetisch und schaffensgewillt, dass es für jedes Schaffen genau einen Moment braucht, genau die Spanne, die du zwischen zwei Wimpernschlägen hast, der Augenblick, der da am Beginn heißt »Jus De Canneberges« und mit diesem Akustik-Ding anfängt, deutlich zu düster in den ersten zwei Sekunden, aber dann mit einem Bang!-Bang!-Bang! ein erhabenes Uptempo erreicht, das langsamer ist als alles, was heutzutage Up! ist (undschönernochdazu) und dann senkt sich dieser Engel herab und singt von Heidelbeersaft, wo du nur verstehst »What you say do that?«, aber es ist natürlich Blödsinn, weil es französisch und nicht englisch ist, aber das ist es trotzdem was rüberkommt, was mein Ohr fühlt, und was ich verdammt nochmal beantworten will, denn dann bleibt das ganze kurz stehen, und die Minute ist noch nicht um, da braust es in so einen Architecture in Helsinki-Orkan, aber justlikethat, wie sie ihn selber nie hinkriegen würden, und schneller als ich denken kann, ist dieser Moment schon wieder verflogen, und aus, und es geht weiter, nach Monstreal...

...na gut, und dort hat es -40° Celsius, und eben so sollten sich Radiohead anfühlen heutzutage, genau das sollte Thom machen, nicht sich unterkühlt fühlen, sondern SAGEN, wie kalt es ist, und dann ein Statement dagegen machen, einen Schlachtruf, einen Hitzewall, ein warmes Stück Song zum Einwickeln, der dieses Gefühl vermittelt, was seit »Neighbourhood #1« niemand mehr geschafft hat, als es auch darum ging, wie kalt es nicht doch ist, aber dass wir doch Tunnel graben, durch den kalten Schnee, um uns zu verbinden, oh ja, und was ist denn bitte ein schöneres Bild als dieses, und hier tut es sich bei -40° Celsius jemand sehr leicht Barbarabababababarapadam! zu singen und sich darin richtig zu wenden, mit dem Rhythmus zu spielen, denn der Rhythmus hält uns wach und stark, bis er zum Walzer wird, ein Weihnachten im Stroboskop, zersetzte Geschenke, sehr viel Früchte, wo früher die Zitrone war, jetzt die Heidelbeere, und wieder ist der Moment schneller weg als du denkst, und es macht sich dieses Gefühl breit, es wäre genau das eben gerade, was zu hören MUSST, genau diese sonnengeküsste Musik, die dich retten wird, denn um Rettung geht es auch bei Malajube...

...na gut, und es geht um Klammern um diese Prolog- und Epilog-Teile, Intro und Outro, egal, mit all dem spielen Malajube sehr gern und es ist so ein herzliches spielen, denn hier macht die Linie weiter von »Boa vs. Python« (Test Icicles) und »On My Own« (Boy Kill Boy), dieser fiesen Hits, die diesen Kreisschließungstrick so toll hinkriegen, und dich am Ende daran erinnern, dass du eigentlich immer nur auf den Anfang gewartet hast, und bei diesem Kochrezept namens »Pâte Filo« machen das Malajube auch, oh ja, so richtig gekonnt dramatisch, mit einem Anfang zum Niederknien, und dann einem Zwischenteil, so einer Song-Treppe, die immer wieder in panisches Schreien ausbricht, wo du schon dir selbst aussuchen musst, an welche Happen du dich festhalten willst (ma sensebilité!) nur um dich am Ende wieder so richtig feedzubacken, wieder voll in die Maschine des Anfangs reinzuhauen, und dann aber, ohfockinggod, woanders abbiegen, weil sich jeder Mensch verändert auf dem Weg dem Kreis entlang, weil es eben keine Kreise gibt, weil sie zu perfekt oder so was wären, und das musst du erstmal in so einen Indiepopperlenrockkracher reinpacken, dass er am Ende eben nicht mit der Repetition des Anfangs zwinkert, sondern noch anderes Zeugnis draufsetzt, noch einmal Luft holt und laut aufschreit und dieses Schlagzeug so gekonnt im Off-Becken mit deinem Fußboden jongliert, den du darin natürlich verlierst, und eben dieses »natürlich« erklärt dir erst den ruhig sanften Treppen-Ausgang, der sich so heimelig anfühlt, mit einem Zick!-Zack! am Schluss, und um Wendungen geht es auch bei Malajube...

...na gut, und dann wird’s zu einem Zack!-Zack!, zu einem Aufwachen und ich sitze dramatisch im Flugzeug, das bebt und schwirrt, multicolor, sowas wie Testbilder surren im Kopf, und Flugzeuge haben was mit Entfernungen zu tun, und davon lebt dieses Lied, »La crabe«, auch, weil es sich immer wieder weg- und hinbewegt zu dir, und dabei aber nie »weg« ist, sondern immer »Weg«, und auf diesem Weg sollten die lauten Stimmen im Hintergrund, die Toten, die schreien, immer im Augenwinkel behalten werden, weil entfernt sein eben nicht heißt, das es weniger intensiv wird, oh ja, Intensität, wie sehr es doch um sie geht, hier, und eben diese Intensität in der Entfernung ja erst dieses Ende ermöglicht, den Moment wo das Lied pur rockistisch zurückkommt und dich anbrüllt, als ob es Aphex Twin in der allerletztne Ecke seine spookyness erschrecken will, und dabei brichst du zusammen, eine düstere Zelle unter der Haut, es bleibt dabei, wir sind dabei...

...na gut, und dabei sind wir aber in diesem »wir« eines sanften Lagerfeuers, Chanson Chanson Chanson, aber eben doch nicht, weil wir wieder mit dem Rhythmus spielen und dabei einen Refrain erobern, capture the flag, und wie tief dann die Gitarre noch reinkann ist eben so einen Intensitätsfrage, wie tief du gehen kannst, und wie hoch es hinaus kommt, aus diesem Refrain, aber am Ende macht »La monogamie« doch noch eine Wendung, als der Kinderchor die Gitarren in die Hand nimmt, so wie bei Smog's »Knock Knock« damals, und es erst richtig zum Wahnsinn wird, äh... At The Drive-In-Wahnsinn, wobei natürlich die keinen blassen Schimmer von Wahnsinn haben, und hier der Wahnsinn aber von der Decke in dein Auge tropft, und du denkst es seinen Tränen, aber in Wirklichkeit tanzt du, verdammt, tanzt, tanzt, tanzt du, die ganze Nacht...

...na gut, in der Ekstase der nicht-wahrnehmbaren Sprache, dieser Worte, die du nicht kriegst, siehst du dann immer Fantome, das macht das Mitsingen bei solchen Alben so toll, und je weniger du französisch denken kannst, umso besser, denn hier heißt es Zirkus, Attraktion und etwas Entertainer-Klavier, dein Lieblingsgericht, »Ton plat favori«, aber doch so bittersüß gekocht, dass es den Bogen zu einem Ska-rrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrr locker hinkriegt, Na! Na! Na! Na! und es eben um Spaß geht, ja, um Spaß, darum geht’s auch bei Malajube....

...na gut, den Spaß müssen wir wohl so kaufen, jemand flüstert »MC Solaar«, und hier sind wir, »La russe«, ma malédiction, un mal de la diction, und es geht natürlich um seine WÖRTER, seine Sprache, die der Fluch ist, rechtfertigen, erklären, analysieren, interpretieren, und das alles ist Hip Hop, zu schön für die Kritik(er) und alle die, die zweifeln werden, in Stille, wo es keinen Zweifel gibt, genau das, was ich eben hören wollte, en silence, verdammt, warum können Synthieflächen manchmal doch so gut funktionieren, obwohl ja so peinlich und wüst, aber eben diesmal Malajube und so unfassbar großartig, denn um Kobolde und Flüche geht es auch...

...na gut, es geht uns langsam die Luft aus, wir können nicht mehr, wir sind »da« und »nieder«, und beides fühlt sich richtig und stabil an, und plötzlich verbrennen sie uns, mit »Fille à plume«, mit so einem unfassbar fiesen Telefon-Song, Dälek, Kindergeburtstags Uh-hu!, territoriale Komplexität, und Schuhe schauen können wir auch dabei, was für eine Oper, die irgendwo im Chor, hinter der vorletzten Note so einen kleinen Schluck Hoffnung bietet hier je wieder lebend rauszukommen, und kaum ist dieser Moment vorbei, bist du raus, und lebendiger als je zuvor....

... na gut, lebendiger Glam, warum nicht auch Glam, hier wollen wir mal nicht so sein, denn im Glam lagen auch immer Zombies, wieder diese Schreie, dieses unfassbare Flehen um Erlösung, als ob die Stimmen und die Band als Ganzes genau wissen würde, was für ein Irrsinn an Album hier passiert, und als ob sie um Befreiung flehen, weil es so unfassbar magnificent ist, und du würdest ihnen gerne helfen, aus dieser Selbsbewusstheit rauszutreten und so wie du einfach mitzustolpern auf dem Weg, aber du kannst nicht, weil der Moment auch schon wieder weg ist, und du schließlich wieder mitmusst, der Bus wartet, bei »Casse-cou«, diesem herrlichen Led Zeppelin-Gerät, wo die Schreie wieder kommen, wieder um Hilfe suchen, und du fragst dich, was du machen sollst, wie du helfen kannst, weil du ja nicht reingreifen kannst, um die Leute rauszuholen, auch wenn es genau das ist, was du gerade so sehr willst...

...na gut, und dann kommt dieser neue Planet, den Malajube, für uns gebaut haben, letzten August, »Étienne d'août«, und genau dorthin rettet sich die Band gerade noch vom Wahnsinn, und dort schwebst du dann über dieser zarten Oberfläche, die so unwahr wirkt und fragil, Watte, dieser ganze sanfte Zug, der so herrlich unter deiner Haut vorbeiflitzt und in dieser Ballade, in diesem Ohrwurm sein »Let It Dive« findet, genau das, was du eben gerade nicht erwartet hast, aber in dieser Unerwartetheit soviel Geborgenheit und Sicherheit liegt, dass du ganz problemlos auf einer Nadelspitze stehen kannst und den Ausblick genießt, den Ausblick auf was noch kommt auf dem Weg, auf dem keine Schatten mehr liegen, auf dem alle hell winken und die Stimmen singen, meine Güte, singen, aber so richtig...

...na gut, und auch wenn du vorher kurz das Gefühl hattest, es IST alles gut, und es IST alles perfekt, weißt du aber dennoch, dass der Weg nur hell ist, WEIL er nicht perfekt ist, und in »St-fortunat« ist der herrliche Chanson wieder dieses leichte Zweifeln an allem glücklichen, weshalb es z.B. okay ist, ein Album so ausklingen zu lassen, weil es so ein Rückblick ist, ein Skelett, ein Fantom, und die Lücken und Fehler so schön im Blick hat, die gemacht wurden, auf dem Weg bisher, die Mücken, die man zum Weinen gebracht hat, und die nie wieder heilen werden, und genau deswegen braucht es nur »Le fin« um die letzten Takte und ein Lo-Fi-Bonus abzuliefern, und es ist eigentlich mit einer Leichtigkeit vollbracht, diese fehlende Heilung, um die es die ganze Zeit ging, die Verbrechen und die Begräbnisse, die Fehler und das helle, wunderschöne Erleuchten zu verstehen und aufzunehmen, denn schließlich haben Malajube auch genau das gemacht, es aufgenommen....

...na gut, und nach der Aufnahme ist es immer eine eigenartige Reise, voller Seitenstraßen und Überraschungen, aber was es eben ausmacht, ist, wie stabil es war, wie nah an dir, wie konzentriert und wie wenig out there, wie schnell du aus der Deskription wieder rauswillst, schnell raus, und zurück zum Start, diesmal kein Vergleich zu den Fundamenten, es gibt keine Kreise, kein Vergleich zu irgendwas, sondern einfach ein truly epic Indierock-Album. Überredet? Nicht?

...na gut...

They Have Come back from the Dead!! Ahhhh!


Kante - Die Tiere sind unruhigAls ob es nach »Zombi« noch was zu sagen gäbe. Als ob es denn auch nur in Frage kam, dass diese Band dieses Meisterwerk noch irgendwohin weiterentwickeln konnte. Ich habe Kante diese Chance nicht mehr zugestanden. Ich sah dabei zu, wie mir diese Band mal um mal bei Konzerten das Herz brach, als mit dem dritten Stück jedes verdammte Mal »Wenn man im Atem innehält«, dieser vielleicht größte Moment deutscher Liedeskunst der letzten Zeit, anklang. Ich sah dabei zu, wie ich Tocotronics »Pure Vernunft...« schon darauf zurückkoppelte und mich gar nicht traute auszurechnen, was »Zombi« alles noch in der nächsten Zeit verändern wird. Und dann kam Thees daher und schrieb:

Neue Kante Aufnahmen gehört.
Der Wahnsinn... !!!
Das wird neben der neuen Flaming Lips eine meiner TOP 3 Platten dieses Jahr.


Es konnte nur schiefgehen. Das kann keine Erwartung der Welt aushalten. Und nun sowas. Kante. Wisst ihr... Kante! Dieses Universum an Gefühlen und Gedanken, Brüchen und Konsequenzen, diese ganze Sammelsurium an Jazz und Pop, Rock und Soul, Wabern und Schweben, diese ganze Eleganz und dieses ganze Unbegreifliche an ihnen, was gerne »Poesie« genannt wird, und Dath mittlerweile zu Schandtaten im Rezensionsland verführt, eben diese Kante sind wieder da, mit einem unruhigen Album. Ihre Rockplatte. Die Platte, die in die »Die Summe der einzelnen Teile«- und »Zombi«-Richtung weitergehen sollte.
Wer sich ein leicht hörbares Rockalbum erwartet hat, wird sofort enttäuscht. »Die Tiere sind unruhig« ist eine Kante-Platte. Ist wie immer in einem eigenem Nebel drin. Klar »rocken« heißt eben bei Kante doch was anderes, als bei anderen Bands. Da kann auch so ein nüchternes Brett wie »Ich hab's gesehen« rocken. Die nötigen Riffs wären auf Tigerbeats Schweinrockplatten nicht aufgefallen. Aber das Feeling ist natürlich ein ganz anderes. So sind die sieben Stücke auf »Die Tiere sind unruhig« mit gewohnt gutem Kante-Eiern ausgestattet, machen Pausen, lehnen sich gegen den Wind, spüren Unbehagen auf, lassen Wut raus, ziehen sich wieder zurück. Das alles mit einer eindrucksvoll gelassenen Atmosphäre, ohne jemals Kunst zu werden. Kante-Platten »passieren« einfach. Sie sind per Definitionem keine Meisterwerke. Und »Die Tiere sind unruhig« macht mit seiner Großartigkeit klar, dass ich nach dem (damals von mir unter »Meisterwerk« abgespeicherten) »Zombi« einfach zu viel wollte. Und eben genau das bekam.

Some more misery


Boy Kill Boy - CivilianMan kann da anfangen, wo man will. Also, es ist so: Placebo und Franz Ferdinand versuchen sich zu einigen ob Pseudogoth mit Mainstreamappel mit Postpunkindiecredibilty mit Mainstreamappeal auf einen Nenner zu bringen sind. Resultat: Schwierig. Ungefähr so schwierig, wie ich mir tat, die britische Insel in letzter Zeit zu schätzen. Die laute britische Insel, wohlgemerkt, die unepischen, leisen My Latest Novel-Zauberwerke kann man da eh nicht dazuzählen. Und jetzt kommt »Civilian« daher. Sie vollbringen nicht nur den obigen Nenner (der da heißt: Bass!), sondern führen auch ihre ehemalige Vorband Hard-Fi ad absurdum, verpulvern The Futureheads/The Killers/Kaiser Chiefs/etc mit einem Fingerschnipp, trampeln auf dem Erbe Maximo Parks herum (weil die das mit dem Bass eben nicht verstanden haben…), machen dennoch nicht den Bloc Party-Fehler NUR für den Dancefloor zu schreiben, machen auch nicht den Art Brut-Fehler, eine Zeile vier mal zu oft zu singen, deuten hier und da mal an, was alles aus British Sea Power hätte werden können, wuchten sich in Snow Patrol-Ozeane (von denen man ja bekanntlich – je nach vorliebe – weiter zu Sebadoh oder Live gehen kann), erklimmen dieses sommerliche Gefühl der letzten Robocop Kraus-Platte, erinnern an das viel zu spät und viel zu wenig gefeierte Shout Out Louds-Debüt, stürmen die Charts (mit drei – nur drei! – sensationellen Hitsingles), verdammen mich in Erinnerungen an die guten Seiten der serbischen Indiepunkrock-90er (ein schier in diesem Rahmen nicht zu öffnendes Fass...) und lassen die Sonne und den gerade Wien zerschmelzenden Hochsommer völlig lächerlich aussehen in Schweißverursachwettbewerb. Das alles so konzentriert, wie ich es nicht erlebt habe, seit Tigerbeat mir damals Rockmusik erklärte. Das alles so richtig und gut angepasst, dass ich wieder daran glauben kann, dass die Briten Gitarren halten können. Seit dem Franz Ferdinand-Debüt, erstmals. Und das alles mit so viel Charme, so gutem Wissen und so tollem Kniefall, dass ich nur staunend nach oben blicken kann, und sage: »Close to madness/ So demanding/ I can't breathe anymore/ I'll never be the same again.«

Drowning In A Sea Of Love


Nathan Fake - Drowning In A Sea Of LoveBei allem Beteuern, solche Musik nicht zu »verstehen«. Bei allem Festhalten an übertriebenen Abgrenzungsversuchen. Bei allem Hoffen, auf die eine, schlüssige Platte, die es einem endlich bringt: Hier ist sie. Nathan Fake hat mich endlich erwischt.


Weil es kein schöneres Rauschen heutzutage gibt. Weil es kein schöneres Spielen mit Räuschen, keine schöneren Halbtonschwebungen, keine schöner gepitchten Geschichten, keinen schönere See im wahrsten Sinne des Wortes gibt, der einem das Konzept »Liebe« besser erklären könnte. Es ist für eine elektronische Space-Pop-Opera ein schlichtweg umwerfend rockiger Melancholie-Koloss, für die psychedelischen 70er-Rock-Walzen ein unglaublich sanfter Windhauch, der das alles zusammenhält, Downtempo, House, Jungle, ambientöse Wolken, bauchfüllende Wände, das Atmen unter Wasser (auch in der Liebe!), das Überleben bestimmter autistischer Züge, dass versichern in glanzvolle Klangstunden der einsamen Zweisamkeit, immer wieder das Rauschen: alles das hat Nathan Fake zu einem Diamanten verwoben, der Gefühl, Staunen und Wissen zu gleichen Teilen vereint, um einfach immer wieder auf den Kampf zwischen Ertinken und oben blieben hinzuweise. Ladies and Gentlemen… we are floating on love. Und manchmal, ganz selten, gehen wir unter.

Elektro Willi & Sohn


Okay, ein wenig bescheuert muss man dafür schon sein. Geht aber klar. Wer sich rosa Häschenohren aufsetzt, einen acidgetränkten Knarzbeat laufen lässt und dazu singt »Du hast mir Töne in mein Haar geschmiert, doch meine Kopfhaut ist rasiert« kann kein ganz so schlechter Mensch sein.

Elektro Willi und Sohn, das

a) ist eine Elektrofachhandelgeschäft in der Aachener Innenstadt, der wohl auf Grund seines Namens eine gewisse Berühmtheit innerhalb der Aachener, äh, Szene erlangt hat.

b) sind Willi/Ernst, der Labelchef von Modul8, bei Ladomat auch als Aeric unterwegs und Sohn Klaus/Daniel, einer der Herausgeber des Aachener Literaturmagazins [sic] (habe ich auch mal interviewt). Beides exorbitant liebe Menschen, klar.



Und was die beiden da zusammengeworfen haben, lässt sich nur durch ein Wort beschreiben: Spaß. Äh, nein, so: SPASS! Die Textfragmente changieren irgendwo zwischen Scooter und Grosz, zwischen Väth und Jandl (jaja, Gude Launä ist durch jetzt), die Sounds erinnern an eine sehr waghalsige Mischung aus Modeselektor, Egoexpress und ein Schuß Ascii Disko vielleicht. Oder, wie mein Co-Moderator Achim in unserer letzten Sendung sagte »die Aachener Antwort auf das Bierbeben«. Rough also, bumbum und knirsch. Jedenfalls mehr Flammenwerfer als Feuerwerk.

Und wie sich das für einen Labelchef gehört, hatte Willi natürlich gleich auch die richtigen Kontakte zur Hand. Oder wie will man sich das sonst erklären, wenn ein solches Projekt nicht mal vier Monate nach dem ersten Auftritt (Platte kommt noch, bisher gibt es nur Promos) bereits von Chloé im Studio 672 zu Köln gespielt wird? Man munkelt auch, die De:Bug hätte schon mal vorgefühlt, was denn da gerade in der westlichsten Provinz Deutschlands ginge. Und, hey, neben diversen kleineren Radiosendern hatte sie auch schon EinsLive in der Nachtschiene ... Top Of The Pops, ick hör dir trapsen.

Wie dem auch sei, wer sich für visuellen Blödsinn nicht zu schade ist (mal ehrlich, wer ist das schon?) fährt sich auf Willis und ihm sein Sohn die Seite mal das Video von dem inzwischen legendären ersten Auftritt rein. Streams von den Stücken kann man sich auf der MySpace-Seite anhören.

Cheers!

It takes time, but you can't talk your way out.


The Stills: Without FeathersEine Blume verbrennt. Jede Schönheit verbrennt. Und in jedem dieser Brände liegt der Neuanfang. Ein Neuanfang, den The Stills aus Montreal zu einem zentralen Thema gemacht haben, als ihr Debüt »Logic Will Break Your Heart« zwar positiv aufgenommen wurde, aber irgendwie nicht zur Canadian Invasion mitgezählt wurde. Dafür gab es zu viele »Smiths!«- und »New Order!«-Rufe. Zugegeben: Stimme und Bass waren tragende Elemente dieses zutiefst melancholischen und schönen Debüts. Aber dieses Debüt befreite sich in mindestens drei zeitlosen und großartigen Popsongs von allen Fesseln der Referenzhölle. Und trotzdem – oder gerade deshalb – beschlossen die Stills da nicht weiterzumachen. Am Anfang… war ein Feuerball. Jetzt gilt es zu leben.

»Without Feathers« verkündet im Opener »In The Beginning«, dass dieser Anfang eben auch in »stars and suns« war, Broken Social Scene zuzwinkernd. »In The Beginning« macht schon deutlich, dass eine der wesentlichen Aspekte des Neuanfangs der Umstieg von Moll auf Dur ist. Ein grandios funktionierender Popsong als Opener kann eben auch gleich die neuen Zutaten einführen, ohne die alten zu vergessen. So wird die wunderbare Pause in »In The Beginning« von dem (vom Debüt her schon so geschätzten) Bass gerettet. Auf der anderen Seite: Der neu entdeckte Schlagzeug-Galopp. Dieses wilde, ungezügelte Verlangen nach lebensfroher, vorwärtsgerichteter Popmusik. Und die lässt uns für den Rest des Albums nicht mehr los. Nr. 2, »The Mountain«, macht schon klar, dass das hier nicht abflauen will. Im weiteren Verlauf begegnen uns Jason Collett im famosen »Oh Shoplifter«, Rocksau Emily Haines in »Baby Blues« und ungefähr sechsundachtzig tolle Momente kanadischer Bauart, die immer zwischen Kitsch, Indie und Tohuwabohu pendeln. Sogar die ruhigen Momente sind nicht triefend, sondern spritzig, die Bläser sind opulent, aber nicht episch, die Pianos und Orgeln gut ergänzend, nicht sich gegenseitig verdrängend.

The Stills

Für eine so übersehene Band ist »Without Feathers« ein erstaunlicher Anwärter für »Kanadische Platte des Jahres«. Ich wünschte ich hätte die Stills von Anfang an gekannt; so bleibt mir nur, dieses Ergebnis einer Neuerfindung zu bestaunen, die Schönheit in jeder Zeile dieses Albums, in der sich die Band nicht mehr umdreht. Vielleicht ist es aber auch besser, dass ich sie erst jetzt kennen lerne, weil ich mich somit gar nicht umdrehen KANN. Und manchmal ist das eben am besten. Von den Yeah Yeah Yeahs über Built to Spill wieder zurück in die Zukunft. Am 12.05. erscheint »Without Feathers«. Then future hangs in our face.

Conventional Wisdom. Aber sowas von.


Built To Spill - You In ReverseWas das Vermissen angeht: Ja, schweinisch lange hat er sich Zeit gelassen, der Doug Martsch. Die fünf Jahre seit »Ancient Melodies Of The Future« sind aber vielleicht eine der größten Stärken der jetzt erscheinenden neuen Platte, denn BTS haben sich quasi die wahrlich nötige Zeit gelassen, um die Stagnation von »Ancient Melodies…« zu überwinden. Auch wenn »Überwinden« hier eben auch »Umkehren« heißen kann.

Allein das schon seit längerem von ihrer myspace-page streamende »Goin’ Against Your Mind« macht mit seinen 8:42 als Opener klar, dass hier knackige, kleine Beatles-Popsongs à la »There’s Nothing Wrong With Love« nicht zu ernten sind. Das Epos steht wieder vor uns. Das Epos, das einst BTS’ Ruf als Könige des Indierocks der ausgehenden 90er zementiert hat. Das Epos, das mit »Perfect From Now On« und »Keep It Like A Secret« gleich zwei Höhepunkte des Schaffens dieser Band erbrachte. Um dieses Epos soll es also wieder gehen. Dieses Epos soll uns begleiten und hüten, und interessanterweise auch abwehren vor den 2-minütigen Arctic Monkeys-Bomben, die zurzeit Mode sind. Wir dürfen nicht vergessen, dass (abgesehen von Doug Martsch hervorragender Soloplatte »Now You Now«) BTS die Strokes und Franzens-Revolutionen schweigend zugebracht haben. Wenn es denn überhaupt um eine Einordnung in die derzeitige Indierock-Landschaft gehen soll, so müsste zumindest dieser Aspekt dabei auch berücksichtigt werden.

Built To Spill

Womit also die Musik genug Freiraum hat, sich zu entfalten. Denn das Epos, der Himmel an schlängelnden Gitarren, (teilweise krautigen) Bass-Flächen, präzise dramatisierenden Drums, ist in full effect auch immer ein Himmel an Gefühlen und wunderschönen Emotionen, wenn nicht gar Erinnerungen. Und davon strotzt »You In Reverse« geradezu. Das macht wie gesagt allein schon dieser Aspekt aus, dass die Band sich traut dem »Perfect From Now On«- und »Keep It Like A Secret«-Duktus weiterzuverfolgen, was quasi »Ancient Melodies…« äh, überflüssig macht? Nein, natürlich nicht. Aber die fünf Jahre boten eben genug Zeit, sich darauf zu besinnen, was man mal anstellen wollte mit dem Baukasten »Indierock«. Und mit niemals altkluger Weisheit wird hier dann eben die beste Bauanleitung verfolgt, die man in der Bandgeschichte gefunden hat. Gelungene Introspektion. Dabei wird eben der Opener in keiner seiner über 500 Sekunden langweilig, dabei bringt »Traces« einen perfekten kleinen Ruhepol ins Spiel, der genug Atem gibt für das schockierend kurze und herrlich schräge »Saturday«, dabei hat »Wherever You Go« wieder die nötige Melodienkeule um so richtig zum Schmelzen zu bringen, was auch immer die Eiszeit der letzten fünf Jahre eingefroren hat. Dabei erleben wir eben auch bei »Conventional Wisdom«, warum vielleicht so mache Leute ein Problem mit der Platte haben werden: Ein perfekter, geradezu wahnsinniger Popsong wird per Gitarrenjam und Stimmenwegfall quasi ins Mäandern gezwungen. Und dieses Beisammensein von so schwierig zu kombinierenden Rockwelten wird immer den Hörer spalten, weil BTS eben genau diesen Spalt so lieben und so gut kennen. Und dieser Spalt hebt sie vom Rest der Indierock-Welt eben ab. Weswegen »You In Reverse« (wie alle BTS-Platten) natürlich zeitlos ist, aber halt gerade jetzt, und gerade so mehr als nötig war.

.txt

random | life | samples


SUCHEN

 


DOLLHOUSE


Dollhouse


KALENDER

April 2024
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 1 
 2 
 3 
 4 
 5 
 6 
 7 
 8 
 9 
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
 
 
 
 
 
 
 
 


AKUT

Jippie Diplomarbeit....
Jippie Diplomarbeit. Ich bin gerade damit fertig geworden...
Scheini (Gast) - 1. Aug, 15:10
Recht hast du. Sieht...
Recht hast du. Sieht man ja an so mancher Zeitung.
Phil (Gast) - 1. Aug, 15:03
Eitelkeit?
Nur wer laut schreit wird gehört. Der Inhalt ist da...
Roland Rafael Repczuk (Gast) - 1. Dez, 09:02
Absoluter Surrealismus...
Mir fehlt die Farbe
Roland Rafael Repczuk (Gast) - 18. Mär, 12:42
Endlich mal eine Filmkritik...
Endlich mal eine Filmkritik als Auslegung die Sinn...
der (Gast) - 9. Mär, 21:49


BLOG STATUS

Online seit 7097 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 1. Aug, 15:10


CREDITS

powered by Antville powered by Helma


Creative Commons License

xml version of this page
xml version of this page (summary)
xml version of this topic

twoday.net AGB

Subscribe with Bloglines



ABOUT .txt




STATUS

Du bist nicht angemeldet.