Donaufestival, Woche 01: 21.–23. 4. 2005



w01In der Kremser Messe wartete eine Line Up auf die Gäste, wie es in Österreich wirklich Seltenheitswert hat. Chicks On Speed, Alec Empire, J.G. Thirwell, Xiu Xiu, Prefuse 73, Thalija, Zeitkratzer, Sleater-Kinney, Liars. Noch Fragen?


Beeindruckend. Das war die einfachste Zusammenfassung des Donaufestivals gemäß diversen Beschreibungen im Vorfeld. Das von Tomas Zierhofer-Kin kuratierte Programm sollte für drei Wochen das Bundesland Niederösterreich und anreisewillige Fans beglücken. Und allein am ersten Wochende wurde mit einigen großartigen Headlinern aufgewartet, weswegen die Messehalle auch angenehm ge-, aber trotzdem nicht überfüllt war.

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Petri Sirviö, Leiter des MIESKUORO HUUTAJAT, des finnischen Chors der schreienden Männer, hatte Männer mit kräftigen Stimmen aus Krems und Umgebung gecastet. Diese mussten nichts weiter tun, als die Hymne des Donaufestivals zu brüllen. »An der schönen blauen Donau …« ist ein rhythmisch wie melodisch sehr schön-eigenartiges Stück Vokalskunst, das aufgrund seiner grandiosen Darbietung auch wirklich aufzeigte, wie fremdartig Melodik wirken kann, wenn sie sich mal nicht an konventionelle Maßstäbe hält. Und wie unheimlich wohltuend so eine Abwechslung sein kann. Die Hymne dient von nun der Eröffnung jedes Abends und erinnert somit mit jedem Mal wieder daran, dass die Donau sehr viele verschiedene Regionen durchfließt, bevor sie beim Donaufestival vielerlei Unterschiede zusammenbringt.

CHICKS ON SPEED vermochten mit ihrem kunstvoll-ambitionierten Electro-Clash-Projekt zwar durchaus die Tanzbeine in Bewegung zu bringen, aber allzu viel Schwung oder Elan gab es in ihrem Set leider nicht. Zu abwechslungslos schienen die Beats, zu groß bemessen die Performance. ALEC EMPIRE hingegen war natürlich kein Superlativ zu gering, hier ging es um Härte und Nachdruck im selben Atemzug. Dass sein Hardcore-Entwurf mit nacktem Oberkörper ebenso funktioniert wie mit lästigen Noise-Trash-Elementen, bewies seine Show allemal. Auch wenn der Sound mittelmäßig und seine Stimmung halb-mies war.

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Opener am Freitag: Stargast J.G. Thirlwell durfte das Publikum (der vordere Bereich war gar bestuhlt) mit zwei Performances beglücken: als STEROID MAXIMUS (mit Thirlwell als Dirigent) und der ersten Live-Präsentation des neuen FOETUS-Albums (mit Thirlwell als … ähm, »Sänger«). Sein Ensemble war eine vielköpfige Schar an jungen Menschen – Bläser, Streicher, Percussionisten, Keyboards, Gitarre, Bass – und klang wie ein gut eingespieltes Orchester. Die erste Show war rein instrumental und wusste mit aufregend-exotischer Rhythmik und mit sehr bekannten Melodien von James-Bond-Themen bis hin zu »Take Five« zu gefallen. Steroid Maximus belegte den Status von Thirlwell als Ausnahme- und Extremkünstler. Diese Reputation hat er mit Foetus schon einige Jahre zuvor erarbeitet. Thirwell wirft da seit 1981 die Industrial-Schatten seiner Nachfolger voraus und war trotzdem nie ganz dem Klischee verfallen. Als Produzent und Remixer von u.a. NIN bis, ja sogar Red Hot Chilli Peppers, hat er musikalisches und produktionstechnisches Talent sondergleichen bewiesen. Das neue FOETUS-Werk steht dem nicht nach. Das besagte Orchester beschreibt eine stete musikalische Weiterentwicklung, Thirwell krächzt mit einer Inbrunst, die sonst vielleicht nur Mark E. Smith zugute steht, und zusammen ergibt das einen hochprozentigen Cocktail aus urbanem Mythos, Angstschweiß, Klaustrophobie und unwirklichem Chaos.

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Es folgte Nicht-mehr-so-ganz-Geheimtipp Jamie Stewart a.k.a. XIU XIU, der mit seiner Begleiterin wie schon 2004 im Wiener Chelsea eine sensationelle Performance auf die Bühne brachte. Diese Lieder sind von einer derartig ungreifbaren Schönheit und Zerbrechlichkeit, dass selbst Stewarts eigene Körperzuckungen und Explosionen das Publikum immer wieder erschrecken ließen. »Fabulous Muscles«, das vielgelobte letztjährige Sensations-Album, und das bald kommende neue Werk »La Foret« wurden hier in einem emotional dicht gewobenen Klangteppich vielschichtig verarbeitet und nahmen durch die berührende Nähe der Künstler zum Publikum (trotz drei Meter fragwürdigem Graben) nur an Intensität zu. Erschreckend großartig. Wer danach noch Kraft genug hatte, konnte sich bei einem intensiv-saftigen PREFUSE 73-Auftritt die Hüfte auskugeln. Bassist und Drummer sorgten hier mit DJs und Knöpfchendrehern für Abstract und weniger Abstract Hip Hop. Der Fokus liegt auf instrumentalen Experimente, statt auf MCs. Also eher scheiternder Live-Jam als Wortakrobatik.

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Der dritte und letzte Abend dieses Wochenendes brachte mit THALIJA einen der aufregendsten österreichischen Postrock-Acts der letzten Zeit auf die Bühne. 15 Menschen stehen im Kreis und schaukeln sich gegenseitig in ungeahnte Höhen und Tiefen von vielstimmigen Gitarren und mehrmals geloopten Bass- und Drumlines. Was auf der gleichbetitelten Platte schon so gut funktioniert, ist natürlich live durch Intensität und Improvisation der kollektiven Trance noch viel näher. Gut gemacht. ZEITKRATZER sind eigentlich mit ihrem Namen schon am besten beschrieben. Analog-Noise kratzt sich durch die Oberfläche der Instrumente und lässt die dabei entstehenden Wunden produktiv auf das Publikum wirken. Der Geigenbogen löst sich auf, das Klavier wird zum Schlagzeug. Lou Reeds »Metal Machine Music« (des weiteren wurden Werke von Merzbow und Zbigniew Karkowski aufgeführt) im Hinterkopf ist hier »Laut und Laut gesellt sich gern«-Devise, auch wenn die elektronischen Verzerrer und Rückkopplungen fehlen. Gute, aber auf Dauer anstrengende Art und Weise, die Reibungsfläche von Musik selbst zu zerkratzen.

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Der Hauptact des vermutlich gesamten Donaufestivals war für nicht wenige Angereiste aber ohne Frage SLEATER-KINNEY. Das Trio ist die prototypische Vorzeigeband der Riot Grrrl-Bewegung, und schaffte es auch, die eigene Kampfzone in den Mainstream hinein auszuweiten und (Le Tigre ähnlich) einen hohen Popularitäts- und Bekanntheitsgrad zu erreichen, ohne die Ziele des eigenen (politischen) Projekts zu verraten. Nach einer Phase der Zurückgezogenheit, kehren Sleater-Kinney demnächst mit dem Album »The Woods« zurück. Ausufernder soll es werden, länger sollen die Songs sein, und damit rüttelt dieser neue Tonträger an den Grundfesten des Sleater-Kinney’schen kompakt-trockenen Punkrocks. Live vermochten die großteils neuen Songs leider nicht zu begeistern, zu abwechslungslos schien die Darbietung. Auf halbem Weg zu einer Neuerfindung des Sonic Youth-Rades bleiben Sleater-Kinney bei der zu hoch auferlegten Hürde stecken, ein bedeutungsschweres Prog-Rock-Epos im Riot-Gewand zu erschaffen. Stellenweise dümpeln die drei Damen in belanglosestem Schweinerock-Sumpf und vergessen alte Stärken und junggebliebenen Elan. Ob das auf Platte besser funktioniert, sei dahingestellt.

Den krachig-verspielten Abschluss besorgten die nervösen LIARS, die mittlerweile fast vierteljährlich Österreich besuchen und immer wieder mit ihrer aufgesetzten Show und »Nach Hardcore die Sinnflut«-Sozialisation Köpfe zum Nicken und Münder zum Offenstehen bringen. Energische Drums und wilde Gitarrenwände stoßen aufeinander und versetzen die drei Menschen auf der Bühne (und manche im Publikum) in zirkusartige Verrenkungen. Solide.

Es bleiben also Erinnerungen an einige schöne Momente und die Vorfreude auf Woche 02, mit Schwerpunkt HipHop: Saul Williams und Mike Ladd, seien mal als Beispiele genannt.

>> www.donaufestival.at
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Kunst, Propaganda und die Lust am Geometrischen


»Triumph des Willens« (D 1934/35, Leni Riefenstahl)
Uni

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Anlässlich der ersten Sitzung des Kolloquiums »Das Gute und das Schöne« wurde Riefenstahls Propaganda-»Klassiker« »Triumph des Willens« gezeigt. Ziel der daraufhin folgenden Diskussion war eine kritische Überprüfung der eigenen moralischen und ästhetischen Maßstäbe: Was ist Kunst? Was ist Propaganda? Kann Propaganda Kunst sein?

Es schälten sich vorrangig zwei Argumentationslinien heraus. Die erste, moralisch argumentierende, die schon die Trennung von ästhetischem Anspruch bzw. künstlerischer Umsetzung auf der einen und Propaganda-Zweck auf der anderen Seite für verwerflich hält; die zweite, die (meines Erachtens nach distanzierter) diese zwei Intentionen entweder grundsätzlich gelöst vom auteur sehen wollte (meine Position) oder aber zumindest eine Trennung aus Bewertungsgründen für unabdingbar hält.

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Die moralisch argumentierende Gruppe störte sich natürlich vor allem an der (zumindest auch projezierten) Intention des Films. Riefenstahl selber verteidigte ihre Propagandafilme stets als rein ästhetische Projekte, die dem NS-Regime zwar gelegen kamen (TdW war eine Auftragsarbeit, der Titel stammt von Hitler persönlich), dabei aber bloß »schön« sein sollten. Bereits hier ergeben sich erste Widersprüchlichkeiten: Die von Riefenstahl umgesetzte Ästhetik bedient meines Erachtens nach bereits ein nazistisches Verständnis von Schönheit. Die filmischen Topoi des – auch schönen, aber vor allem – starken Mannes, des gefolgsamen Mädels, der Masse (die hier nur in zwei Formen vorkommt: der wehrbereite Soldat und Arbeiter und die jubelnden Frauen und Kinder), die Konzentration auf den Übervater Hitler, die Natur als vollkommene Schönheit, schließlich die Ordnung, diese obszöne Geometrie, durch Riefenstahls Montage und Kadrierung ins fast schon Übermenschliche betont und gesteigert. Selbst wenn also Riefenstahls Intention eine rein ästhetische war – und die nachfolgenden Filme wären ein Indiz dafür –, war ihre Vorstellung der ultimativen Ästhetik eine vom Faschismus geprägte.

Wie bereits gesagt, war meine Sichtweise eine andere. Ich möchte den Fokus von der Frage »Was will uns der Autor damit sagen?«, also der ausschließlich hermeneutischen Ursachen- und Intentionsforschung, auf die rezeptive Wirkung lenken. Eine solch filmsoziologische Annäherung würde u.a. zu Vergleichen zwingen; gerade hier böte sich eine vergleichende Betrachtung von Riefenstahls Propaganda mit der Eisensteins (und dort im besonderen: »Panzerkreuzer Potemkin«) an. Genauer gesagt: sie drängte sich auf. Denn die Parallelen in der Montage, der Kameraführung, ja sogar der gesamten Mise-en-Scène bis hin zur Darstellung des Menschen an sich sind unübersehbar.

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Eine solche Betrachtung würde aber, dessen bin ich mir durchaus bewusst, schnell zu Problemen und Mißverständnissen führen. Denn wo genau verlaufen die Demarkationslinien zwischen Kunst, Politik und deren Betrachtung, zwischen vermeintlich »reiner« Ästhetik, ideologischer Propaganda und reflexivem Lesen? Kann man diese Bereiche trennen um dann in einer kulminativen Betrachtung zweier entgegengesetzt politischer Werke allein die ästhetische Reichweite zu betrachten? Und: Wo bleibe dann ich, der eine bestimmte Position einnimmt, die – bewußt oder unbewußt – immer auch das Politische mitdenkt, der also, seien wir ehrlich, nicht im luftleeren Raum über ein Kunstwerk nachdenkt? Soviel steht fest: Das Gebiet ist ein vermintes.

* * *

Ein Kolloquium, das diese Fragen aufwirft, kann kein so schlechtes sein. Vielleicht werden sich einige Fragezeichen im Verlaufe der nächsten Monate in Ausrufezeichen, zumindest aber in Ellipsen verwandeln. Der Seminarplan stellt noch so einige Schmankerl in Aussicht. Über Kants »Kritik der Urteilskraft« und Schillers Kallias-Briefen bis hin zu Adorno, Benn, Warhol und schließlich Woody Allens »Crimes and Misdemeanors« wird referiert werden. Ich selber bereite ein Referat zu Benjamins Kunstwerk -Aufsatz vor. Schau’n mer mal…

Info: Filmportal.de | Goethe-Institut Helsinki | IMDB

Nighthawks in der französischen Literatur



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Der hier besprochene Roman liegt zwar noch nicht in der deutschen Übersetzung vor, ist jedoch im Original gut zu lesen. L'Arrière Saison bedeutet so viel wie Nachsaison. Bleibt nun zu hoffen, dass der Roman bald auf Deutsch erscheint!

Philippe Besson, momentan wohl einer der interessantesten Autoren Frankreichs, hat Edward Hoppers bekanntestes Gemälde, Nighthawks, literarisch umgesetzt. Eines Abends, so Besson bezüglich der Entstehung des Romans, betrachtete er die Figuren auf dem Poster, das er bei sich hängen hatte. Vor allem die Frau im roten Kleid, die in Gesellschaft von drei Männern in einem Café namens Phillies am Tresen sitzt, hatte es ihm angetan. Er konnte sich nicht mehr lösen, der Wunsch entstand, ihre Geschichte zu erzählen, beziehungsweise sie zu erfinden.

Bessons Roman ist, wohlgemerkt, Fiktion und nur eine Version unter vielen möglichen. Das Café selbst verlegte er aus New York an den Strand eines verschlafenen, etwas herunter gekommenen Kaffs an der Ostküste Amerikas. Über die Vergangenheit der Figuren lässt sich streiten, besonders wenn man – und das ist bei einem Gemälde dieses Bekanntheitsgrades nicht ungewöhnlich – eigene Vorstellungen zu den Figuren entwickelt hat. Davon abgesehen fängt Besson überaus treffend die melancholische Stimmung ein, die das Gemälde verströmt: wie in vielen Werken Hoppers spürt man in der literarischen Umsetzung eine diffuse Einsamkeit, die Figuren stehen für sich, sind in sich versunken und verletzlich, doch zugleich umspannt sie in Nighthawks ein feines Netz, eine fast greifbare Intimität, eine unbestimmbare Nähe.

Philippe Bessons Stärke liegt in der psychologischen Entwicklung seiner Figuren. Er folgt ihren Gedankengängen und schält Persönlichkeiten Stück für Stück heraus. Die einzelnen Abschnitte bauen aufeinander auf, verschränken Vergangenheit und Gegenwart, sind in ihrer Ordnung sorgsam komponiert. Louise Cooper, die Frau im roten Kleid, schreibt Theaterstücke, das Café ist ihr Hafen, in den nach zehn Jahren Abwesenheit Stephen Townsend dringt. Sie waren ein Paar, bis Stephen Louise für deren Freundin verließ. Nun ist seine Ehe gescheitert. Stephen muss Louise sehen, muss sie sprechen, sich erklären nach all der Zeit, und während die beiden ihre schmerzhafte Vergangenheit aufarbeiten, braut sich analog und natürlich auch ein wenig metaphorisch über dem Meer ein Sommergewitter zusammen, das man durch die Glasfenster des Cafés herannahen sehen kann. Das Buch ist kurz und intensiv und bildet zwischenmenschliche Beziehungen erstaunlich präzise ab.

Philippe Besson veröffentlichte 2001 seinen ersten Roman, Zeit der Abwesenheit, für den er mit dem Prix Emmanuel-Roblès der Akademie Goncourt ausgezeichnet wurde. 2002 folgte Sein Bruder, von Patrice Chéreau (Intimacy) verfilmt und auf der Berlinale mit dem Silbernen Bären bedacht. L’Arrière Saison ist sein dritter Roman (Gran Prix RTL-Lire), es folgten Eine Italienische Liebe und Les jours fragiles, ein Roman auf den Spuren Arthur Rimbauds, der ebenfalls noch nicht auf Deutsch erschienen ist.


Philippe Besson: "L'Arrière Saison". -Paris: Collection Pocket, Herbst 2004|191 Seiten; 5 Euro| ISBN: 2266136070| Amazon.fr

Blood Brothers – 12.04.2005


Hell!!! Ein Desaster!!! Und WAS für eins!!!

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Die Ausgangslage war klar, und insofern schwierig: Eine der besten Platten des laufenden Jahres, die »Crimes«. Und schauderhafte Erinnerungen daran, wie andere großartige Platten den Weg auf die Bühne nicht fanden (z.B. Trail Of Dead) stiften auch bei den Blood Brothers etwas gespannte Erwartungshaltungen. Aber nachher ist man immer klüger. Gespannt war nach dem Konzert nur die Luft im Flex.

Die Songs explodieren in Kaskaden, die Blood Brothers taumeln und winden sich, schreien sich die Seele aus dem Leib, der Exzess der Musik steigert sich live zu einem wahrlichen Fiasko an Post-HC-Feuerwerk und lässt in keiner Minute Platz zum durchschnaufen. Auch der etwas dumpfe Sound kann die Blood Brothers nicht daran hindern, diese unglaubliche Mischung aus Eleganz und Power 1:1 auf das Publikum zu übertragen. Es ist die Hölle. Die vermeintlichen »Hits« von »Crimes« gewinnen live vor allem durch die Verzögerungen, die in sie eingebaut werden, eine ganz neue Dynamik; der Titeltrack z.B. wird durch den langsameren Vortrag fast zu einer Suche nach dem Nullpunkt, dem Stillstand, in dem aber die größten Kräfte verborgen sind, die dieser Song zu bieten hat. Und wäre eben besagtes Lied nicht auch eine der beeindruckendsten Pop-Hymnen des Jahres, wäre es vermutlich auch berechtigt gewesen zu fragen: »Is anybody listening?«

Aber genau das tat man. Man hörte zu. Diesmal hatten die Blood Brothers alle Ohren auf ihrer Seite. Und wenn die Songs mal drohten, stehen zu bleiben, dann wunderte sich der geneigte Zuhörer nur, wie denn in dieser Stille noch soviel Elan stecken kann. Und wie das Publikum gleichzeitig die Fäuste recken, das Moshpit verunstalten und zu Tränen gerührt sein kann. Die Blood Brother sind nicht mehr und nicht weniger als ein Wunder. Und wir sollten dankbar sein, dass sie uns besucht haben.

The Thermals – 11.04.2005


Eine fidele Werkschau der jungen Hoffnung hätte es werden sollen. Zu sehen war aber mehrheitlich Langeweile.

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Okay, da gibt’s diesen Kick, dieser Moment, wo dich ein Thermals-Song durch die Luft wirbeln kann und die zwei Minuten, die er dauert, den Atem raubt. Ja, den Kick gibt es, und er scheint sich auch immer wieder gerade dann einzustellen, wenn man die Thermals schon länger nicht mehr gehört hat. Als die drei die Bühne erklimmen, gehst du noch einmal die Hymnen und Melodien durch, die dich erwarten, die großartigen Riffs und den Power-Pop-Appeal, den diese neue Generation amerikanischer Punks mit sich bringt.

Was dann losbricht, ist ein Orkan sondergleichen, die Thermals rammen ihre Songs in die Luft und das Publikum (trotz des am selben Abend einige lockenden Mike Watt in der Szene) rammt zurück. Volles Haus, Hütte gerockt, nach 2 Minuten. Spitzenleistung. Aber länger als 4 Songs muss man das nicht haben. Die Ideen sind dafür auch nicht gedacht, die Thermals weichen an keiner Stelle von ihren einfachen, kraftvollen Songstrukturen ab, und erzeugen somit auf längere Dauer ein vielleicht unabsichtliches Vakuum. Die Hymnen und Hits wirken auf einmal blass und uninspiriert. Dass ein Großteil des anwesenden Publikums trotzdem dankbar war für die Performance, mag auch ein Zeichen dafür sein, dass es bei den Thermals vielleicht ja auch einfach nur ums »fallen lassen« geht. Aber dafür hätte ich dann gerne keinen doppelten Boden. Und die Thermals haben nun mal einen: die Platte »Fuckin A«. Auf die freu ich mich quasi, wenn sie mich wieder nach längerer Pause mit einem ihrer verdammten Ohrwürmer erwischt. Auch wenn’s nur für kurze Zeit ist.

Vom Leben und Sterben in den Niederlanden



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Warum hat Siem Merkelbach, Entdecker der niederländischen Provinz und Verfechter des Landstraßenblues, seinem Leben ein Ende gesetzt? Auf der Suche nach einer Antwort muss sich Justus eingestehen, dass der geliebte Onkel ein Fremder war und ich, sagt er, bin »höchstens Zeuge, Zuschauer, treuer Helfer, entfernter Neffe, anderer Leute Kind.«

Justus ist Zeuge, da er sich nach und nach der Ereignisse besinnt, die zum Selbstmord des Onkels führten; er ist Zuschauer, da er zu schwach war, seinem Idol entgegenzutreten; er ist treuer Helfer, da er dessen Verfehlungen deckte, immer wieder; er ist entfernter Neffe und nicht mehr als anderer Leute Kind, da er eben nicht der Verbündete war, der er zu sein hoffte. Am Ende weiß Justus nur eines: er ist mutterseelenallein. Der Onkel, an dem er sich reiben, den er lieben und hassen, verehren und verachten konnte, ist fort, und mit ihm sein ganzer Lebensinhalt.

Zwagermann gelingt eine präzise Charakterstudie und er bedient sich dazu einer mal sarkastischen, mal humorvollen und doch immer sensiblen Sprache. Es wird klar, dass Siem sein Leben bewusst verspielt hat, dass die wahren Opfer die Hinterbliebenen sind, gefangen in einem Netz aus Schuld, Scham und Selbstvorwürfen. Es gibt keine genaue Antwort auf die Frage nach dem Warum. Ein letzter Rest Unverständnis wird immer bleiben. Und die Leerstelle, die ein solcher Tod in unser Leben reißt, wird sich nie füllen lassen.

Joost Zwagermann ist neben Connie Palmen, Harry Mulisch, Maarten't Haart und Cees Nooteboom einer der bekanntesten niederländischen Autoren, den es in Deutschland jedoch noch zu entdecken gilt. Hoffen wir, das dieses kleine Werk sein Publikum findet, denn den Fragen, die hier aufgeworfen werden, wird sich jeder von uns irgend wann einmal stellen müssen.


Joost Zwagermann: »Onkel Siem und die Frauen«. – Köln: Kiepenheuer & Witsch, Februar 2005 | 220 Seiten; 17,90 €; ISBN: 3-462-03456-1 | Amazon.de | Buecher.de

Die Unbeerdigung des Fühlbaren – The Arcade Fire


funeralWas wurde nicht alles geschrieben und gejubelt, analysiert und argumentiert, dass diese Band mit ihrem Debüt »Funeral« den einzigen großen Wurf geschafft hat, den die selbstverliebte Indie-Musikwelt heutzutage schaffen konnte. Und wenn es nicht so schwer wäre, sich diesem Album zu entziehen, würde es auch hier heißen: »All ihr lieben Spiegel, Fritz Ostermayers, Spexen, Gaps, Blogs, Pitchforks usw., da habt ihr euch wieder mal einen verdammt gut schmeckenden Hype ausgesucht.« Aber die Wahrheit ist leider: Ihr könnt uns alles nehmen, aber nicht dieses Album.

Der günstige Moment ist wohl immer der, der die Grenze der eigenen Verwundbarkeit rückkoppelt mit den eigenen Ängsten, Wünschen und verborgenen Gedanken. Der Moment, wo sich entkristallisiert, was schon immer für unwandelbar gehalten wurde. Der Moment, wo diese Grenzen zuerst produktiv, dann reflexiv und schließlich verwerfbar werden. Ein Pochen, irgendwo tief drinnen, wummert in undurchschaubarem Takt, und schnürt die eigene Kehle zu. Die Angst erwischt zu werden, die Angst rehabilitiert zu werden. Die Angst die eigene, kaputte Seele wieder auf dem rechten Weg zu sehen. Das Aufkratzen von Oberflächen, das Durchdringen von meta-musikalischer Kopflastigkeit kann in einem solchen Moment mehr als nur Welten zum Verschwinden und Wiederauferstehen bringen. Eine nervös kratzende Geige verformt einen Walzer, der an seiner intensivsten Stelle, an seinem Höhepunkt die Indie-Disco neu erfindet. Warum ein Traum was anderes ist als eine Lüge, und zwar was gänzlich anderes, steht dann hier zur Debatte: »Is it a dream? Is it a lie? I think I'll let you decide.« An wieder einer anderen Stelle liegt auch die Antwort begraben auf den Rezeptionsoverkill, um den es hier geht: »They say a watched pot won't ever boil.« Na? Nichts Neues? Dann weiter…

»You can't raise a baby on motor oil, just like a seed down in the soil you gotta give it time.« singen The Arcade Fire in »Neighborhood #4 (7 Kettles)«, dem vielleicht berührendsten Song von »Funeral«. Und würden es die Lyrics dieses Albums nicht an sich schon verdienen einfach unkommentiert abgedruckt zu werden, wäre es auch enorm vermessen hier die analytische Erklärungs-Glocke zu läuten. Genau das wurde aber mit »Funeral« gemacht, mit all den David Bowie-Storys, Instrumentierungsbeschreibungen und Referenzhöllen (wobei hier angemerkt sei, dass eine nicht nur geographisch nahe liegende Verwandtschaft zu einer anderen großen, kanadisch-vielköpfigen Platte des letzten Jahres eigentlich hierzulande nirgendwo erwähnt wurde). »Funeral« erweckte den Drang, darüber zu reden, die Umstände zu erkennen, zu verstehen, warum diese Geschichten um den Tod der Familienmitglieder der Band den Namen »Funeral« auf ein Album heftete, dass niemals einer Beerdigung gleich kommen konnte. Alter Hut im Pop-Journalismus? Meinetwegen. Heißt aber nicht, dass da kein Komma dahinter stehen kann.

»Funeral« ist die Theorie einer Theorie einer Indierock-Platte. Es ist bei »In The Back Seat« so weit weg von Björk, wie in »Neighborhood #3 (Power Out)« von New Order. Es schmilzt in »Une Anneé Sans Lumière« den Eiskasten der Wiener Staatsoper, wo vorher »Crown Of Love« den beschriebenen Walzer-Disco-Bruch vollführt hat. Es denkt jeden Song um die eigene Ecke, und wenn es mehrere sind, fangen sie an vor dem symbolischen Feuer in der Nachbarschaft zu tanzen. Es rehabilitiert sich selbst mit jeder Minute und heilt die Wunden, die allein schon die Pressung dieser Musik auf schwarze und silberne kreisrunde Scheiben geschaffen hat. »Das Gefühl« und »das Pathos« sind dann die einfachsten Ankerpunkte, um »Funeral« an Land zu ziehen. Dass aber eine Platte wie »Funeral« die seltene Kraft hat, genau diese Begriffe im eigenen Struktur-Dschungel neu zu kontextualisieren, ist eben der Punkt, wo es sich jeder Beschreibung entziehen muss.

»My eyes are covered by the hands of my unborn kids, but my heart keeps watchin' through the skin of my eyelids.« Das ist dann der günstige Moment, wo dieser Dschungel den Widerspruch endlich akzeptieren muss. Und der Widerspruch heißt hier eben nicht »Sie können uns alles nehmen, aber nicht das Pathos.« (F. Ostermayer), sondern eher »And if the snow buries my neighborhood, and if my parents are crying, then I'll dig a tunnel from my window to yours.« Der Schnee, die Nachbarschaft, die Tunnel und der erste Hund im Weltall. Fass das alles zusammen und setze ein Komma dahinter. The Arcade Fire,

Urge Overkill – 05.04.2005


Image Hosted by ImageShack.usAlte Herren kommen wieder, um mit alten Hits wieder zu rocken. Kann gut gehen, muss es aber nicht.

Was soll man zu Urge Overkill noch sagen? Was wurde nicht schon längst vor zehn Jahren abgehandelt und für gut befunden? Die ewigen Fragen danach, warum sie es neben Pearl Jam und Nirvana trotz guter Kritiken nie zu dem durchschlagenden Erfolg der anderen gebracht haben? Warum ihr Rock so wegweisend war für Generationen von heute als »Retro« eingestufter Jungsbands von Mando Diao bis Tigerbeat? Nichts davon wäre ansatzweise (ausreichend) beantwortbar, und wenn, dann wurde es, wie gesagt, schon beantwortet.

Da stehen sie also, die alten Herren, und geben sich größte Mühe ein nicht allzu zahlreich erschienenes Publikum anzufeuern. Es steht im Raum, wie eine Band es schaffen soll, so eine historische Brücke zu überwinden, und so alte Songs in neuem Glanz dastehen zu lassen. Sicher war das gut gespielt, ohne Frage. Und bei »Sister Havanna« reckten auch alle ihre Fäuste gen Himmel, wie sie es vermutlich seit Jahren (oder gestern) nicht mehr gemacht haben. Aber schade bleibt es irgendwie trotzdem, dass da nicht mehr rüberkam, als einfaches Aufwärmen altbekannter Modelle. Sich auf die neue Platte von Urge Overkill freuen fällt schwer, so gut die Jungs auch mal waren.

Dass ROCK immer schon ROCK und nichts anderes war, steht aber nach einem Urge Overkill-Gig fest. Auch bei langweilig heruntergespielten Songs bleiben die Songs gigantische Meilensteine einer Geschichte, die keine sein wollte, und doch dank Bands wie Urge Overkill eine wurde. »Girl, You’ll Be A Woman Soon« als Zugabe versöhnte vermutlich auch die letzten Skeptiker im Publikum, auch wenn es noch so anders und vor allem älter als auf dem »Pulp Fiction«-OST klang. Vielleicht war auch nicht mehr rauszuholen aus dem Abend, außer: Versöhnung. Dafür dass sie so schnell wieder verschwunden sind, damals.

Kettcar – 04.04.2005


»Was war und ist, kommt und bleibt, es tut uns nicht leid. So sieht’s aus – unterm Strich: Es tut uns nicht leid« (Kettcar in »48 Stunden«)

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Ich stehe vor genau dem Problem, welches so mancher Rezensent und manche Rezensentin letzten Monat hatte, als es galt, kluge Pop-Schreibe zu Kettcars neuem Album »Von Spatzen und Tauben, Dächern und Händen« zu verfassen. Weggeworfene Anfänge, Unbehagen bei jeder auch noch so abgeschwächter Formulierung. Und ein leichter Unwille bestimmte Kerne dieser Musik zu erfassen und genau abzutrennen. Dafür ist sie zu einzig- und eigenartig.

»Mach immer was dein Herz dir sagt.« lautet eine Zeile aus dem eingangs erwähnten Song, und Kettcar orientieren sich auch in all ihren kryptischen, verschoben-durchdachten Momenten an einem gleich oder ähnlich gearteten Ideal. Was der Großteil des Publikums natürlich dankend und strahlend aufnimmt, auch wenn es manchmal etwas zu aufgesetzt wirkt, um ernst gemeint zu sein. Kettcar halten den Spannungsbogen nicht über die ganze Distanz, aber gegen Ende hin blitzt dann doch wieder eine Idee, ein Song auf, der staunen lässt. Bei mir war das die erste Zugabe, »Ausgetrunken«, die Kettcars Qualität so treffend vereinen konnte: Unvergessliche Textzeilen, ein ganz eigenes, verworrenes Rhythmusgefühl, und zu großen Gefühlen fähiger Indie-Rock mit unverwechselbarer Stimme. Für manch andere vereinte »48 Stunden« eben das, und wieder andere fanden einfach alles toll. (Immerhin hinterließ auch die Vorband Pale einen reichlich unkantig-langweiligen Eindruck.)

Warum also die Bewegung weg von Befindlichkeitslyrik bei Kettcar live funktioniert hat, konnten mir auch die ganzen Fans nach dem Konzert nicht erklären. Warum mittelmäßige Konzerte doch irgendwo auch ein Lächeln verbergen können, auch nicht. Kettcars Anekdoten über ihre immer noch erstaunliche Unbekanntheit und die Missverständnisse, die sie bis jetzt (nicht) nach Wien führten, habe ich immerhin verstanden. Und darüber geschmunzelt. Das was ich dann noch verstehe, ist »Home is where your Kettcar-Album is«.Und wenn das alles ist, okay.

Autechre …



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… bringen mit »Untilted« am 18. April ihr neuestes Album raus.

Und eine Tour gibt’s gleich noch dazu:

Autechre European Tour :: April 05
Thu 14 London. SE1 + Rob Hall, Mark Broom, Baby Ford
8-3am, £13adv Seetickets, Stargreen
Rough Trade CovGdn 0207-240-0105
Fri 15 Glasgow. Arts School ¬
Sat 16 Manchester. Zoo ¬ SOLD OUT
Sun 17 Nottingham. Stealth ¬
Mon 18 Paris. Point Ephemere
Tue 19 Antwerp. Petrol *
Wed 20 Eindhoven. Effenaar *
Thu 21 Hamburg. Blumen Und Planeten *
Fri 22 Berlin. Maria * (+ O.S.T. & Errorsmith)
Sat 23 Köln. Sensor *
Sun 24 Mannheim. MS Connexion *

Mon 25 Reims. La Cartonnerie *
Tue 26 Lyon. DV1*
Wed 27 Geneva. L'Usine *
Thu 28 Marseille. La Friche Belle De Mai *
Fri 29 Rome. Brancaleone *
Sat 30 Bologna. Link *

Alle Dates mit DJ Rob Hall / ¬ = with DJ Mark Broom / * = with SND(live)

Köln, ich komme!

Text zur Musik bei der De:Bug. [via tauben-Furl]

Die Unerstaunlichkeiten des Max Tivoli



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Max Tivoli sitzt in einem Sandkasten und schreibt seine Memoiren. Sein Gesicht ist spitzbübisch, sein helles Haar zerzaust. Er sieht aus wie jeder andere kleine Junge auch. Sein Geheimnis: er ist sechzig Jahre alt! Als Greis geboren, wird er immer jünger werden, um als alter Mann im Körper eines Babys zu sterben.

»Sei, wofür sie dich halten«, fleht die Mutter angesichts der brutalen Welt und so richtet sich Max in seinem Körper ein. Einsam wird er sein, schluchz, einen Freund nur wird er haben. Und Alice, um die sich von Anfang an alles dreht, wird er seine Liebe erst gestehen, wenn sie sich in mittlerem Alter in ihrer Entwicklung kreuzen. Das Glück, das er mit Alice erfährt, wird nur kurz währen und ihm einen hohen Preis abverlangen, denn Max muss sich immer wieder von geliebten Menschen trennen, um sein Geheimnis zu wahren.

Und hier liegt das Problem des brillant geschriebenen Romans: Greer legt zu viel Wert auf eine im Grunde beliebige Liebesgeschichte, als dass er seine Hauptfigur in einen gesellschaftlichen Kontext setzen würde. Die Außenwelt reagiert nicht auf Max und Max nicht auf sie. Stattdessen dominieren Max innere Konflikte, während sich das übrige Personal wie Möbelstücke verhält, die ausrangiert werden, sobald sie den unbeschwerten Fluss der Handlung stören, um dann zurück in ihre sich auf Dienlichkeit beschränkende Position gerückt zu werden.

Leider, muss man daher sagen, schöpft Greer das Potential seiner Thematik nicht aus. So plätschert der stilistisch tadellose Roman, der mühelos vielschichtig das San Francisco des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts auferstehen lässt, nach einem fulminanten Start ohne Überraschungen vor sich hin.

Max Tivolis Geschichte ist weniger erstaunlich als langweilig und am Ende – man ahnt es nicht nur, sondern weiß es schon – wartet nur der Tod.

Trotz allem könnte es sich lohnen, auf Greers nächsten Roman zu warten oder einen Blick in einen seiner ersten Titel zu wagen: How it is for me, 2000, und Die Nacht des Lichts, 2003, letzterer Titel ebenfalls bei S. Fischer.


Andrew Sean Greer: »Die erstaunliche Geschichte des Max Tivoli«. – Frankfurt a. M.: Fischer, Februar 2005 | 348 Seiten; 19,90 €; ISBN: 3-100-27815-1 | Amazon.de | Buecher.de

Monta – 31.03.2005


Image Hosted by ImageShack.usSelten wirkte ein Konzert so brüchig-berührend wie jenes von Tobias Kuhn a.k.a. Monta, der mit seiner Begleitband jenes Pop-Gefühls- wirrwarr hinterm Ofen hervorholt, das sonst nur von wenigen Momenten, Erlebnissen und Menschen berührt werden darf. Bei mir zumindest.





Sehr verdächtig. Und bei aller Leslie-Nielsen-Heraufbeschwörungsparanoia muss ich ehrlich gestehen: Bands wie Monta finde ich sehr verdächtig. Da ist die blasse Angst einerseits. Die Angst davor gefangen zu werden, die Angst davor in diese warmen Höhlen aufgenommen zu werden, wo man in Wirklichkeit nie hinwill, wo aber die Wärme eines Aufwachens nach dem vorangegangenen Breakdown auch am schönsten ist. Wo man süchtig wird danach. Und andererseits ist da dieses Coole, Lockere, Überlegene; dieses »der kann mir gar nichts tun, weil ich den eh verstehe.« Wirklich eklig, wenn ich so recht drüber nachdenke. Monta musste insofern einen harten Brocken überwinden, und es soll keiner behaupten es wäre »eh das leichteste, eingängige Songs zu schreiben.«

»Eingängigkeit« ist eine Thematisierung bei Monta, die der Sache nicht nur nicht gerecht wird, sondern auch außer Acht lässt, mit welcher Hingabe und Komplexität dieses Perlen-Pop-Universum, das er bietet, aufgesogen werden kann. Die Zerbrechlichkeit ist hier nicht Parole, sie ist beste Freundin und Hoffnungsträgerin dieser Musik. »Pathos-Pop« kann das allein deswegen schon nicht sein, weil Monta viel zu klein ist, um sich derartige wuchtige Attribute zukommen zu lassen. Wenn er »Long Live The Quiet« singt, bewegt er sich weg, immer weiter weg vom Mikro, und die kleine, aber erstaunlich gut gefüllte Rockhouse-Bar wird trotzdem erfüllt von seiner Stimme, seiner Sehnsucht und seiner Hymne an die Stillen unter uns. Und wie gerne wird man zu einem Stillen, einem Zuhörer, einem Betrachter dieser wunderschönen Geschichten und Lieder, die Monta uns präsentieren will.

Den Höhepunkt erklimmt Monta bei »I’m Sorry«, dieser vielleicht schönsten Gitarrenpop-Ballade des letzten Jahres, und er spielt diesen wahrhaft galaktischen Song mit einer Intensität und Ausdauer auf der Bühne, wie es der gute Fritz Ostermayer, der im zum Song gehörigen Video die Leidenden-Hauptrolle spielt, nie hinbekommen wird. Muss er ja auch nicht, ehrlich gesagt, »I’m Sorry« ist ein Manifest von einem Song, das ganz für sich alleine stehen kann. Aber mit Monta auf der Bühne hast du das Gefühl, als ob der Song neben dir Platz nehmen würde, um dich auf einen Drink einzuladen, und um dir zuzuhören, was selbstverständlich umso bedeutungsschwerer ist, je weniger man »Long Live The Quiet« verdaut hat.

Eigentlich hätte es hier noch viel mehr zu sagen gegeben, von wegen »Naked Lunch-Produktion« und wieder emporgehobene Erinnerungen an wunderschöne Sophia-Konzerte, aber ich denke, diese Höhlen müssen jetzt nicht ausgeleuchtet werden, dafür war Monta zu einzigartig. Zu nahe. Zu berührend. In den warmen Höhlen, die Monta selber gebaut hat mit seinen Songs, ist auf einmal Platz für mich. Ohne Angst. Und ohne Überlegenheit.

txt.news 01.04.2005



Wie Thomas Groh in seinem Blog berichtet, bietet UbuWeb nun auch einige Klassiker der Filmavantgarde von Kenneth Anger über Man Ray bis hin zu Laszlo Moholy-Nagy zum kostenlosen Download an. Nach der Sammlung von Fluxus-Filmen ist das jetzt schon der zweite Hüpfer in die Filmkunstgeschichte.

Cinematographie des Holocaust. »Diese siebte Internet-Edition enthält aus der Datenbank des Projekts Cinematographie des Holocaust insgesamt Informationen zu 1.530 Filmen. Der Korpus umfaßt vorrangig Filme in englischer Sprache (aus den Ländern USA, Israel u.a.). Hinzu kommt eine Querschnitt-Auswahl von relevanten Filmen aus Deutschland vor 1945, der BRD, der DDR, Frankreich, Italien u.a. […] Neben der Freitextrecherche kann die Datenbank nach Filmtiteln, Personennamen und Körperschaften abgefragt werden. Außerdem sind die Filme über Sachschlagwörter erschlossen, die einem Thesaurus entnommen sind, der zu Nationalsozialismus und Holocaust entwickelt wird.«

Film-Philosophy. Online Writings. Mächtige Sammlung mit Texten von Barthes bis Žižek.

Stefan Höltgen berichtet von der Kafka/Lynch-Tagung, die – leider nicht öffentlich – vom 14. bis 17. April in Bonn stattfinden wird. »Ich protokolliere das hier (eventuell sogar mit dem einen oder anderen Foto) und lade die Referenten ein, ihre Papers im Blog oder in den Filmforen zu veröffentlichen.«
Außerdem bei ihm noch ein schöner Text zu kanonisierter Gewalt im Hinblick auf »Taxi Driver«.

Elf Mitschnitte von …And You Will Know Us By the Trail of Dead-Konzerten in teilweise erstaunlich guter Qualität. [via frapp]

Der Spiegel entdeckt den Einfluß amerikanischer Politik auf Hollywood. In dem Zusammenhang sei die Doku »Marschbefehl für Hollywood« empfohlen. Läuft desöfteren bei den Öffentlich-Rechtlichen. Außerdem wird das Thema meines Wissens nach auch in »Manufacturing Consent – Noam Chomsky and the Media« von Peter Wintonick und Mark Achbar aufgegriffen

»kolik.film ist ein Spin-Off der österreichischen Literaturzeitschrift kolik und steht für eine vertiefende Auseinandersetzung mit Film. Das bedeutet für uns: Film als künstlerische, gesellschaftliche und politische Praxis ernst zu nehmen und ihm den entsprechenden publizistischen Raum zu geben. Jedes Heft widmet sich demnach in zwei bis drei ausführlichen Schwerpunkten aktuellen Themen und Fragestellungen. Diese Analysen, Interviews und Essays werden in fixen Rubriken um kürzere Textsorten ergänzt.«
Direkt mal die aktuelle Ausgabe bestellt. Bin gespannt.

Short Cuts



Was sich so angestaut hat. Einige Filme, die ich zum ersten Mal oder doch zumindest auf völlig neue Art gesehen habe, in aller Kürze:


»Der Krieger und die Kaiserin« (D 2000, Tom Tykwer)

Prägnantes Beispiel für die Verwechslung von »langsamer Film« und »langweiliger Film«. Filme, die so penetrant und manieristisch »KUNST!« zu sein behaupten, sind mir immer schon suspekt gewesen. Ich bin leidensfähig: Ich habe so manchen Film durchgestanden. (Hey, »Letztes Jahr in Marienbad« war eine Qual sondergleichen aber ich habe es geschafft!) Diesen habe ich nach einer dreiviertel Stunde aufgegeben. | IMDB

* * *

»Une liaison pornographique« (FR 1999, Frédéric Fonteyne)

Sehr schön. Ganz und gar unaufgeregt. Das Thema von »Intimacy« in weniger explizit aber nicht unbedingt weniger intensiv. | IMDB

* * *

»Fast Food, Fast Women« (USA/FR/IT 2000, Amos Kollek)

»Fast Food, Fast Women« schlängelte sich so durch und knapp eine Woche nachdem ich diesen Film gesehen habe, ist bloß noch diese seltsame Erscheinung Anna Thomsons (aka Anna Levine) in schauriger Erinnerung. | IMDB

* * *

»Top Job. Diamantenraub in Rio« (IT 1967, Giuliano Montaldo)

Sehr schönes Heist-Movie. Für das Genre ein Meilenstein. Hat den neueren Heist-Movies wie »The Italian Job« oder gar »The Score« vor allem eines voraus: sanfte, unterschwellige Melancholie. Die war vielleicht noch in »The Good Thief« zu bemerken, aber bei dem fehlte mir halt die Patina. | IMDB

* * *

»Dial M for Murder« (USA 1954, Alfred Hitchcock)

Mit und mit versuche ich alle mir erreichbaren Hitchcocks anzuschauen. Diesen hier habe ich bereits als Kind gesehen und ihn eher als langweilig in Erinnerung gehabt. Was ein Blödsinn. Wohow! Ganz ganz großes Theater-Kino. Und der Kommissar muss die Blaupause für Columbo gewesen sein. In seiner Reduziertheit ein toller Film. Weiß jemand, was es mit den Lampen auf sich hat? | IMDB

* * *

»Das Interview« (NL 2003, Theo van Gogh)

Und noch ein Kammerspiel. »Das Interview« wurde in den letzten Wochen gleich drei mal auf Arte ausgestrahlt. Genügend Zeit also, um nachzusprüfen, was man bereits vermutete: dass dieser Film so schmucklos ist, so ohne jegliches Interesse an Kamera und Schnitt gemacht scheint. Ein reiner Schauspieler-Film also. Aber das reicht hier vollkommen. Allein die Darstellung der zwei Protagonisten: groß! Ein durchdringender und überaus intensiver Film. | IMDB

* * *

»Nothing« (CAN 2003, Vincenzo Natali)

Im Kino gewesen. Zweimal gelacht. | IMDB


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